Drucksache 17 / 10 588 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Simon Weiß und Simon Kowalewski (PIRATEN) vom 11. Juni 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Juni 2012) und Antwort Cannabis-Konsum und Eigenbedarfsgrenze: Umsetzung und Rechtspraxis in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Verfahren wegen des Besitzes von „geringen Mengen“ von Cannabis-Produkten wurden in den letzten 5 Jahren in Berlin eingestellt und nach welcher Norm erfolgte dies? (Bitte Einzelaufschlüsselung nach Jahren und Menge bis 6 Gramm, von über 6 bis 10 Gramm, von 10 bis 15 Gramm, über 15 Gramm und der jeweiligen Einstellungsnorm)? 2. Wie viele der oben genannten Verfahren wurden mit bzw. ohne Auflagen eingestellt? (Bitte Einzelaufschlüsselung nach der jeweiligen Art der Einstellung) Zu 1. und 2.: Bei Verhaltensweisen, die ausschließlich den gelegentlichen Eigenverbrauch von Cannabisprodukten vorbereiten und nicht mit einer Fremdgefährdung verbunden sind, kommen Verfahrenseinstellungen insbesondere gemäß § 31a des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG), §§ 153, 153a der Strafprozessordnung (StPO) sowie gem. §§ 45, 47 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) in Betracht. Es handelt sich dabei um Opportunitätsentscheidungen , bei denen im Registratursystem der Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur die relevanten Einstellungsvorschriften , nicht aber die für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalte oder Gründe erfasst werden. Auch bei den Berliner Strafgerichten wird keine Statistik zu den im Rahmen von Verfahrenseinstellungen im Einzelfall zu Grunde liegenden Drogenmengen geführt. Vor diesem Hintergrund lässt sich dem staatsanwaltschaftlichen Registratursystem lediglich die Anzahl der Ermittlungsverfahren entnehmen, die in den Jahren 2007 bis 2011 gemäß § 31a BtMG durch die Staatsanwaltschaft eingestellt wurden: Jahr Anzahl der Einstellungen nach § 31a BtMG 2007 4.858 2008 5.206 2009 4.856 2010 5.079 2011 4.885 Die Vorschrift des § 31a BtMG sieht keine Auflagen vor. Ob und inwieweit Opportunitätsentscheidungen nach den mit Auflagen verbundenen Normen des § 153a StPO und des § 45 Abs. 2 und 3 JGG ergangen sind, bei denen im Einzelfall auch die geringe Menge eine Rolle gespielt hat, kann aus den vorgenannten Gründen nicht beantwortet werden. 3. Sind Fälle bekannt, bei denen das Verfahren wegen des Besitzes „geringer Mengen“ von anderen Substanzen als Cannabis gemäß § 31a BtMG eingestellt wurden? Wenn ja, wie viele Fälle waren es und welche Substanzen waren es? Zu 3.: Die Anwendung der Vorschrift des § 31a BtMG richtet sich nach den Vorgaben der „Gemeinsamen Allgemeinen Verfügung (GAV) zur Umsetzung des § 31a BtMG der Senatsverwaltungen für Justiz, für Inneres und Sport sowie für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz vom 20. Mai 2010 (GAV, Amtsblatt Nr. 23 vom 11. Juni 2010, S. 867 f.)“. Danach kann nach den Umständen des Einzelfalles von der Strafverfolgung gemäß § 31a BtMG abgesehen werden, wenn sich die Tat auf den Umgang mit Cannabisprodukten in einer Bruttomenge von nicht mehr als 15 Gramm zum gelegentlichen Eigenverbrauch bezieht (fakultative Einstellung in Teil II. Nummer 1 der GAV); bei einer Bruttomenge von bis zu zehn Gramm ist das Ermittlungsverfahren grundsätzlich einzustellen (obligatorische Einstellung in Teil II. Nummer 2 der GAV). Die GAV bezieht sich demnach ausschließlich auf Cannabisprodukte, so dass bei anderen Rauschgiften eine Einstellung nach § 31a BtMG nicht in Betracht kommt. 