Drucksache 17 / 10 563 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Fabio Reinhardt und Martin Delius (PIRATEN) vom 25. Mai 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Juni 2012) und Antwort „Deutschpflicht“ und „Deutschgarantie“ an Berliner Schulen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. An welchen Berliner Schulen wurde eine sogenan- nte "Deutschpflicht" während der Pausen auf Schulhöfen in der Hausordnung oder in sonstigen Anweisungen für Schüler/innen und Lehrer/innen festgelegt? (Bitte auflisten nach Schulform und Bezirk) Zu 1.: Hausordnungen werden in der ausschließlichen Zuständigkeit der Schule erstellt; es erfolgt keine zentrale Erfassung, insofern kann auch keine Aussage dazu gemacht werden, ob, und wenn ja, an welcher Schule eine Hausordnung vorgibt, es solle in dem in der Frage genannten Rahmen nur Deutsch gesprochen werden. 2. An welchen allgemeinbildenden Berliner Schulen werden die Fächer Türkisch, Arabisch, Russisch oder Polnisch als ordentliche Fächer angeboten? An welchen Schulen besteht die Möglichkeit, die besagten Sprachen im Wahlpflichtbereich zu lernen? An welchen Schulen werden entsprechende freiwillige Arbeitsgemeinschaften oder Projekte angeboten? (Bitte nach Schulform und Bezirk auflisten) Zu 2.: Folgende Grundschulen bieten mit jeweils einem Zug das Regelangebot „Zweisprachige deutschtürkische Alphabetisierung und Erziehung“ sowie freiwillige Arbeitsgemeinschaften „Türkisch für Deutsche “ an: Wedding-Grundschule (Mitte), Schulstandort Müllerstraße (Mitte), Jens-Nydahl-Grundschule (Friedrichshain -Kreuzberg), Spreewald-Grundschule (Tempelhof -Schöneberg), Rixdorfer Grundschule (Neukölln). Gemäß der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 25.07.1977 (77/486/EWG) über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern /innen wird an Berliner Schulen Muttersprachlicher Ergänzungsunterricht (MEU) in alleiniger Verantwortung der diplomatischen Vertretungen erteilt. Die rechtliche Grundlage für Berlin sind § 15 Abs. 3 Schul- gesetz (SchulG), § 12 Abs. 3 der Grundschulverordnung (GsVO) und § 10 Abs. 5 der Sekundarstufe I-Verordnung. Der muttersprachliche Ergänzungsunterricht umfasst eine Unterweisung der Schülerinnen und Schüler in ihrer Muttersprache, in der heimatlichen Landeskunde, ursprünglich um die etwaige Wiedereingliederung in den Herkunftsmitgliedstaat zu erleichtern, heute um die Mehrsprachigkeit zu fördern. Muttersprachlicher Ergänzungsunterricht Türkisch wird derzeit an rund 100 Berliner Grundschulen von ca. 40 Lehrkräften aus der Türkei angeboten. Eine Schulliste liegt nicht vor. Über die Angebote anderer diplomatischer Vertretungen liegen keine Informationen vor. Polnisch, Russisch und Türkisch werden an vielen Berliner Schulen als zweite Fremdsprache angeboten. Diese Sprachen sind zudem Partnersprachen an der Staatlichen Europa-Schule Berlin (SESB). 3. Wie bewertet der Senat die Forderung an alle Schulen Berlins ein Rundschreiben zu senden, welche die Aufforderung an die Schulleiter/innen enthält, in den Hausordnungen oder sonstigen Anweisungen der jeweiligen Schule die "Deutschpflicht" zu streichen? Zu 3.: Es ist Angelegenheit der Einzelschule und deren Akteuren/innen, über den Gebrauch von Erst- und Zweitsprachen in den Pausen zu befinden. Nur ein Konsens vor Ort führt zu dem erwünschten Ergebnis. Hinsichtlich der Unterrichtssprache wird grundsätzlich auf die Benutzung der Sprache Deutsch bestanden. Herkunftssprachliche Erläuterungen inhaltlicher oder formaler Art können gemäß dem unterrichtlichen Kontext von großem Nutzen sein. So ist z.B. die Integration von Neuzugängen mit geringen Deutschkenntnissen in Regelklassen nur möglich, wenn sich Lehrkräfte und Mitschüler/innen engagieren und ggf. auch muttersprachlich unterstützen. Sich über Sprache, deren sachgerechten Einsatz und die vielfältigen Funktionen bewusst Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 563 zu werden, ist ein allgemeines Unterrichtsziel und hört nicht bei der Sprache Deutsch auf. Das Erlassen einer Hausordnung fällt gemäß § 6 Abs. 8 SchulG in die Zuständigkeit der Schulkonferenz. In der Schulkonferenz entscheiden Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer gemeinsam, so dass es keinen Grund gibt, dies zentral zu untersagen. 4. Welche Sanktionen für Schüler/innen bzw. dienst- rechtliche Konsequenzen für Lehrer/innen sind dem Senat bekannt, die sich aus der Nichtbeachtung einer "Deutschpflicht " in der Hausordnung oder sonstigen Anweisungen der Schulleiter/innen ergeben? Auf welcher Rechtsgrundlage beruhen diese Sanktionen? Zu 4.: Ein Verstoß gegen die Hausordnung kann u. a. mit Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen (§§ 62, 63 Schulgesetz) geahndet werden. 5. Kann der Senat Pressemeldungen bestätigen, wonach die Anmeldezahlen für Schulen steigen, die sogenannte "Deutsch-Garantie-Klassen" anbieten oder versprechen ? 6. Wie viele Schulen bieten derzeit das Modell "Deutsch-Garantie-Klasse" an? (Bitte nach Schulform und Bezirk auflisten) Zu 5. und 6.: Derartige Klassen bestehen an öffent- lichen Berliner Schulen nicht. Die Gustav-Falke-Grundschule führt seit Beginn des Schuljahres 2010/11 einen Schulversuch „Differenzierte Sprachförderkonzepte“ durch. Der in der Öffentlichkeit mitunter verwendeten Bezeichnung „Deutschklassen“ liegt eine Fehlinterpretation des Konzepts zugrunde, denn der Schulversuch ist ausdrücklich so ausgerichtet, dass er zum Ausgleich der Ausgangslagen der Kinder mit und ohne Sprachförderbedarf dient und entsprechende, differenzierte Förderkonzepte erprobt. Der Schulversuch hat das Ziel, durch Bildung temporär homogener Lerngruppen stabile sprachliche Voraussetzungen zu schaffen, um zu fundierteren Grundlagen für das gemeinsame Lernen in heterogenen Klassen nach der Schulanfangsphase zu gelangen. Schülerinnen und Schüler, die zum Schuleintritt erst über geringere Kompetenzen in der deutschen Sprache verfügen, werden durch den Einsatz speziell auf ihre Lernvoraussetzungen abgestimmter Förderkonzepte in der Weiterentwicklung ihrer sprachlichen Fähigkeiten gezielt gefördert. Sie erhalten mindestens drei Wochenstunden zusätzliche Förderung in Deutsch zur Erweiterung des Wortschatzes und grammatikalischer Ausdrucksmöglichkeiten. Nach der Schulanfangsphase werden die Klassen aus Schülerinnen und Schüler verschiedener Lerngruppen neu zusammengesetzt . Für nähere Informationen zum Schulversuch „Differenzierte Sprachförderkonzepte“ verweise ich auf die Antwort der Kleinen Anfrage 16/14 717 vom 24. September 2010. Berlin, den 22. Juni 2012 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Juli 2012) 2