Drucksache 17 / 10 678 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 24. Juni 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Juni 2012) und Antwort Wird die Not von Eltern einen Kitaplatz zu bekommen, bei manchen Trägern zum Geschäft? Eltern besser über ihre Rechte aufklären Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. In welchen Bezirken gibt es bereits einen Mangel an Kitaplätzen? Zu 1.: Gemäß § 19 des Kindertages- förderungsgesetzes (KitaFöG) sind die örtlichen Jugendämter im Rahmen ihrer Jugendhilfeplanung unter Einbeziehung der freien Träger zur Entwicklung eines bedarfsgerechten Kindertagesbetreuungsangebotes verpflichtet. Gemeinsam mit den Bezirken entwickelte die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (SenBildJugWiss) ein Daten- und Informationsraster für eine einheitliche und vergleichbare gesamtstädtische Darstellung der Kitaplanungen der Bezirke. Dem am 03.07.2012 gestarteten Kitaaus- bauprogramm liegt ein Bedarfsatlas zur Darstellung der in den Berliner Bezirksregionen bestehenden Bedarfe zugrunde, um eine zielgerichtete und bedarfsgerechte Förderung zu ermöglichen. Das Modell bildet die Berliner Bezirksregionen unter Berücksichtigung der dort melderechtlich registrierten 0 bis unter 6-jährigen Einwohnerinnen und Einwohner, Bevölkerungsdynamiken von 2007 bis 2011 in der relevanten Altersgruppe sowie Wanderungsbewegungen (Zu- und Abwanderung in die Region hinein bzw. aus der Region hinaus/Wanderungssaldo) ab. Es nimmt Bezug auf die in den Regionen am 31.12.2011 angebotenen Kitaplätze und aktuell betreuten Kinder und geht von einer grundsätzlich gewünschten wohnortnahen Versorgung aus. Dabei werden in vier Kategorien die Dringlichkeiten des bestehenden Bedarfs abgebildet. Der Bedarfsatlas ist online unter http://www.berlin.de/sen/familie/kindertagesbetreuung/ fachinfo.html veröffentlicht. Der Bedarfsatlas wird erstmals Anfang 2013 aktualisiert werden. Die Aktualisierung wird die auf dem Mikrozensus beruhende und im Herbst 2012 avisierte neue Bevölkerungsprognose, die Daten der oben genannten vereinheitlichten Jugendhilfeplanungen sowie die bis dato getroffenen Förderentscheidungen im Rahmen des Kitaausbauprogramms berücksichtigen. 2. Welche und wie viele Fälle sind dem Senat von Berlin bekannt geworden, bei denen Kitaträger oder einzelne Kitas von den Eltern Aufnahmegebühren, kostenpflichtige Zusatzleistungen, Bürgschaften für sanierungsbedürftige Einrichtungen oder sonstige finanzielle Aufwendungen verlangen? 3. Wenn dem Senat keine Fälle bekannt sind, gibt es in den Bezirken solche Fälle, wenn ja in welchen Bezirken und wie viele? 5. Was werden oder würden die Kitaaufsicht und die zuständige Senatsverwaltung unternehmen, wenn ihnen die in Frage zwei beschriebenen Fälle bekannt werden oder bekannt würden? 6. Hat oder hätte die zuständige Senatsverwaltung die rechtlichen Möglichkeiten bei bekannt werden der in Frage 2 beschriebenen oder ähnlicher Fälle, in denen Kitas unzulässige Gelder von Eltern fordern, aufsichtsrechtlich oder steuernd einzugreifen? 7. Wenn es die in Frage 6 beschriebenen rechtlichen Möglichkeiten des Einschreitens nicht geben sollte, sieht der Senat von Berlin rechtlichen Handlungsbedarf, wenn ja welchen, wenn nein, warum nicht? Zu 2., 3., 5., 6. und 7.: Grundsätzlich sind Zu- zahlungen nicht zulässig. Weder dürfen Aufnahmegebühren , Gebühren für die Reservierung eines Platzes, Kautionen, Verwaltungsgebühren, Refinanzierungsgebühren noch Freihaltegelder erhoben werden. Nur wenn es sich um Zuzahlungen für besondere pädagogische Angebote handelt, die über das Regelangebot, also die Angebote nach dem Berliner Bildungsprogramm, hinausgehen, sind Zuzahlungen Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10678 zulässig. Kein Kind darf aber von diesen besonderen Angeboten ausgeschlossen werden. „Zuzahlungen“ (über die Kostenbeteiligung hinausgehende finanzielle Verpflichtungen der Eltern) sind folglich nur zulässig, wenn sie sich auf Grund von besonderen Leistungen des Trägers ergeben und von den Eltern gewünscht sind. Diese finanziellen zusätzlichen