Drucksache 17 / 10 584 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. der Abgeordneten Claudia Hämmerling (GRÜNE) vom 07. Juni 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Juni 2012) und Antwort Inzucht als Vermehrungsprinzip, Freigang im Schichtbetrieb, Käfige ohne Tageslicht; – Was muss geschehen, damit der Senat Einfluss auf die Haltung der Zootiere nimmt? Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Die Fragen 1 bis 16 betreffen Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, die Anfrage zu beantworten und hat daher den Direktor des Tierparks Berlin-Friedrichsfelde um eine Stellungnahme gebeten, die der Beantwortung zugrunde liegt. 1. Wie bewertet der Senat vor dem Hintergrund der Aussage des Zoochefs in der Drs. 16/11178, „jegliche Nachzucht im Tierpark und im Zoologischen Garten ist geplant und vorhersehbar“ die planmäßige Inzucht von Zootieren in Zoo und Tierpark? Zu 1.: Die Aussage, dass jede Zucht im Zoo und Tier- park geplant ist, ist zutreffend. Die zuständigen Behörden prüfen auch Zoo und Tierpark hinsichtlich der Einhaltung der tierschutzrechtlichen Bestimmungen. Es liegen dem Senat keine Erkenntnisse über Verstöße vor. 2. Welche neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse wurden in den Berliner Zoos durch die jahrelangen Inzuchtverpaarungen zwischen Jaguaren gewonnen? 3. Welche wissenschaftlichen Zuchtziele und welche pädagogischen Ziele wurden mit der dreimal unmittelbar hintereinander erfolgten Verpaarung der Löwengeschwister im Zoo im vorletzten Jahr verfolgt? Zu 2.und 3.: Die Verpaarungen bei den Jaguaren sind keineswegs Inzuchtverpaarungen. So sind die beiden Jaguare im Zoologischen Garten überhaupt nicht miteinander verwandt. Regelmäßige Nachzucht bei Tieren in Menschenhand gehört zum Verhaltensschema einer jeden Art und ist deswegen zu befürworten. 4. Welche Schlussfolgerungen für die Löwenzucht ziehen Senat und Zoochef aus dem Ergebnis dieser Inzuchtverpaarung, bei der der erste Wurf getötet werden musste, bei der die beiden Löwenjungen der zweiten Verpaarung sichtbare gesundheitliche Defekte aufweisen und bei der der dritte Wurf durch „Unachtsamkeit“ eines Tierpflegers von einem Löwen getötet wurde, so dass über gesundheitlichen Zustand und die Entwicklung der Jungtiere keine Feststellungen mehr getroffen werden können? Zu 4.: Die Löwenjungtiere des zweiten Wurfs im Zoo- logischen Garten Berlin hatten keine gesundheitlichen Defekte. Sie sind artgerecht aufgewachsen, wurden jedoch von der Mutter nicht ausreichend versorgt, so dass sie zeitweise zugefüttert wurden. Beide Löwenmännchen sind noch heute im Bestand. Der Größere der beiden wird in Kürze in einen mittelamerikanischen Zoo abgegeben. Die Unachtsamkeit des Tierpflegers, der beide Löwenmänner zusammen ließ, wodurch es zur Tötung der Jungtiere kam, hat zu keinen gesundheitlichen Schädigungen des zweiten Wurfes geführt. 5. Gibt es weitere Pläne zur Zucht des Löwen- Geschwisterpaars und wenn ja, welche noch nicht hinlänglich bekannten Erkenntnisse über Inzuchtverpaarungen sollen daraus gewonnen werden? Zu 5.: Das Löwengeschwisterpaar ist im Moment durch ein Hormonpräparat an der Nachzucht gehindert. 6. In welche wissenschaftlich geführten Zoos sind In- zucht-Löwen vermittelbar (Bitte konkret aufzählen)? Zu 6.: Verpaarung auch von näher verwandten Groß- katzen gibt es in vielen Zoologischen Gärten. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 584 7. In welchen Zoo wurden die beiden 2008 ver- mittelten indischen Löwen Indi und Lawinia (nicht Inzucht !) aus dem Tierpark abgegeben, vor dem Hintergrund , dass der Zoo Jerusalem nach eigenen Angaben keine Löwen aus Berlin erhalten hat? Zu 7.: Die beiden Indischen Löwen „Indi“ und „Lawinia“ wurden auf Wunsch des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms an den Zoo Jerusalem abgegeben . Woher die Behauptung stammt, der Zoo Jerusalem hätte keine Tiere aus Berlin erhalten, kann von der Tierpark Berlin-Friedrichsfelde GmbH nicht beurteilt werden. 8. Warum finden in den Berliner Zoos planmäßig In- zuchtverpaarungen statt, obwohl bekannt ist, dass langfristig gesunde Populationen nicht durch eng miteinander verwandten Tiere erzielt werden können, da das Risiko genetischer Defekte bei den Nachkommen sehr groß ist und Inzucht deshalb bei den Zooverbänden (EAZA, WAZA ) verpönt ist? Zu 8.: Inzucht ist nur dann erbmäßig schädigend, wenn Letalfaktoren oder Krankheiten weitergegeben werden . Ganz viele Wildtierarten existieren heute nur, weil man aufgrund des geringen Bestands verwandte Tiere miteinander verpaaren musste (Wisent, Przewalskipferde, Hawaiigans usw.). Auch aus dem Freiland gibt es genügend Beispiele für heute starke Populationen, die sich aus wenigen Ausgangstieren entwickelt haben (z. B. Nördlicher See-Elefant, Guadeloupe- Seebär u. a.). 