Drucksache 17 / 10 726 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Delius (PIRATEN) vom 06. Juli 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Juli 2012) und Antwort Wie ernst nimmt der Senat den Lehrer_innenmangel tatsächlich? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wenn laut Senatsverwaltung der Lehrer_innen- mangel nicht besteht, warum werden dann zahlreiche Freigabeanträge angestellter Berliner Lehrkräfte mit der Begründung abgelehnt, es „besteht ein dringender Fachbedarf an Ihrer Schule, der nicht anderweitig abgedeckt werden kann“? Zu 1.: Nach den Regelungen der Kultus- ministerkonferenz (KMK) sind Wechsel von Lehrkräften zwischen den Ländern möglich. Neben dem jährlichen Ländertauschverfahren gibt es seit 2001 auch die Möglichkeit, im Rahmen des Bewerbungs- und Einstellungsverfahrens zu wechseln. Maßgeblich sind die Beschlüsse der KMK vom 10.05.2001 und 07.11.2002, die sowohl für Beamtinnen und Beamte als auch für Angestellte gelten. Nach diesen Beschlüssen der KMK können Lehrkräfte jederzeit an Bewerbungsverfahren in einem anderen Land teilnehmen. Sie sind verpflichtet, ihrer Bewerbung eine Erklärung über die Freigabe seitens ihrer Dienststelle beizufügen. Die Länder haben sich hierbei verpflichtet, Freigabeerklärungen so großzügig wie möglich unter Beachtung dienstlicher Interessen zu erteilen, die Familienzusammenführung steht für die Kultusministerkonferenz im Mittelpunkt der Bemühungen. Gründe für die Ablehnung von Freigaben können nach der o.g. KMK-Regelung nur schulspezifische Mangelsituationen sein (z.B. Einsatz in abiturvorbereitenden Kursen o.ä.). Aus diesem Grund erfolgen Ablehnungen nur nach entsprechender Stellungnahme der Schulleitung bzw. der zuständigen Schulaufsicht. Schulspezifische Mangelsituationen sind unabhängig von der berlinweiten Ausstattung mit Lehrkräften möglich. 2. Warum werden weiterhin Quereinsteiger_innen eingestellt, die über keine pädagogische Qualifikation verfügen und oft erst nach monate-, wenn nicht jahrelanger Wartezeit berufsbegleitend nachqualifiziert werden? 3. Warum werden diese Bewerber_innen nicht qualifiziert, bevor sie eigenverantwortlich Unterricht erteilen? Zu 2. und 3.: Grundsätzlich haben Absolventinnen und Absolventen mit erstem und zweitem Staatsexamen nach Lehrerbildungsrecht einen Vorrang bei der Einstellung in den Berliner Schuldienst. Ein Quereinstieg ist immer dann möglich, wenn keine ausreichende Zahl von Bewerberinnen und Bewerbern mit abgeschlossener Lehramtsausbildung vorliegt. Nach der Einstellung ist ein berufsbegleitender Vorbereitungsdienst erforderlich, für den die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Gemäß § 9 Abs. 5 Lehrerbildungsgesetz (LBiG) kommen Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger für den berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst in Frage, die über einen einschlägigen Diplom-, Magister- oder Masterabschluss verfügen und deren Hochschulprüfung nicht länger als fünf Jahre zurückliegt. Bei einem älteren Abschluss ist ersatzweise auch ein Nachweis über eine mindestens dreijährige einschlägige berufliche Tätigkeit zwischen dem Abschluss der Hochschulprüfung und der Bewerbung ausreichend. Die Hochschulprüfungen der Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger werden auf Antrag der Ersten Staatsprüfung für ein Lehramt gleichgesetzt, sofern sich Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10726 ein zweites Fach mit angemessenem Studienumfang feststellen lässt. Nach dem erfolgreichen