Drucksache 17 / 10 551 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Alexander J. Herrmann (CDU) vom 30. Mai 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Juni 2012) und Antwort Hundebisse in Berlin – gefährliche Hunde oder gefährliche Halter? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie hat sich die Anzahl der Bissvorfälle seit Ein- führung der sog Rasseliste im Juli 2000 entwickelt?(Bitte differenzierte Darstellung der durch Hunde der gelisteten Rassen und sonstige Hunde verursachten Vorfälle) Zu 1.: Die erbetenen Informationen sind nach- folgender Tabellen zu entnehmen. 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Rasse A* B* A B A B A B A B A B A B 1. Pittbull 162 115 73 66 42 32 30 36 18 24 17 28 29 20 2. American Staff.Terrier 96 113 65 96 32 39 38 47 35 32 27 33 23 44 3. Bullterrier 15 20 8 13 5 9 1 4 3 6 5 8 2 5 4. Tosa Inu 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 1 1 0 0 5. Bullmastiff 0 1 0 1 0 0 0 0 0 0 1 0 2 0 6. Dogo Argentino 3 0 2 2 0 1 0 0 0 0 1 1 0 0 7. Fila Brasileiro 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 8. Mastin Espanol 0 0 0 0 0 0 0 0 2 0 0 0 0 0 9. Mastino Napoletano 3 3 3 1 3 0 0 0 0 1 0 1 0 0 10. Mastiff 0 0 0 0 0 0 0 2 0 0 3 2 1 0 11. Mischling (gefährl.H.) nicht er- fasst nicht er- fasst nicht er- fasst nicht er- fasst 22 13 38 47 32 33 25 44 25 16 Summe 1. - 11.: 279 252 151 179 104 94 107 136 90 98 80 118 82 85 (*A = Fälle, in denen Menschen verletzt oder gefahrdrohend angesprungen wurden *B = Fälle, in denen Hunde verletzt wurden) Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 551 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Rasse A B A B A B A B A B A B 1. Pittbull 10 19 15 15 4 13 6 14 4 13 6 6 2. American Staff.Terrier 22 29 23 27 16 24 17 29 6 24 18 28 3. Bullterrier 1 6 5 6 3 6 2 2 5 1 0 2 4. Tosa Inu 0 0 0 2 0 1 0 0 0 0 0 0 5. Bullmastiff 0 1 0 0 0 2 1 2 0 1 0 1 6. Dogo Argentino 1 0 0 1 0 1 0 0 1 2 0 0 7. Fila Brasileiro 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 8. Mastin Espanol 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 9. Mastino Napoletano 0 0 0 1 0 0 1 1 0 0 0 0 10. Mastiff 1 0 1 3 0 1 0 1 0 1 0 1 11. Mischling (gefährl.H.) 30 34 22 13 6 10 32 36 10 30 8 8 Summe 1. - 11.: 65 89 66 68 29 58 59 85 26 72 32 46 2. Wie bewertet der Senat die Wirksamkeit der im Juli 2000 eingeführten verschärften Regelungen in Bezug auf den Schutz der öffentlichen Sicherheit in Berlin? Zu 2.: Entscheidendes Kriterium der Wirksamkeit der im Juli 2000 in Kraft getretenen gesetzlichen Regelungen ist die Entwicklung der Bissvorfälle. Unter Zugrundelegung dieses Kriteriums bewertet der Senat die geltenden Regelungen als sehr wirksam. So hat sich die Gesamtzahl der durch Hunde verursachten Bissvorfälle von 2.760 im Jahr 1999 (1.816 Fälle in denen Menschen verletzt oder gefahrdrohend angesprungen / 944 Fälle, in denen Hunde verletzt wurden), 2.238 im Jahr 2000 (1.447 / 791) auf 1.242 im Jahr 2011 (706 / 536) erheblich reduziert. Noch deutlicher ist der Rückgang der durch Hunde der gelisteten Rassen verursachten Bissvorfälle von 531 im Jahr 1999 (279 / 252) auf 78 (32 / 46) im Jahr 2011. 3. Wie beurteilt der Senat die Akzeptanz der Rege- lungen durch die Berliner Hundehalterinnen und -halter? 4. Wie bewertet der Senat nach ca. 12-jähriger Er- fahrung die Regelung, dass anzeigepflichtige Listenhunde auch dann in der Öffentlichkeit ausschließlich mit Leine und Maulkorb geführt werden müssen, wenn sie erfolgreich einen Wesenstest bestanden haben und ihre Halter den Nachweis der Sachkunde erbracht haben? 