Drucksache 17 / 10 590 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 07. Juni 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Juni 2012) und Antwort Kinder, die keine sind: Wie ist der derzeitige Stand der Altersfeststellung in Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie ist die derzeitige Lage bei der forensischen Altersfeststellung von sogenannten Kinderdealern? Zu 1.: Im Zusammenhang mit der Problematik un- begleiteter minderjähriger Flüchtlinge, die in Berlin dem Drogenhandel nachgehen (sogenannte „Kinderdealer“), wurde im August 2010 die Interministerielle Arbeitsgruppe „Abgestimmte Intervention für straffällige/gefährdete Kinder“ (IMAG) ins Leben gerufen. Im Rahmen der Arbeitsgruppe wurden zwischen den beteiligten Verwaltungen , der Polizei und der Charité Eckpunkte für ein beschleunigtes Altersfeststellungsverfahren vereinbart, um eine zeitnahe, bedarfsgerechte und zugleich gerichtsfeste Altersdiagnostik im Land Berlin sicherzustellen. Das am 22. Dezember 2010 durch die IMAG beschlossene und seitdem durch die Praxis angewandte Verfahren sieht Folgendes vor: Die forensische Altersdiagnostik wird durch das Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Charité - in Kooperation mit der Klinik für Radiologie und externen Rechtsmedizinern - fortgeführt. Die „Laufwege“ der Beschlüsse zur Altersfeststellung werden durch die konsequente Nutzung von Telefaxverkehr sowie eine verbesserte Abstimmung zwischen den Verfahrensbeteiligten beschleunigt. Um die Gerichtsfestigkeit der Gutachten sicherzustellen, erfolgt die Altersfeststellung entsprechend den Empfehlungen der internationalen „Arbeitsgemeinschaft für Forensische Altersdiagnostik“ (AGFAD), die die kombinierte Durchführung und Auswertung folgender drei Untersuchungen vorsehen: • Körperliche Untersuchung mit Erfassung der anthropometrischen Maße, der sexuellen Reifezeichen sowie etwaiger altersrelevanter Entwicklungsstörungen , • zahnärztliche Untersuchung mit Erhebung des Zahnstatus (Hauptkriterium: Weisheitszahnmineralisation ), • Röntgen- bzw. Magnetresonanztomographie-Untersuchung der linken Hand (Kriterium: Wachstumsfuge ), des Gebisses und ggf. des Schlüsselbeins (bei abgeschlossener Entwicklung des Handskeletts). 2. Ist der im September 2010 eingetretene personelle Engpass im Bereich der Altersdiagnostik behoben und wenn ja, seit wann? Zu 2.: Der personelle Engpass bei der Charité aus dem September 2010 konnte - u. a. durch die Heranziehung externer Ressourcen - behoben werden, und zwar zumindest seit Anfang des Jahres 2011. Im Rahmen der vorgenannten Arbeitsgruppe „Abgestimmte Intervention für straffällige/gefährdete Kinder“ hat die Charité zugesichert , die erforderlichen zeitlichen, räumlichen und personellen Kapazitäten für die Altersbegutachtung bereit zu stellen. 3. Gab es seit 2011 andere bzw. weitere Probleme bei der Vollstreckung von Beschlüssen zur Altersfeststellung ? Zu 3.: Andere konkrete Probleme bei der Voll- streckung von Beschlüssen zur Altersfeststellung sind nicht bekannt geworden. Allerdings besteht im Bereich der Altersdiagnostik ein Spannungsfeld zwischen den Bedürfnissen der Polizei und der Staatsanwaltschaft nach einer unverzüglichen Begutachtung einerseits (insbesondere in Fällen der Vorführung von Tatverdächtigen ohne festen Wohnsitz zum Erlass eines Haftbefehls) und den begrenzten Kapazitäten der Charité sowie den Anforderungen an die Gerichtsfestigkeit der Gutachten andererseits . Vor diesem Hintergrund wird der in der Antwort zu 1. beschriebene Abstimmungsprozess zwischen den Verfahrensbeteiligten fortgeführt werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 590 4. Wie oft hat das Landeskriminalamt im Zuge von gegen sogenannte „Kinderdealer“ geführte Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft eine Altersfeststellung angeregt? Zu 4.: Die Polizei verfügt hierzu nicht über einen regelmäßig auswertbaren Datenbestand. Eine gesonderte Auswertung für den Zeitraum vom 1. April 2011 bis 31. März 2012 hat ergeben, dass die Polizei in vier Fällen eine Altersbegutachtung von sogenannten „Kinderdealern “ bei der Staatsanwaltschaft angeregt hat. Eines der Gutachten gelangte zu dem Ergebnis, dass das vermeintliche Kind zum Untersuchungszeitpunkt mindestens Jugendlicher war. 5. Welche Stellen führen derzeit für die Berliner Justiz die Altersfeststellungsuntersuchungen durch? Zu 5.: Für die Berliner Justiz führt das Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Charité - in Kooperation mit der Klinik für Radiologie und externen Fachgutachtern - Altersschätzungen durch. 6. Wie und in welchem Zeitrahmen erfolgt das Ver- fahren bei der Altersfeststellung? Zu 6.: Wegen der Verfahrensweise und der Art der Untersuchungen wird auf die Antwort zu 1. verwiesen. Die Terminvergabe für die erforderlichen Untersuchungen durch die Charité erfolgt in regelmäßigen, mindestens vierwöchigen Intervallen, in besonders dringlichen Fällen auch „ad hoc“. Bei in Freiheit befindlichen Beschuldigten hängt die Dauer der Begutachtung maßgeblich von deren Mitwirkungsbereitschaft ab. Kommen Tatverdächtige der Vorladung durch die Charité nicht nach, müssen sie zur Untersuchung polizeilich vorgeführt werden, was entsprechende Verzögerungen nach sich zieht. Berlin, den 29. Juni 2012 Thomas Heilmann Senator für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Juli 2012) 2