Drucksache 17 / 10 617 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 21. Mai 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Juni 2012) und Antwort Tacheles Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1) Welche Summe wurde insgesamt im Zusammenhang mit der Räumung des Tacheles ausgegeben ? a) Wie hoch sind die Kosten im Speziellen - für Zahlungen an die Künstler im Tacheles bzw. Mieter zur Einigung/ Räumung des Geländes b) für Polizei- und Wachdiensteinsätze c) für weiterführende Maßnahmen und sonstige Aufwendungen? Um welche Maßnahmen und sonstige Aufwendungen handelt es sich dabei? Zu 1.: Das Gebäude des Tacheles befindet sich im Eigentum der HSH-Nordbank. Der Berliner Senat hat in Bezug auf das Tacheles keine rechtlichen Beziehungen zum Grundstückseigentümer oder zu den Künstlerinnen und Künstlern, die das Tacheles nutzen. a) Die Höhe dieser Kosten ist nicht bekannt. Der Berliner Senat hat keine Zahlungen geleistet. b) Ausgaben für Einsätze der Berliner Polizei sind grundsätzlich durch die im Haushaltsplan für die Polizei eingestellten Haushaltsmittel gedeckt und werden deshalb nicht einsatzbezogen erfasst. Zusätzliche Kosten durch den Einsatz von auswärtigen Unterstützungskräften sind 2012 im Zusammenhang mit dem Tacheles nicht entstanden. c) Der Berliner Senat hat keine Zahlungen geleistet. 2) Wurde der Erwerb des Tacheles sowie seine Verwendung als ausführlich im Senat diskutiert? Wann und wie wurde die Öffentlichkeit über das Ergebnis dieser Diskussion informiert? 3) Plant der Berliner Senat bei einer bevorstehenden Zwangsversteigung als Käufer aufzutreten und das Grundstück für das Land Berlin zu erwerben? 4) Wurde der HSH Nordbank ein konkretes Angebot zur Übernahme des Tacheles durch das Land Berlin angeboten? a) Haben Gespräche mit den Landesregierungen in Hamburg und Schleswig-Holstein (den Hauptaktionären der HSH Nordbank) stattgefunden, um eine mögliche Übernahme des Tacheles durch das Land Berlin zu erreichen? b) Falls, Nein: Aus welchen Gründen hat der Berliner Senat dies bisher unterlassen? Zu 2. - 4.: Die HSH Nordbank ist nicht bereit, das Tacheles-Grundstück separat zu verkaufen. Mit Schreiben vom 29.03.2011 hat die HSH-Nordbank dem Regierenden Bürgermeister mitgeteilt, dass eine Herauslösung des Tacheles-Grundstücks (1.253 m²) aus dem Gesamtareal (25.300 m²) nicht in Betracht komme. 5) Welches Ergebnis brachten die Gespräche um ein langfristiges Nutzungskonzept unter der Wahrung der Ansprüche noch im Tacheles verbliebenen Nutzer mit den dort aktiven Künstlern? Zu 5.: Gespräche über ein langfristiges Nutzungs- konzept haben bisher nicht zum Erfolg geführt: Die Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten hat bereits 2004/2005 mit den Nutzerinnen und Nutzern des Tacheles und dem damaligen Vermieter intensive Gespräche über ein langfristiges Nutzungskonzept geführt. In den Grundzügen wurde Einvernehmen erzielt. Das Nutzungskonzept wurde aber wegen der Auseinandersetzungen innerhalb des Tacheles nicht umgesetzt. In den folgenden Jahren wurde das Thema immer wieder angesprochen, z.B. fand beim Regierenden Bürgermeister am 17.09.2008 mit Vertreterinnen und Vertretern des Tacheles ein Gespräch über die Zukunft des Kunsthauses statt. Der Regierende Bürgermeister machte den Vorschlag, die Umsetzung eines tragfähigen Zukunftskonzepts mit Lottomitteln zu unterstützen. Ein Lottoantrag wurde nicht gestellt. Mit Schreiben vom 23.02.2010 bat der Regierende Bürgermeister den Ersten Bürgermeister von Hamburg darauf hinzuwirken, dass von einer Räumung Abstand genommen wird, und nicht auszuschließen, dass das Tacheles sinnvoller Teil einer neuen Nutzungsperspektive sein könnte. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 617 Kulturstaatssekretär Schmitz hat wiederholt darum gebeten, ihm baldmöglichst einen Kontakt zum zukünftigen Eigentümer zu vermitteln, damit über die Zukunft des Kunsthauses verhandelt werden kann. Das hat die HSH-Nordbank mit Schreiben vom 07.06.2010 zugesagt. 6) Wie hoch ist der momentane Verkehrswert des Grundstücks? Zu 6.: Bei dem bezeichneten Grundstück handelt es sich nicht um ein landeseigenes Grundstück. Aussagen über den Verkehrswert von Grundstücken Dritter können nicht getroffen werden. 7) Welche Rolle spielte die respektable Würdigung der staatlichen Subventionen an die HSH Nordbank in der Finanzkrise als Argument für den Erhalt des Tacheles für die Bürgerinnen und Bürger von Berlin? Zu 7.: Der damalige Erste Bürgermeister von Hamburg, Ole von Beust, hat dem Regierenden Bürgermeister mit Schreiben vom 04.05.2010 geantwortet, dass es der ständigen Praxis des Hamburger Senats entspreche, auf operative Entscheidungen der Bank weder direkt noch indirekt Einfluss zu nehmen. 8) Wurden die Gastronomen und Gewerbetreibenden im Umfeld des Tacheles zu ihren präferentiellen Nutzungsvorstellungen befragt? Zu 8.: Davon ist dem Senat nichts bekannt. 