5. Befürwortet der Senat Erleichterungen bezüglich des Haltens und Führens eines Hundes (z. B. Befreiung von der Maulkorbpflicht), wenn der Wesenstest erfolgreich ist und der Halter erfolgreich den Nachweis der Sachkunde erbracht hat? Zu 3. - 5.: Nach Auffassung des Senats werden die Regelungen des Berliner Hundegesetzes von einer Mehrheit der Hundehalterinnen und -halter akzeptiert. Dem Senat ist aus Berichten der für die Durchführung des Gesetzes zuständigen Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter (VetLeb) jedoch bekannt, dass die speziellen Normen für sogenannte Listenhunde von deren Halterinnen und Haltern zum Teil als nicht gerechtfertigt angesehen werden und deshalb auf deren Unverständnis stoßen. Dazu zählt insbesondere die Regelung, dass Hunde der gelisteten Rassen in der Öffentlichkeit auch nach Erfüllung der in der Frage erwähnten Vorgaben weiterhin nur mit Leine und Maulkorb geführt werden dürfen. Der Senat beabsichtigt, die Notwendigkeit dieser Re- gelung im Rahmen der im Koalitionsvertrag vorgesehenen und von der zuständigen Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz bereits eingeleiteten Evaluierung des Berliner Hundegesetzes zu prüfen. 6. Wie beurteilt der Senat die in der derzeitigen Fas- sung des Hundegesetzes bestehenden Regelungen in Bezug a. auf den Schutz der öffentlichen Sicherheit in Berlin? b. auf die Durchsetzbarkeit der Regelungen, insbesondere der Vorschriften für sog. Listenhunde? c. auf die Entwicklung der Anzahl gehaltener Listenhunde ? 7. Hält der Senat das vorhandene ordnungsbehörd- liche Instrumentarium zur Durchsetzung der geltenden Bestimmungen für ausreichend? Zu 6. und 7.: Zur Teilfrage a. wird auf die Antwort zur Frage Nr. 2 verwiesen. Der Senat hält die Normierungen des Berliner Hunde- gesetzes im Wesentlichen für gut durchsetzbar. Dazu steht den zuständigen Behörden ein weitreichendes ordnungsbehördliches Instrumentarium zur Verfügung (Anordnung von Maßnahmen bis zur Sicherstellung und ggf. Tötung eines Hundes). Unabhängig davon stimmt der Senat mit den für den Vollzug des Gesetzes zuständigen VetLeb darin überein, dass Ergänzungen oder Änderungen einzelner Regelungen, wie z. B. die Erweiterung und Konkretisierung der Anordnungsmöglichkeiten der zuständigen Behörde nach § 10 des Gesetzes, sinnvoll erscheinen . Es ist vorgesehen, dass sich die o. g. Evaluierung des 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 551 Evaluierung des Hundegesetzes auch auf diese Fragen erstreckt. Zu der Entwicklung der Anzahl in Berlin gehaltener Listenhunde liegen dem Senat keine aussagekräftigen und belastbaren Zahlen vor. 8. Wurden die seit 2000 geltenden Regelungen einer gerichtlichen Überprüfung bzgl. ihrer Verhältnismäßigkeit sowie ihrer Übereinstimmung mit übergeordnetem Recht (Berliner Verfassung, Grundgesetz) unterzogen und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Zu 8.: Die im Juli 2000 in Kraft getretene Verordnung über das Halten und Führen von Hunden, die erstmals die Gefährlichkeit von Hunden an deren Rassezugehörigkeit knüpfte, wurde vom Berliner Verfassungsgerichtshof mit Urteil vom 12. Juli 2001 als verfassungsgemäß beurteilt. Das seit 2004 geltende Hundegesetz entspricht in den damals der gerichtlichen Überprüfung unterzogenen Teilen dieser Verordnung. Auch das Bundesverfassungsgericht hat mit der Ent- scheidung vom 16. März 2004 über die Verfassungsbeschwerde gegen das (Bundes-)Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde das Einfuhr- und Verbringungsverbot von Hunden allein wegen ihrer Rassezugehörigkeit für verfassungskonform erklärt. 