Drucksache 17 / 10 536 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 30. Mai 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Mai 2012) und Antwort Diversity und Akzeptanz sexueller Vielfalt in der Verwaltung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Führungskräfte und Mitarbeiter*innen der Berliner Verwaltung haben inzwischen an den im Rahmen der Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt“ (ISV) entwickelten Diversity-Schulungen mit dem Schwerpunkt sexuelle Vielfalt teilgenommen (Bitte aufgliedern nach Halbtages-, Ein- und Zweitagesseminaren)? Wie viele Führungskräfte sind noch nicht in solchen Schulungen gewesen und wie viele Mitarbeiter*innen sollen noch geschult werden? Zu 1.: Von den insgesamt 98 Teilnehmenden waren mindestens 34 Führungskräfte und mindestens 29 Mitarbeitende . Da an einigen Schulungen sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeitende gemeinsam teilgenommen haben, kann eine genaue Zahl nicht ermittelt werden. Insgesamt wurden folgende Formate erprobt und erfolgreich durchgeführt: • drei Halbtagesseminare mit insgesamt 34 Teil- nehmenden • fünf 1-Tages Trainings mit insgesamt 53 Teil- nehmenden • ein Zweitagestrainings mit insgesamt 11 Teil- nehmenden Ferner wurden mehrere 2-stündige Informationsver- anstaltungen mit aktivierenden und sensibilisierenden Modulen durchgeführt. Der Aufwand der Ermittlung der Anzahl von Führungskräften, die noch nicht in solchen Schulungen gewesen sind, überschreitet den Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage. Außerdem ist festzuhalten , dass es sich bei den im Rahmen der ISV angebotenen Fortbildungen für Führungskräfte und Mitarbeitende der Verwaltung, um freiwillige Inhouse-Angebote handelte, für die in verschiedenen Senatsverwaltungen geworben wurde. Im Rahmen des nun folgenden Prozesses der Weiterentwicklung der ISV werden auch die Fortbildungen zu sexueller Vielfalt weiter an den Bedarf der jeweiligen Verwaltungseinheiten angepasst. Die Umsetzungsphase der Fortbildungen ist für 2013 anvisiert. Das Angebot an Diversity Trainings wird grundsätz- lich durch die Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS) aufrechterhalten, auch mit dem Schwerpunkt auf geschlechtlicher und sexueller Vielfalt. Die LADS bietet regelmäßig Diversity-Trainings an. Teilnehmende sind bei diesen Fortbildungen Vertreterinnen und Vertreter aus den Berliner Verwaltungen und der Zivilgesellschaft. 2. Wie viele Schulungen für wie viele Teil- nehmer*innen können mit dem im vom Senat vorgelegten Budgetentwurf 2012 und 2013 mit noch 15.000 € p.a. jährlich durchgeführt werden? Warum ist auf diesem finanziellen Niveau eine Fortsetzung nach Auffassung des Senats ausreichend, um den mit der ISV beschlossenen Wandel der Verwaltung voranzutreiben? Zu 2.: Entsprechend der ausgearbeiteten und bewähr- ten Rahmenkonzeption liegt die Mindestuntergrenze an Teilnehmenden bei 8 Personen, die Obergrenze bei 18 Teilnehmenden pro Schulung. Hierfür fallen lediglich Kosten für Organisation und Durchführung von Fortbildungen an. Entwicklungs- bzw. Druckkosten für Konzeption , Schulungsunterlagen, Handbücher etc. sind nicht notwendig. Entsprechende Materialien stehen zur Verfügung , um auch zukünftig Fortbildungen nachhaltig anbieten zu können. 