Verpflichtungen müssen von den Eltern jederzeit einseitig aufgehoben werden können, ohne dass sich daraus ein Kündigungsgrund ergibt. Generell können Eltern auch einen Platz verlangen, der über die Kostenbeteiligung nach dem Tagesbetreuungskostenbeteiligungs -gesetz (TKBG) hinaus keine Zahlungsverpflichtungen umfasst. Einzig die ElternInitiativ -Kindertagesstätten dürfen weitergehende Zuzahlungen erheben, da sie aufgrund ihrer Organisationsform einer besonderen Kostenstruktur unterliegen. Dem Senat sind Einzelfälle bekannt, in denen von Eltern unzulässige Zuzahlungen und Gebühren verlangt und die Eltern im Unklaren über ihre Rechte gelassen werden. Die Einrichtungsaufsicht der SenBildJugWiss berät Eltern, klärt sie über ihre Rechte auf und geht den bekanntgewordenen Fällen nach. So prüft sie bspw. die Betreuungsverträge und erteilt nachträgliche Auflagen zur Erlaubnis gemäß § 45 SGB VIII. Ziel muss es sein, Träger und Eltern aufzuklären, Missbrauch zu verhindern und sinnvolle Zusatzangebote zu ermöglichen, ohne Eltern zu überfordern. Derzeit wird von der Einrichtungsaufsicht ein Merkblatt für Eltern erstellt, das eindeutig aufzeigt, welche Zuzahlungen unzulässig sind und welche Rechte Eltern haben. Eine zahlenmäßige Erhebung der Verstöße gegen die Regelungen des KitaFöG bzw. der Rahmenvereinbarung über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen (RV Tag) erfolgt nicht. Bereits jetzt können Verstöße von Trägern gegen die Regelungen des KitaFöG und der RV Tag geahndet werden. Im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren nach § 7 RV Tag kann im schwerwiegenden Fall die Finanzierung eingestellt werden. In enger Zusammenarbeit mit der Einrichtungsaufsicht wird das im Aufbau befindliche Vertragscontrolling in der SenBildJugWiss künftig verstärkt Vertragsverletzungsverfahren nach § 7 RV Tag zu dieser Problematik einleiten. 4. Welchen Handlungsbedarf sieht die zuständige Senatsverwaltung, Eltern besser über ihre Rechte hinsichtlich der Betreuungsverträge mit den Kitas aufzuklären? 8. Welche Schritte können gemacht werden, um Eltern besser über ihre Rechte aufzuklären? 9. Welche Meinung vertritt die zuständige Senatorin, verbindliche Musterbetreuungsverträge für Kitas und die Tagespflege einzuführen, die festlegen, welche Bestandteile verpflichtend sind und welche freiwillig? Zu 4., 8. und 9.: Die Einrichtungsaufsicht in der SenBildJugWiss berät im Rahmen der Betriebserlaubnisverfahren nach § 45 SGB VIII die Träger von Kindertagesstätten u.a. in Bezug auf die Gestaltung der Betreuungsverträge. Zu diesem Zweck hat die Einrichtungsaufsicht einen Musterbetreuungsvertrag entwickelt, der die gesetzlich verpflichtenden sowie empfohlenen Bestandteile eines solchen Vertrages aufzeigt. Die Vorgaben für den Betreuungsvertrag sind mit wesentlichen Inhalten im Kindertagesförderungsgesetz (KitaFöG) festgeschrieben. Bestandteil des Betreuungsvertrags ist u.a., dass die Träger gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 KitaFöG verpflichtet sind, die Eltern umfassend über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären, insbesondere über die Verpflichtung zur Kostenbeteiligung nach § 26 KitaFöG sowie die Rechte nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 KitaFöG. Darüber hinaus muss der Träger sicherstellen, dass grundsätzlich alle Kinder alle Angebote in einer Tageseinrichtung nutzen können, und zwar unabhängig von den Einkommensverhältnissen der Eltern bzw. unabhängig von Zuzahlungen. Voraussetzung für die Erhebung von Zuzahlungen ist, dass die Eltern an den Entscheidungen , die zu finanziellen Belastungen führen, beteiligt werden. Gemäß § 14 Abs. 2 KitaFöG sollen die Eltern in allen Fragen der pädagogischen Konzeption und deren Umsetzung, also auch in die Planung zusätzlicher Angebote, einbezogen werden. Für die Kindertagespflege stellt sich diese Anforderung nach einem Musterbetreuungsvertrag nicht, da hier der Betreuungsvertrag zwischen dem Jugendamt und den Eltern geschlossen wird. Berlin, den 18. Juli 2012 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus 06. August 2012) 2