Drucksache 17 / 10 510 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 18. Mai 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Mai 2012) und Antwort Wie kommt die Initiative für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt (ISV) in der Kinder- und Jugendhilfe voran? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie schätzt der Senat die Verankerung und nach- haltige Realisierung der Bildungsarbeit für Multiplikator *innen durch das Projekt QUEERFORMAT in der Kinder- und Jugendhilfe im Rahmen der Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt“ (ISV) in den einzelnen Bezirken ein? Zu 1.: Nach der Vorstellung des von QUEERFORMAT entwickelten Qualifizierungskonzeptes in der Runde der Jugendstadträtinnen und Jugendstadträte am 24.09.2010 benannten acht Bezirke verantwortliche Kontaktpersonen für die Umsetzung in den bezirklichen Jugendämtern. Es ergibt sich folgende Übersicht: In Mitte und Pankow wurde das Umsetzungskonzept vollständig realisiert (interne Strategieentwicklung, interne Bedarfsabfrage im Jugendamt, konkrete Bedarfsanmeldungen zu Fortbildungen). Anfang April 2011 begannen die Jugendämter von Mitte und Pankow schwerpunktmäßig mit der Fortbildungsberatung und der Durchführung von Seminaren zur Umsetzung der Fortbildungsmaßnahmen. In beiden Modellbezirken bestanden neben dem Beschluss des Abgeordnetenhauses lokale Aktionspläne gegen Homophobie , auf Grundlage entsprechender Beschlüsse der Bezirksverordnetenversammlungen. Darin werden die Themen sexueller Vielfalt als wichtige Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe benannt und deren Umsetzung in der fachlichen Arbeit beschrieben. Darüber hinaus haben die Jugendämter in SteglitzZehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf bereits mit Fortbildungsmaßnahmen begonnen. 2. In welchen Bezirken sieht der Senat nach wie vor Handlungsbedarf und welche Schritte werden mit welchem Zeithorizont unternommen, um eine flächendeckende Realisierung sicherzustellen? Zu 2.: Wie unter 1. beschrieben, besteht in einigen Bezirken weiterer Handlungsbedarf. Die konkreten Schritte werden vom Sozialpädagogischen Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (SFBB) und dem beauftragten Träger in Abstimmung mit den Bezirken entwickelt . Gemäß dem Stand der Umsetzung ergibt sich folgende Planung: Kurzfristig: - Fortführung und Weiterentwicklung der erfolg- reich begonnenen Umsetzungsprozesse in den Modellbezirken Mitte und Pankow in enger Kooperation mit den Jugendämtern. - Anknüpfung in den Bezirken, die einen Topdown -Prozess angelegt haben, um ihre Strategieplanung mit den gewonnenen Erfahrungen aus den Modellbezirken zu unterstützen (Jugendamt Charlottenburg-Wilmersdorf und Jugendamt Tempelhof-Schöneberg). Mittelfristig: - Anknüpfung in den Bezirken, die Interesse be- kundet haben (Jugendämter Steglitz-Zehlendorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Lichtenberg, MarzahnHellersdorf , Spandau). Langfristig: - Anknüpfung in den Bezirken, die 2010/2011 noch keine Umsetzungsstrategien entwickelt haben (Jugendämter in Neukölln, Reinickendorf, Treptow-Köpenick). - Ausbau der Seminare für Fachkräfte aus dem Bereich der Kindertagesbetreuung. - Einbeziehung der LIGA-Fachrunde Kindertagesbetreuung bei der LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege und Erschließung neuer Zielgruppen, zum Beispiel in der Schulsozialarbeit , Jugendbewährungshilfe, Jugendberufshilfe, im Pflegekinderdienst, bei Fachkräften in der Ausbildung. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 510 3. Welche Probleme, Hindernisse und Hürden sieht der Senat für die Multiplikator*innenarbeit im Rahmen des mit der ISV beschlossenen Top-Down-Prozesses bei der Realisierung in einzelnen Bezirken? Sind sie eher genereller oder bezirksspezifischer Natur? Welche Schlussfolgerungen zieht er daraus, um die bessere Umsetzung der in der ISV beschlossenen Anforderungen zu ermöglichen? Zu 3.: Erfahrungen der Bezirke Mitte und Pankow zeigen, dass fehlende lokale Aktionspläne gegen Homophobie und Transphobie die Umsetzung erschweren. Die Bezirke werden bei der Fortsetzung der Initiative sexuelle Vielfalt (ISV) in der Kinder- und Jugendhilfe auf diese Erfahrungen hingewiesen. 