3. Welche Konsequenzen zieht der Senat aus den Er- gebnissen der Gesamtevaluation der ISV für die Weiterentwicklung und Optimierung der Diversity-Schulungen für die Verwaltung? Zu 3.: Die Ergebnisse der Gesamtevaluation bestä- tigen die grundsätzliche Strategie und den Ansatz der Landesantidiskriminierungsstelle, Diversity Schulungen Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 536 in Verbindung mit spezifischen Schwerpunkten, wie zum Beispiel sexuelle Identität, auch als Inhouse Schulungen, anzubieten und durchzuführen. Ferner unterstützen die Ergebnisse das speziell entwickelte Konzept der Diversity Schulungen zu sexueller Identität, das sowohl auf persönlicher Ebene (z. B. Umgang mit Mitarbeitenden und Kund/innen) als auch auf fachlicher Ebene (z. B. Integration des Themas Diversity bzw. sexuelle Identität im Arbeitskontext) ansetzt. Ferner wurde bereits im Laufe des Prozesses deutlich und durch die Evaluationsergebnisse nochmals bestätigt, dass der Titel „sexuelle Vielfalt“ von den Führungskräften und Mitarbeitenden nicht verstanden bzw. angenommen wird. Entsprechend wurde der Titel bereits in der Umsetzungsphase in 2011 verändert. Die Ergebnisse werden in einem nächsten Schritt, im Rahmen des Prozesses der Weiterentwicklung der ISV, in entsprechenden, thematischen Fachrunden diskutiert und weiter ausgewertet. 4. Wurde die in Punkt 16 der ISV beschlossene Ent- wicklung von Diversity-Richtlinien für den Öffentlichen Dienst inzwischen abgeschlossen? Wenn nein: Warum nicht und bis wann soll diese Zielsetzung der ISV – auch angesichts der Pflichten, die sich aus §12 Abs. 1 und 2 AGG ergeben – umgesetzt werden? 5. Welche verbindlichen Leitsätze wurden, wie in der Drucksache zur Kenntnisnahme vom 16.02.2010 (Drs. 16/2978) angekündigt, entwickelt, um Diversity-Aspekte in den Personalentwicklungskonzepten der Verwaltungen zu implementieren? Welche Auswirkungen haben sich daraus für die Stellenausschreibungs- und Einstellungspolitik der Verwaltungen ergeben? Zu 4. und 5.: Die rechtlich verbindliche Verankerung von Diversity in der Berliner Verwaltung erfolgt im Entwurf zur Verordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten des allgemeinen Verwaltungsdienstes (LVO-AVD-E). Hierbei soll von den einzelnen Dienstbehörden im Land Berlin jeweils ein Personalentwicklungskonzept erstellt werden, in dem der Diversity-Aspekt festzuschreiben ist. Zudem erfolgt die Etablierung der Diversity-Kultur durch Aufnahme der Diversity-Kompetenz im Entwurf zum neuen Basis-Anforderungsprofil (Anlage 2 zu den Ausführungsvorschriften über die Beurteilung der Beamtinnen und Beamten des allgemeinen Verwaltungsdienstes – AV BAVD) für Sachbearbeitungen und Führungskräfte. Sie findet damit bei Auswahlverfahren für Stellenbesetzungen und bei Beurteilungen Berücksichtigung. Ein Controlling der Diversity-Kultur im Land Berlin erfolgt über das weiterentwickelte Landesweite Benchmarking Personalmanagement. Dabei erfolgt jährlich eine Bestandsaufnahme zu Diversity-Indikatoren. Im Rahmen von Diversity-Qualifizierungen sollen die Angebote an Fortbildungsveranstaltungen für Führungskräfte der Bezirks- und Senatsverwaltungen einschließlich nachgeordneter Behörden, vorzugsweise als InhouseSchulungen , intensiviert werden. Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt ist dabei in allen Diversity-Kursen expliziter Bestandteil der Inhalte. Den Beschäftigten der Berliner Verwaltung soll Gelegenheit gegeben werden, sich zum Schwerpunkt sexuelle und geschlechtliche Vielfalt fortzubilden. Hierzu bieten die einzelnen Senatsverwaltungen und Bezirke Inhouse-Schulungen an, in denen Beschäftigte als hausinterne Multiplikator/innen geschult werden. Die Vorgehensweise des Landesweiten Personal- managements entspricht der Zielsetzung zu Punkt 16 der ISV und unterstreicht Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers, die sich aus § 12 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ergeben. § 12 Abs. 2 AGG wird in Beantwortung zu Punkt 5 näher beleuchtet. 