Drucksache 17 / 10 680 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Felicitas Kubala (GRÜNE) vom 26. Juni 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Juni 2012) und Antwort Überflüge des Forschungsreaktors in Wannsee durch Hubschrauber – nur ein „Restrisiko“? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Im Jahr 1985 fand laut Aussage des Senats (in der Drs. 17/0074 des Abgeordnetenhauses von Berlin) die letzte Bewertung von Flugzeugabsturz-Szenarien für den Forschungsreaktor BER II statt. Wie werden An- und Abflüge von Hubschraubern in diesem Zusammenhang bewertet und inwiefern wird den besonderen Bedingungen eines Hubschrauberabsturzes im Gegensatz zu Flugzeugabstürzen Rechnung getragen? Antwort zu 1: Die im Rahmen der Erteilung der Be- triebsgenehmigung erstellte Studie zu den Einwirkungen von außen untersucht u.a. mehr als zwanzig potenzielle Szenarien von Abstürzen unterschiedlicher Fluggeräte auf den Forschungsreaktor BER II. Die Folgen des Absturzes eines Hubschraubers werden ähnlich bewertet wie die eines Kleinflugzeugs. In beiden Fällen käme es nicht zu Zerstörungen des Reaktorbeckens, die zu massiven Wasserverlusten führen können. Allerdings muss wegen zu unterstellender in das Reaktorbecken fallender Trümmer mit einer Blockade von Kühlkanälen und in der Folge mit einer Schmelze von Brennelementen gerechnet werden. Da ein Großteil der dabei freiwerdenden radioaktiven Isotope im Beckenwasser zurückgehalten würde, wären die radiologischen Auswirkungen auf die Umgebung begrenzt. Die Grenzwerte für die Maßnahmen „Verbleiben im Haus“ und „Einnahme von Jodtabletten für Kinder, Jugendliche und Schwangere“ würden u.U. bis zu einer Entfernung von 600 m vom Reaktor überschritten . Das geht wenig über die Grenzen des Institutsgeländes hinaus. Durch die Einrichtung des Flugbeschränkungsgebiets ED R4 rund um den Forschungsreaktor wird die Wahrscheinlichkeit von Überflügen - und damit auch die eines Absturzes - von nach Sichtflugregeln operierenden Fluggeräten reduziert. Auf Betreiben der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde ist der Radius des Flugbeschränkungsgebiets seit März dieses Jahres erheblich ausgeweitet worden. Frage 2: AnwohnerInnen des Helmholtz-ZentrumsBerlin (HZB) berichten über das wiederholte Starten und Landen von Hubschraubern (insbesondere ADAC) in unmittelbarer Nähe des Reaktors. Wie groß ist die Entfernung zwischen Hubschrauberlandeplatz und Reaktor? Antwort zu 2: Die Wendekehre vor der Wache des HZB wird in begründeten, relativ seltenen Ausnahmefällen zur Notfallrettung (Rettung von Menschenleben ) – ausschließlich – durch Rettungshubschrauber angeflogen, wenn andere Landemöglichkeiten am nahe gelegenen Unfall-/ Einsatzort nicht sicher anfliegbar sind. Die Entfernung zum Reaktor beträgt etwa 370 m. Der Einsatz wird von der Leitstelle der Feuerwehr koordiniert und am Boden durch die Polizei begleitet, die auch die Landestelle schnellstmöglich vor der Landung abgesichert . Eine luftrechtliche Start- und Landegenehmigung ist bei Notfalleinsätzen nicht erforderlich. Der Reaktor des HZB wird bei diesen Einsätzen nicht überflogen . Frage 3: Wie häufig und in welcher Höhe überfliegen Hubschrauber den Forschungsreaktor? Bitte um differenzierte Angaben für die letzten zehn Jahre. Antwort zu 3: Überflüge von Hubschraubern sind in- folge der Einrichtung eines Flugbeschränkungsgebietes (ED R) nicht zulässig. Tatsächliche oder scheinbare Verletzungen des um den Forschungsreaktor existierenden ED R 4 werden durch das Helmholtz-Zentrum konsequent zur Anzeige gebracht. Statistische Aufzeichnungen liegen nicht vor. Frage 4: Wie häufig landen Hubschrauber auf dem HZB-Gelände bzw. in direkter Nähe des HZB-Geländes? Bitte um differenzierte Angaben zur Häufigkeit und Art des Einsatzes für die letzten zehn Jahre. Antwort zu 4: Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 680 Frage 5: Wer erteilt bzw. erteilte die Landeerlaubnis für die Hubschraubereinsätze auf dem Gelände bzw. in dessen unmittelbarer Nähe? Antwort zu 5: Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen Frage 5.1: Nach welchem Verfahren wird die Ge- nehmigung für die Landungen erteilt? Antwort zu 5.1: Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Frage 6: Wie bewertet der Senat das Gefahren- potenzial durch einen scheinbar routinemäßig in direkter Nähe des Reaktors startenden und landen Hubschrauber vor dem Hintergrund, dass in der durch den Senat vorgelegten Mitteilung über die „Zeitnahe, vollständige und ergebnisoffene Sonderüberprüfung des Berliner Forschungsreaktors vor der Wiederaufnahme des Betriebs“ festgehalten ist, dass sich „ein Erhalt der vitalen Funktionen des BERII nicht für alle Absturzszenarien sicher nachweisen lässt“? Antwort zu 6: Die Auswirkungen eines abstürzenden Hubschraubers auf den Forschungsreaktor können nicht zu einem Verlust der vitalen Funktionen führen. Unter der „vitalen Funktion“ wird beim BER II in diesem Zusammenhang der Erhalt der Integrität des aus 2 m dickem Stahlbeton bestehenden, unteren Teils des Reaktorbeckens verstanden. Im Übrigen überfliegen die Rettungshubschrauber nicht den Reaktor selbst. Nur bei begründeten Notfällen landen sie im Flugbeschränkungsgebiet, wenn es um die Rettung von Menschenleben geht. Auch das flugbetriebliche Risiko eines Unfallereignisses beim Start-/Landevorgang eines Rettungshubschraubers mit geringer Masse ist bei den hier vorliegenden Geländeverhältnissen als gering einzustufen. Berlin, den 17. Juli 2012 In Vertretung Ephraim Gothe ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Juli 2012) 2