Abschluss des berufsbegleitenden Vorbereitungsdienstes sind die Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger gleichgestellt mit Absolventinnen und Absolventen einer 2. Staatsprüfung. Der Quereinstieg ist sinnvoll, um Unterrichtsausfall zu vermeiden. Auf diese Weise wird die Lehrerversorgung der Schulen und gleichzeitig die Qualifizierung der entsprechenden Lehrkräfte gesichert. Aufgrund der zur Verfügung stehenden Aus- bildungsmöglichkeiten in den Schulpraktischen Seminaren kann es zu einer Verzögerung beim Beginn des berufsbegleitenden Vorbereitungsdienstes kommen. Jahrelange Wartezeiten gibt es nicht. Sowohl die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst wie am herkömmlichen Vorbereitungsdienst bringen fachwissenschaftliche Qualifikationen für die Tätigkeit als Lehrkraft mit. Unter Berücksichtigung der ausbildungsbezogenen Unterschiede der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst wie am herkömmlichen Vorbereitungsdienst findet im Zusammenwirken der schulpraktischen Ausbildung im Allgemeinen Seminar und in den Fachseminaren mit dem durch die Auszubildenden selbstständig zu erteilenden Unterricht eine berufsbezogene Qualifikation statt. 4. Warum werden bei konstanten 10% Vertretungsbedarf die Schulen mit lediglich 100% Personal regulär ausgestattet, so dass sie gezwungen sind, Vertretungen mit prekären Zeitverträgen bei Laufzeiten von in der Regel höchstens drei Monaten zu organisieren? Zu 4.: Ergänzend zum Ausstattungsgrad der Berliner Schule von 100 % des anerkannten Unterrichtsbedarfs werden langfristig erkrankte Lehrkräfte über zusätzliche zentrale Vertretungsmittel ersetzt. Darüber hinaus besteht für Schulleitungen u.a. die Möglichkeit, kurzfristig erkrankte Lehrkräfte im Rahmen der sog. Personalkostenbudgetierung mit dem selbstständigen Abschluss von personenbezogenen Vertretungsverträgen zu ersetzen. Diese Vertretungsverträge unterliegen den gleichen arbeitsrechtlichen Grundlagen wie andere Arbeitsverträge mit Lehrkräften im Land Berlin. Bei entsprechendem Vertretungsbedarf und persönlicher Eignung der Vertretungslehrkraft wird der Arbeitsvertrag in der Regel über den Zeitraum von 3 Monaten fortgeführt. 5. Wie hoch ist derzeit die durchschnittliche Wartezeit auf einen Referendariatsplatz in Berlin aufgeschlüsselt nach Fächern und was tut die Senatsverwaltung, damit Bewerber_innen aufgrund der Wartezeit nicht in andere Bundesländer wechseln? Zu 5.: Die Wartezeit der Bewerberinnen und Bewerber bis zur Zulassung zum Vorbereitungsdienst für ein Lehramt ist abhängig von dem jeweils spezifischen Lehramt, dem jeweiligen Fächerangebot, der Fächerkombination , den Abschlussnoten und möglichen persönlichen Merkmalen außergewöhnlicher Härte wie zum Beispiel der Anzahl der minderjährigen zu betreuenden Kinder, Schwerbehinderung oder der längerfristigen Krankheit im Studium. Ferner werden Zeiten von Unterrichtstätigkeit und Zeiten von Ehrenämtern in Teilen auf die Wartezeit angerechnet. Eine durchschnittliche Wartezeit kann daraus nicht ermittelt werden, da sie bei der Vielzahl der Faktoren nicht aussagekräftig wäre. Es liegen keine entsprechenden Erhebungen vor. Mit der Anrechnung von Unterrichtstätigkeit und Ehrenämtern auf die Wartezeit werden engagierte Bewerberinnen und Bewerber in ihrem Bestreben auf baldigen Abschluss der Ausbildung unterstützt und somit als Lehrkräfte für die Einstellung im Land Berlin gehalten. Berlin, den 18. Juli 2012 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Juli 2012) 2