6. Inwiefern wurden, wie in der in Frage 5 genannten Mitteilung zur Kenntnisnahme vorgesehen, DiversityInhalte in die Ausbildung von Verwaltungsangestellten integriert? Welche Ausbildungscurricula wurden bereits ergänzt und welche noch nicht? Zu 6.: Die Diversity-Kompetenz ist in das Anfor- derungsprofil des Ausbildungsberufs Verwaltungsfachangestellte /r aufgenommen worden. Diese als „sehr wichtig “ eingestufte fachliche Anforderung wird auch in den Auswahlverfahren bei den Bewerberinnen und Bewerbern geprüft. Im Lehrplan für die dienstbegleitende Unterweisung in den Ausbildungsberufen Verwaltungsfachangestellte/r, Fachangestellte/r für Bürokommunikation ist Diversity ein integraler Bestandteil im Fachgebiet „Bürgerorientiertes Verwaltungshandeln“. Hierbei werden unter andrem interkulturelle Kompetenzen im Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern vermittelt und in Vertiefungen anhand interkultureller Fragestellungen angewandt. Darüber hinaus sind die Dozentinnen und Dozenten gehalten, in sämtlichen Fächern Diversity-Aspekte zu berücksichtigen. Hierzu findet im Sommer 2012 erstmalig ein zweitägiges Fortbildungsseminar für alle Dozentinnen und Dozenten für die Ausbildungsberufe statt. Ziel ist die intensivere Integration von Diversity im Unterrichtsgeschehen . Dieser Workshop soll als jährliche Veranstaltung etabliert werden. 7. Wie schätzt der Senat den Stand der Etablierung einer Diversity-Kultur in der Verwaltung ein? Welche Hürden und Schwierigkeiten bestehen dabei noch und wie sollen diese überwunden werden? Zu 7.: In den Richtlinien der Berliner Regierungs- politik wird Diversity als wichtige Zielstellung formuliert. In verschiedenen Politikfeldern werden Maßgaben und Maßnahmen formuliert, mit deren Hilfe „soziale Sicherheit , umfassende Teilhabe, Chancengerechtigkeit und Selbstbestimmung für alle Berlinerinnen und Berliner“ erreicht werden sollen. Diversity soll gefördert und kulturelle Vielfalt gestärkt werden. Diskriminierungsschutz und Diversity-Mainstreaming werden als wichtige Querschnittsaufgabe verstanden. Es handelt sich bei der Implementierung von Diversity um einen langfristigen 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 536 Prozess, den der Senat durch vielfältige Maßnahmen unterstützt. Der Umgang mit dieser Vielfalt ist in Berlin durch eine Reihe von Landesgesetzen und Vereinbarungen geregelt. Berlin ist seit 2006 Mitglied der Europäischen Städte-Koalition gegen Rassismus und 2007 wurde vom Senat die Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung eingerichtet, zu deren Kernaufgaben die Förderung einer Kultur der Wertschätzung von Vielfalt gehört. Im gleichen Jahr wurde die Charta der Vielfalt unterzeichnet und 2009 wurde die Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt “ vom Abgeordnetenhaus beschlossen, um nur einige Beispiele zu nennen. Darüber hinaus gibt es verschiedene Gesetze, die für die Berliner Verwaltung verbindlich sind und die den Umgang mit vielfältigen Beschäftigtengruppen regeln: so zum Beispiel das Landesgleichstellungsgesetz (LGG), das Landesgleichberechtigungsgesetz (LBGB), das Berliner Partizipations- und Integrationsgesetz (PartIntG) sowie das Verwaltungsreform -Grundsätze-Gesetz (VGG), in dem seit 