9) Ist beabsichtigt, die Bürgerinnen und Bürger von Berlin über das Bürgerbeiteiligungsverfahren hinaus in die Entscheidungsfindung zur Nachnutzung des TachelesGrundstücks mit einzubeziehen? a) wenn ja, wie? Zu 9.: Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes I-41, der mit Datum vom 13.05.2003 festgesetzt wurde. Sofern für die Nachnutzung des Tacheles nicht neues Planungsrecht geschaffen wird, findet keine Bürgerbeteiligung statt. 10) Wie hoch sind die touristischen Einnahmen, die durch das Tacheles generiert werden? Zu 10.: Das Tacheles ist zweifellos eine touristische Attraktion. Seriöse Zahlen über touristische Einnahmen sind nicht zu ermitteln, Besucherzahlen werden nicht erhoben. 11) Wie wird der Erhalt und die Weiterentwicklung des Tacheles zu einem Kunstzentrum im Angesicht der geschichtlichen Bedeutung des Kunsthauses Tacheles seit der Wiedervereinigung bewertet? Zu 11.: Das Gebäude in der Oranienburger Str. 54-56 wurde 1909 als Kaufhaus eröffnet und später für unterschiedlichste Zwecke genutzt. In der Zeit der DDR begann 1980 der Abriss. Im Februar 1990 besetzte eine Künstlerinnen- und Künstlerinitiative die Teilruine, um das Haus vor dem endgültigen Abriss zu retten, und gründete das Kunsthaus Tacheles. Das Haus war ein Symbol für die Demokratie von unten in der DDR. Es steht deshalb in seiner jetzigen Form als Teilruine unter Denkmalschutz. Nachdem der Trägerverein Tacheles 1998 mit Unterstützung des Senats mit dem damaligen Eigentümer einen 10 jährigen Mietvertrag für eine symbolischen Miete von 1 DM geschlossen hatte, erhielt er Mittel für die Sanierung des Hauses aus dem Bundesprogramm „Kultur in den neuen Ländern“ und folgende Projektförderungen der damaligen für Kultur zuständigen Senatsverwaltung: 1998: 49.801,98 DM; 1999: 143.985,90 DM, 2000: 299.549,85 DM, 2001: 293.931,75 DM, 2002: 67.824,17 €. Danach wurde die Förderung eingestellt, weil unbezahlte Betriebskostenrechnungen eingereicht wurden und eine Programmentwicklung nicht mehr erkennbar war. Vielmehr nahmen die Auseinandersetzungen innerhalb des Hauses zu. Es wäre zu wünschen, dass das Tacheles neu erfunden wird. Der Senat hat mehrfach öffentlich erklärt, dass er mit einem neuen Investor über die weitere Nutzung des Gebäudes mit dem Ziel sprechen will, hier einen interessanten Standort für die zeitgenössische Kunst zu entwickeln. 12) Welche Summe wird für eine Kunsthalle zur Verfügung gestellt? In welchem Haushaltstitel finden sich diese Mittel? Zu 12.: Für eine Kunsthalle sind keine Haushaltsmittel eingestellt. 13) Ein Termin zur Zwangsversteigerung am 04.04.2011 am Amtsgericht Mitte wurde durch die Bank offiziell am Tag des Termins abgesagt. a) Seit wann hatte der Regierende Bürgermeister Kenntnis von der Absage des Termins? b) Auf welchem Weg und von wem hat er von der Absage erfahren? Zu 13.: Der Regierende Bürgermeister hat von der Absage der Zwangsversteigerung am 04.04.2011 aus der Presse erfahren. Über entsprechende Gerüchte im Vorfeld des angesetzten Termins ist er durch die Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten informiert worden. 14) Welche Verträge (z. B. Mietzahlungen an Grips- theater, Adlonverkauf) bestehen bisher zwischen der F.- Gruppe bzw. dem Investor A. A. J. und dem Land Berlin? a) Wo sind diese einsehbar? Zu 14.: Das Land Berlin hat zwei der drei Grundstücke verkauft, auf denen das heutige Hotel Adlon errichtet ist. Nach dem Ergebnis einer Abfrage der Senatsverwaltung für Finanzen beim Liegenschaftsfonds Berlin und den Bezirken, Serviceeinheiten Facility Management, bestehen mit der F.-Gruppe bzw. Herrn A. A. J. keine weiteren Verträge im Liegen-schaftsbereich. 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 617 3 Zu 14. a) Grundstückskaufverträge des Landes Berlin sind grundsätzlich nicht einsehbar, da es sich um vertrauliche Vermögensgeschäfte handelt. Der Mietvertrag der Grips Theater GmbH mit der f.- Baubetreuung Rathausgalerie Pankow ImmobilienAnlagen 35 KG sieht für das Land Berlin eine Mieteintrittsberechtigung vor, die Berlin im Falle einer vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses mit dem Mieter berechtigt, in den Mietvertrag einzutreten. Der bei der Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten vorhandene Mietvertragstext kann dort eingesehen werden. 15) Von welchen weiteren Grundstücke oder Immobilien in Berlin (neben dem Tacheles und dem Gripstheater) im Besitz der F.-Immobilien Gruppe, ist dem Berliner Senat bekannt, dass die Finanzierung oder Erträge durch direkte oder indirekte kulturpolitische oder sonstige staatliche Förderungen von der öffentlichen Hand mitgetragen werden? Zu 15.: Abgesehen vom Grips Theater sind dem Senat keine Grundstücke und Immobilien bekannt, auf die die Frage zutreffen könnte. Das Tacheles erhält keine öffentliche Förderung. Berlin, den 23. Juli 2012 In Vertretung André Schmitz Der Regierende Bürgermeister von Berlin Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. August 2012)