9. Welches Zuchtziel verfolgt der Tierpark mit der planmäßigen Verpaarung des Vollgeschwisterpaares der Hinterindischen Tiger? Zu 9.: Hinterindische Tiger sind in freier Wildbahn wie in Zoologischen Gärten ausgesprochen selten. In Deutschland halten nur die beiden Tiergärten von Berlin und der Zoo Halle diese Unterart. Der Vierlingswurf, der jetzt mit seinen Eltern auf der Freianlage des AlfredBrehm -Hauses zu sehen ist, beweist die Richtigkeit der Entscheidung Hinterindische Tiger zu züchten, nicht zuletzt aus Artenschutzgründen. 10. Treffen Informationen zu, dass die vier Jungtiere der hinterindischen Tiere aus Friedrichsfelde im Zoo untergebracht werden sollen und wenn ja, wo dort? Zu 10.: Über die mögliche Abgabe von Nachzucht- tieren, auch der Hinterindischen Tiger im Tierpark Berlin wird zur gegebenen Zeit von der Geschäftsführung der Tierpark GmbH entschieden. 11. Wie bewertet der Senat die Haltung der Panzer- nashörner im Tierpark vor dem Hintergrund, dass die beiden Freilaufflächen neben den zwei weiblichen Nashörnern und ihrem Nachwuchs keine Auslaufmöglichkeiten für weitere Nashörner bieten und dass deshalb schon jetzt der Panzernashornbulle Belur nur dann am späten Nachmittag aus seinem gekachelten Innenraum ins Freie kommt, wenn das weibliche Nashorn seinen Freigang beendet hat? Zu 11.: Im Tierpark Berlin sind inzwischen 10 Panzernashörner geboren worden, die zum größten Teil auch im Tierpark Berlin aufgewachsen sind. Es wird damit ein wichtiger Beitrag zum Naturschutz geliefert. Alle Panzernashörner erhalten regelmäßig und ausreichend Auslaufmöglichkeiten auf dem Freigehege. 12. Treffen Informationen zu, dass die Panzer- nashörner aus dem Zoo in den Tierpark verlegt werden sollen und wenn ja, welches Haltungskonzept – insbesondere für den Außenbereich gibt es für die zusätzlichen Tiere? Zu 12.: Über die Haltung der einzelnen Nashornarten in den beiden Berliner Tiergärten wird die Zoodirektion zu gegebener Zeit entscheiden. 13. Wie bewertet der Senat den Vorschlag, dass eine Abgabe von überzähligen Tieren tiergerechter und für die Besucher erfreulicher wäre, als die Haltung unter völlig unzeitgemäßen Bedingungen? Zu 13.: Es existieren keine unzeitgemäßen Haltungs- bedingungen in Zoo oder Tierpark. Über die Abgabe seines Tierbestandes entscheidet die Direktion selbst. 14. Weshalb werden im Alfred-Brehm-Haus während der Baumaßnahmen Javaleoparden, Nebelpader und Schwarze Panther gehalten bzw. sogar gezüchtet, obwohl deren Käfige während der jahrelangen Baumaßnahmen keinen Zugang zum Tageslicht haben und verlärmt sind? Zu 14.: Es trifft nicht zu, dass die Javaleoparden, Nebelparder und Schwarze Panther während der Baumaßnahmen im Alfred-Brehm-Haus keinen Zugang zum Tageslicht haben. Sie werden regelmäßig täglich in den Außenkäfig gelassen. 15. Weshalb werden einige dieser Großkatzen in Käfigen gezüchtet, bei denen nur der kleine Innenbereich genutzt werden kann, da die Außenkäfige nicht engmaschig genug sind, so dass er die Jungtiere nicht am Weglaufen hindern kann? Zu 15.: Es werden keine Großkatzen ausschließlich im Innenkäfig gehalten. 16. Weshalb werden Baumaßnahmen nicht langfristig geplant und keine Konzepte für eine angemessene Unterbringung der Tiere – z. B. auch in anderen Zoos – entwickelt , sondern stattdessen weiter gezüchtet und sogar zusätzliche Tiere wie z. B. jüngst ein China-Leopard neu angeschafft? 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 584 3 Zu 16.: Die Baumaßnahmen werden grundsätzlich langfristig geplant. Es liegt eine Investitionsplanung für Zoo und Tierpark vor. Die Abgabe von Großkatzen während einer Baumaßnahme in andere Zoologische Gärten wäre allerdings nur dann sinnvoll und notwendig, wenn keine ausreichenden Unterbringungsmöglichkeiten im Heimatzoo vorhanden wären. Dies ist allerdings in Zoo und Tierpark nicht der Fall. 17. Wann macht der Senat als Zuwendungsgeber diesen Praktiken ein Ende, die mehr den Praktiken in Versuchslabors als den Tierhaltungsstandards in modernen und wissenschaftlich geführten Zoos entsprechen ? Zu 17.: Der Senat weist diese Behauptungen von sich. Beschwerden des Tierschutzbeauftragten sowie der zuständigen Aufsichtsbehörden wurden bisher nicht an ihn herangetragen. Berlin, den 20. Juni 2012 In Vertretung Dr. Margaretha Sudhof Senatsverwaltung für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Juli 2012) Inzucht als Vermehrungsprinzip, Freigang im Schichtbetrieb, Käfige ohne Tageslicht; – Was muss geschehen, damit der Senat Einfluss auf die Haltung der Zootiere nimmt?