2003 die interkulturelle Öffnung festgeschrieben ist. Die Berliner Verwaltung als größte Arbeitgeberin und Dienstleisterin, deren Angebote sich an alle Berlinerinnen und Berliner richten, ist hier in einer besonderen Verantwortung . Das Verständnis dafür, dass ein aktives Vorgehen gegen Diskriminierung und die Förderung einer Kultur der Vielfalt zwischenzeitlich zentrale Kriterien geworden sind, an denen sich auch eine moderne Verwaltung messen lassen muss, ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Um diese Impulse gezielt zu unterstützen, hat der Senat unter der Federführung der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung von 2009 bis 2012 das aus Mitteln der Verwaltungsmodernisierung finanzierte Projekt „Berlin - Stadt der Vielfalt - Implementierung wirksamer Diversity-Strategien durch die Berliner Verwaltung“ durchgeführt. Im Rahmen des Projektes wurde eine Bestandsaufnahme von und eine Bedarfsanalyse in Bezug auf Maßnahmen der Berliner Verwaltung zur Förderung von Chancengleichheit und Wertschätzung von Vielfalt erstellt. Die Ergebnisse des Projekts stellen eine gute Basis dar, um die Auseinandersetzung mit der Thematik voranzutreiben und Diversity als festen Bestandteil der Berliner Verwaltung zu etablieren. Um die damit verbundenen Zielsetzungen, die über die Abwehr von Diskriminierungen hinausgehen, zu erreichen , bedarf es eines langfristigen Prozesses. In dessen erster Phase muss das Schwergewicht auf Schulungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen liegen. Vor diesem Hintergrund hat der integrative Ansatz des Diversity Managements zwischenzeitlich Eingang in das Programm der Verwaltungsakademie Berlin (VAk) gefunden. So werden insbesondere im Rahmen der Persönlichkeitsentwicklung Veranstaltungen zu Führungsstil und Akzeptanz menschlicher Vielfalt vermittelt. Weiterhin findet er als Querschnittsthema Aufnahme im betrieblichen Gesundheitsmanagement , in den Angeboten zur Stärkung der interkulturellen Kompetenz sowie zur strategischen Teamsteuerung. Zudem ist er Inhalt von Schulungen für Beschäftigte der Ordnungsämter, Gesundheitskoordinator/innen, Dozent /innen und Multiplikator/innen sowie generell für Führungskräfte. Grundsätzlich ist es Ziel des Senats, Diversity-Aspekte in die Entwicklung eines gesamtstädtischen Konzeptes zur Personalplanung und -entwicklung zu integrieren. (s. hierzu auch die Antworten zu den Fraugen 4., 5. und 6.) Im Zusammenhang mit der Diversity Implemen- tierung in der Berliner Verwaltung ist die Interkulturelle Öffnung ein weiteres wichtiges Instrument. Mit dem Berliner Integrationskonzept hat der Senat eine Grundlage geschaffen, interkulturelle Öffnung und strukturelle Verbesserungen im Bildungs- und Ausbildungssystem miteinander zu verbinden. Die Kampagne „Berlin braucht Dich!“ zielt darauf ab, den Anteil junger Menschen mit Migrationshintergrund an den Auszubildenden im Öffentlichen Dienst zu erhöhen. Sie trägt mit großem Erfolg dazu bei, dass der Öffentliche Dienst zum einen in immer stärkerem Maße die Vielfalt der Bevölkerung Berlins repräsentiert und zum anderen seine Kundenorientierung ausbaut und qualifiziert. Der Prozess der interkulturellen Öffnung der Verwaltungen wird forciert fortgesetzt und auch über diesen Bereich hinaus ausgeweitet . Der Senat verfolgt ausdrücklich das Ziel, den Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst zu erhöhen. Berlin, den 22. Juni 2012 In Vertretung Barbara Loth Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Juli 2012) 3