4. In welchen Datenbanken von Polizei und Justiz werden Verfahren aufgenommen, die nach § 31 a BtMG eingestellt wurden? a) Unter welcher Bezeichnung erfolgt eine Aufnah- me in die oben genannten Datenbanken? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 588 b) Wer kann diese wann einsehen bzw. wann werden diese abgefragt? c) Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, damit die Einträge in den jeweiligen Datenbanken gelöscht werden? Zu 4.: Bei der Polizei werden Ermittlungsverfahren bei ihrer Einleitung im „Polizeilichen Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung“ (POLIKS) eingestellt. Eine gesonderte Erfassung von nach § 31a BtMG eingestellten Verfahren erfolgt durch die Polizei nicht. Bei der Staatsanwaltschaft werden Ermittlungsverfahren im Registratursystem MESTA (Mehrländer-Staatsanwaltschafts-Automation) gespeichert. Der Ausgang des Verfahrens wird gemäß § 492 Absatz 2 Nr. 5 StPO dem – beim Bundesamt für Justiz geführten – zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister (ZStV) mitgeteilt. a) Die Aufnahme in die vorgenannten Datenbanken erfolgt unter der den Verfahren jeweils zugrunde liegenden Deliktsbezeichnung. b) Die Abfrage- und Recherchemöglichkeiten in POLIKS sind in einer Dateierrichtungsanordnung , die mit dem Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit des Landes Berlin abgestimmt ist, geregelt. Die Anordnung legt dezidiert die Rechte für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Berliner Polizei gemäß ihrer Aufgaben- und Funktionsbereiche fest. Zu den in MESTA gespeicherten Daten haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Generalstaatsanwaltschaft, der Staatsanwaltschaft und der Amtsanwaltschaft Zugang. Abfragen werden bezüglich beider Datenbanken bei konkret begründetem Anlass im Rahmen der Ermittlungstätigkeit durchgeführt. MESTA-Daten werden im Übrigen auch bei Auskunftsersuchen von nicht am Verfahren beteiligten Behörden und Gerichten unter den Voraussetzungen des § 474 Absatz 2 StPO abgerufen und schriftlich übermittelt . c) Bei der Polizei erfolgt eine Löschung nach Ver- fahrenseinstellung auf Antrag der Betroffenen oder des Betroffenen bzw. nach Ablauf von 5 Jahren gem. § 1 Satz 2 Nr. 3 der Prüffristenverordnung . Bei der Staatsanwaltschaft werden die Daten gemäß den gesetzlichen Vorgaben des § 489 Absatz 2 bis 6 StPO gelöscht. 5. Warum erfolgt trotz Einstellung des Verfahrens eine Meldung an die Führerscheinstelle und auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt dies? Zu 5.: Das Führen von Kraftfahrzeugen im Straßen- verkehr unter dem Einfluss berauschender Mittel stellt eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit dar. Daher kommt in Fällen des Cannabiskonsums eine Mitteilung an die Fahrerlaubnisbehörde zur Überprüfung der persönlichen Geeignetheit der Beschuldigten bzw. des Beschuldigten zum Führen von Kraftfahrzeugen in Betracht. Entsprechende Mitteilungen erfolgen jedoch nicht automatisch, sondern nach einer Einzelfallprüfung durch die Polizei bzw. die Staatsanwaltschaft. Rechtsgrundlage für die polizeiliche Datenübermittlung an die Fahrerlaubnisbehörde ist § 2 Absatz 12 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Für Mitteilungen der Staatsanwaltschaft ist Nr. 45 Absatz 2 der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) in Verbindung mit §§ 13 Absatz 2, 17 Nr. 3 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) sowie § 14 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnisverordnung) einschlägig. Berlin, den 05. Juli 2012 In Vertretung Sabine Toepfer-Kataw Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Juli 2012) 2