Drucksache 17 / 10 514 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Benedikt Lux (GRÜNE) vom 13. Mai 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Mai 2012) und Antwort Legal, Illegal, …– Geringe Menge auch bei anderen Betäubungsmitteln (Btm) als Cannabis? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Bei Verhaltensweisen, die ausschließlich den ge- legentlichen Eigenverbrauch von Cannabisprodukten vorbereiten und nicht mit einer Fremdgefährdung verbunden sind, kommen Verfahrenseinstellungen insbesondere gemäß § 31a des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG), §§ 153, 153a der Strafprozessordnung (StPO) sowie gem. §§ 45, 47 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) in Betracht. Es handelt sich dabei um Opportunitätsentscheidungen, bei denen im Registratursystem der Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur die relevanten Einstellungsvorschriften, nicht aber die für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalte oder Gründe erfasst werden. Da auch bei den Berliner Strafgerichten keine Statistik zu den im Rahmen von Verfahrenseinstellungen im Einzelfall zu Grunde liegenden Mengen Cannabisharz oder Marihuana geführt wird, können im Folgenden lediglich allgemeine Aussagen zu der Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaft bei den in Rede stehenden Fällen getroffen werden. 1. Bei welcher Menge Cannabisharz oder Marihuana wird von der Verfolgung abgesehen? (Bitte nach Einstellung durch die Staatsanwaltschaft, durch Gericht und nach jeweiliger Rechtsgrundlage aufschlüsseln .) Zu 1.: Die Anwendung der Spezialregelung des § 31a BtMG richtet sich nach den Vorgaben der „Gemeinsamen Allgemeinen Verfügung zur Umsetzung des § 31a BtMG der Senatsverwaltungen für Justiz, für Inneres und Sport sowie für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz“ vom 20. Mai 2010 (GAV, Amtsblatt Nr. 23 vom 11. Juni 2010, S. 867 f.). Danach kann nach den Umständen des Einzelfalles von der Strafverfolgung gem. § 31a BtMG abgesehen werden, wenn sich die Tat auf den Umgang mit Cannabisprodukten in einer Bruttomenge von nicht mehr als 15 Gramm zum gelegentlichen Eigenverbrauch bezieht (fakultative Einstellung in Teil II. Nummer 1 der GAV). Bei einer Bruttomenge von bis zu zehn Gramm ist das Ermittlungsverfahren grundsätzlich einzustellen (obligatorische Einstellung in Teil II. Nummer 2 der GAV). Wird bei einem Konsumfall der Obergrenzwert der GAV von 15 Gramm überschritten, besteht die Möglichkeit, dass das Verfahren nach den Opportunitätsvorschriften der §§ 153, 153a StPO (bei Anwendung des Erwachsenenstrafrechts) bzw. §§ 45, 47 JGG (bei Anwendung des Jugendstrafrechts) eingestellt wird. 2. In wie vielen Fällen seit 2009 wurde von den Einstellungsmöglichkeiten wegen geringer Menge Gebrauch gemacht? In welchem Umfang wurde die Einstellung der Verfahren an Auflagen gebunden? (Bitte nach Jahren und Art der Auflage aufschlüsseln.) Zu 2.: Dem staatsanwaltschaftlichen Registratur- system lässt sich lediglich die Anzahl der Ermittlungsverfahren entnehmen, die in den Jahren 2009 bis 2011 gem. § 31a BtMG durch die Staatsanwaltschaft eingestellt wurden: Jahr Anzahl der Einstellungen nach § 31a BtMG 2009 4.856 2010 5.079 2011 4.885 Die Vorschrift des § 31a BtMG sieht keine Auf- lagen vor. Ob und inwieweit Opportunitätsentscheidungen nach den mit Auflagen verbundenen Normen des § 153a StPO und des § 45 Abs. 2 und 3 JGG ergangen sind, bei denen im Einzelfall auch die geringe Menge eine Rolle gespielt hat, kann aus den in der Vorbemerkung genannten Gründen nicht beantwortet werden. 3. In wie vielen Fällen seit 2009 wurde das Ver- fahren bei weniger als 10 bzw. 15 Gramm aufgrund eines öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 514 2 nicht eingestellt? (Bitte nach Jahren, Mengengrenze und Begründung des öffentlichen Interesses aufschlüsseln .) 4. In wie vielen Fällen seit 2009 wurde das Ver- fahren bei weniger als 10 bzw. 15 Gramm wegen Vorliegens einer Wiederholungstat nicht eingestellt? (Bitte nach Jahren und Mengengrenze aufschlüsseln.) Zu 3. und 4.: Die Fragen können nicht beantwortet werden, weil entsprechende Daten nicht vorliegen. 5. Gibt es für andere Betäubungsmittel als Cannabisharz und Marihuana eine gängige Rechtspraxis bis zu welcher Menge ein Verfahren in der Regel eingestellt wird? a) Wenn ja, bei welchen Betäubungsmitteln mit welcher Menge/Wirkstoffgehalt? b) Wenn nein, gibt es eine ungefähre Menge, bei denen die Staatsanwaltschaft regelmäßig von der Verfolgung absieht? c) Wenn nein, teilt der Senat die in vielen anderen Bundesländern vertretene Auffassung und Praxis, dass bei dem erstmaligen Besitz von bis zu drei Konsumeinheiten aus Opportunitätsgründen von der Strafverfolgung abgesehen werden sollte? Zu 5.: a) Für Fälle, in denen andere Betäubungsmittel als Cannabis und Marihuana eine Rolle spielen, existiert keine vergleichbare Einstellungspraxis. b) Es gibt auch keine ungefähre Menge, bei der die Staatsanwaltschaft regelmäßig von der Verfolgung absieht. Vielmehr erfolgen Einstellungen aus Opportunitätserwägungen nur in seltenen Einzelfällen und nur dann, wenn über die geringe Menge des Betäubungsmittels hinaus weitere besondere Umstände hinzutreten. c) Ziel des BtMG ist es, die Gesundheit sowohl des Einzelnen als auch der Bevölkerung im Ganzen vor den von Betäubungsmitteln ausgehenden Gefahren zu schützen und die Bevölkerung, vor allem Jugendliche, vor Abhängigkeit von Betäubungsmitteln zu bewahren. Die generalpräventive Wirkung der Verbote von Betäubungsmitteln wird nach Ansicht des Senats von der Bevölkerung auch wahr- und ernst genommen. Der Senat teilt daher nicht die Auffassung, dass bei dem (erstmaligen) Besitz von anderen Betäubungsmitteln als Cannabisharz und Marihuana - insbesondere von harten Drogen - aus Opportunitätsgründen von der Strafverfolgung abgesehen werden sollte. Gleichzeitig hält der Senat jedoch daran fest, dass eine verantwortungsbewusste Sucht- und Drogenpolitik neben der Strafverfolgung auch Prävention, Therapie und Hilfe zum Ausstieg als Mittel der Schadensminderung umfasst. Berlin, den 10. Juni 2012 Thomas Heilmann Senator für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Juni 2012)