4. Welche Ergebnisse zeitigte die in der Vorlage zur Kenntnisnahme auf Drs. 16/2978 vom 16.2.2010 angekündigte Überprüfung der JuleiCa-(Jugendleiter *innencard)-Ausbildungsstandards in Hinblick auf sexuelle Vielfalt? Wurden oder werden die Standards verändert, wenn ja, in welcher Weise? Zu 4.: In die Ausbildungsstandards der JuleiCa wurde das Modul „Sexuelle Vielfalt in der Julei-Ca-Ausbildung“ aufgenommen. Im November 2011 fand dazu die erste Schulung für Multiplikatoren/-innen statt. 5. Wurden inzwischen alle im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe in der Vorlage zur Kenntnisnahme (siehe Frage 4) benannten Schlüsselpersonen zum Thema Diversity und sexuelle Vielfalt qualifiziert? Wenn nein: Wie viele der Schlüsselpersonen haben bereits an einer Qualifizierung teilgenommen und wie viele noch nicht? Zu 5.: Schlüsselpersonen der Kinder- und Jugendhilfe wurden in 30 Veranstaltungen qualifiziert. Es wurden folgende Zielgruppen erreicht: - Jugendstadträte/-innen aller Berliner Bezirke (16. WP) - Arbeitsgemeinschaft Berliner öffentliche Jugend- hilfe - Jugendamtsdirektoren/-innen aller Berliner Be- zirke - Leitungsrunden des Jugendamtes in den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Spandau, Pankow, Steglitz-Zehlendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf - Erweiterte Leitungsrunden der Jugendämter Tempelhof-Schöneberg, Mitte, Lichtenberg (hier gemeinsam mit dem Jugendhilfeausschuss), Charlottenburg-Wilmersdorf - Jugendhilfeausschüsse in Marzahn-Hellersdorf, Tempelhof-Schöneberg, Friedrichshain-Kreuzberg , Charlottenburg-Wilmersdorf, SteglitzZehlendorf , Pankow, Lichtenberg - Jugendamt Mitte, Arbeitsgemeinschaft (AG) nach § 78 Kinderjugendhilfegesetz (KJHG), Hilfen zur Erziehung Jugendamt Mitte, Regionale Fach-AG Kindertagesbetreuung nach § 78 KJHG Jugendamt Pankow, AGs nach § 78 KJHG, Kindertagesbetreuung, Offene Jugendarbeit, Mädchenarbeit, Hilfen zur Erziehung, Mobile Teams Jugendsozialarbeit, Jugendberufshilfe - Landesjugendhilfeausschuss Berlin - LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohl- fahrtspflege Berlin - Landesjugendring Berlin und JuleiCa- Kommission 6. Wie viele pädagogische Fachkräfte (jenseits der Schlüsselpersonen) wurden bereits zum Thema Diversity und sexuelle Vielfalt qualifiziert und wie viele noch nicht? Wie wird die Verpflichtung zur Weiterbildung, wie es in Punkt 2 der ISV (Drs. 16/2291) festgelegt wurde, sichergestellt? Zu 6.: Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe sind nach Erhebungen der „Bundesstatistik SGB VIII“ in 2.849 Einrichtungen bei einer Vielzahl von Trägern insgesamt 30.872 Fachkräfte beschäftigt. Bisher wurden aus dieser umfangreichen Zielgruppe 774 Beschäftigte in einoder mehrtägigen Veranstaltungen fortgebildet und mit entsprechendem didaktischen Material versorgt. Eine Fortbildungsverpflichtung für bestimmte vorgegebene Themenbereiche besteht nicht. Die Forderung freiwilliger Teilnahme und Unterstützung der Eigenmotivation der Beschäftigten, sich mit dem Themenbereich auseinanderzusetzen , wird deshalb durch Hinweise und Informationen durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft aktiv unterstützt. Entsprechende Angebote werden den Trägern regelmäßig unterbreitet. Im Rahmen der Qualitätsentwicklung von Einrichtungen und Diensten, werden die Inhalte der ISV weiterverfolgt, mit dem Ziel diese in entsprechende Qualitätsvereinbarungen zu verankern. 7. Wie hoch schätzt der Senat den Bedarf für Fort- bildungsangebote in diesem Bereich in den nächsten Jahren ein? In welchem Umfang plant der Senat die Sicherung des Angebotes in den kommenden Jahren? Ist eine nachhaltige Sicherung von QUEERFORMAT angedacht , um eine stetige Aus- und Fortbildung in Schule, Kinder- und Jugendhilfe in Fragen sexueller Vielfalt abzusichern ? Zu 7.: Die Fortbildungsveranstaltungen mit QUEERFORMAT werden kontinuierlich entsprechend der unter 2. skizzierten Umsetzungsplanung fortgeführt. Berlin, den 24. Juni 2012 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Juli 2012) 2