9. Wie ist die Abwehr von Gefahren, die von Hun- den ausgehen in anderen Ländern, insbesondere im Land Brandenburg, geregelt? (Bitte insbesondere eingehen auf vorhandene Regelungen für bestimmte Hunderassen, für große Hunde und zu einem Hundeführerschein) Zu 9.: Zur Abwehr der von Hunden ausgehenden Ge- fahren wurden in allen 16 Ländern Rechtsvorschriften erlassen . Regelungen, die auf die Gefährlichkeit bestimmter Rassen abheben, gibt es mit Ausnahme des Landes Niedersachsen in allen Ländern. Dabei bestehen jedoch Unterschiede bzgl. der gelisteten Rassen und der Reglementierung ihrer Haltung. Besondere Anforderungen an die Haltung großer Hunde sind in den Rechtsvorschriften Nordrhein-Westfalens und Brandenburgs normiert. Vorschriften zu Sachkundenachweisen/Hundeführer- scheinen für sog. Kampfhunde gibt es außer in Berlin in 12 weiteren Ländern. Einige Länder, u. a. Brandenburg, fordern einen Sachkundenachweisen/Hundeführerschein auch für andere Hunde, die sich durch ihr Verhalten als gefährlich erwiesen haben, Nordrhein-Westfalen darüber hinaus für große Hunde. In Niedersachsen müssen alle Hundehalter/innen ihre Sachkunde nachweisen bzw. einen Hundeführerschein erwerben. Die Brandenburger Rasseliste umfasst insgesamt 18 Rassen, wobei für 5 Rassen ein Haltungsverbot gilt. Die Haltung von Hunden der 13 anderen Rassen ist erlaubt, wenn der/die Halter/in seine Zuverlässigkeit nachweist und die Gefährlichkeit des Hundes durch einen Wesenstest widerlegt wird (Negativzeugnis). Halter/innen von Hunden mit einer Widerristhöhe von mindestens 40 Zentimetern oder einem Gewicht von mindestens 20 Kilogramm haben die Hundehaltung anzuzeigen und den Nachweis ihrer Zuverlässigkeit zu erbringen. 10. Gelten in Flächenländern neben den landesrecht- lichen Normen zusätzliche kommunale Regelungen, z. B. zum Leinenzwang? Zu 10.: Nach Kenntnis des Senats gilt in vielen Kom- munen neben den landesrechtlichen Vorschriften eine generelle Leinenpflicht für alle Hunde. Allerdings hat z. B. das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen den generellen Leinenzwang für Hunde in einer Kommune als unverhältnismäßig beurteilt. 11. Welche bundesgesetzlichen Regelungen zur Ab- wehr der von Hunden ausgehenden Gefahren gibt es? Zu 11.: Das Gesetz zur Beschränkung des Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland verbietet das Verbringen und die Einfuhr von Hunden der Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier, Bullterrier sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden. Das Verbot gilt für Hunde weiterer Rassen sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden, für die nach den Vorschriften des Landes, in dem der Hund ständig gehalten werden soll, eine Gefährlichkeit vermutet wird. 12. Wie hoch ist in Berlin die Stattgabequote bei verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegen behördliche Maßnahmen nach dem Berliner Hundegesetz? Zu 12.: Angaben können hierzu nicht gemacht wer- den, da entsprechende Daten statistisch nicht erfasst werden . Berlin, den 29. Juni 2012 Thomas Heilmann Senator für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Juli 2012) 3 Rasse