Drucksache 17 / 10 746 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Alexander Spies (PIRATEN) vom 05. Juli 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Juli 2012) und Antwort Kosten der Unterkunft: Wirtschaftlichkeitsberechnung in Jobcentern und Sozialämtern Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Unter welchen Umständen gilt ein Umzug von Leistungsberechtigten nach SGB II und SGB XII als unwirtschaftlich (bitte konkrete Berechnungsformel mit den berücksichtigten Posten wie Umzugskosten, Kautionen, Doppelmieten etc. und ihrer Höhe angeben sowie welcher Zeitraum der Berechnung zugrunde liegt; Berechnungsbogen bitte beilegen)? Zu 1.: Gemäß § 22 Absatz 1 Satz 4 SGB II muss eine Absenkung unangemessener Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. In Ausfüllung dieser Vorschrift, sind die Kriterien zur Durchführung einer den Besonderheiten des Einzelfalls entsprechenden Wirtschaftlichkeitsberechnung Ziffer 4 Absatz 4 AV-Wohnen zu entnehmen. Danach gilt ein Umzug als unwirtschaftlich, wenn die durch den jeweiligen Umzug ausgelösten Kosten die Differenz aus individuell angemessener und der tatsächlich anfallenden unangemessenen Miete übersteigen bezogen auf einen Zeitraum von zwölf Monaten. 2. Haben Sachbearbeiter/innen einen Er- messensspielraum bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung und wenn ja, welchen? Zu 2.: Nach § 22 Absatz 1 Satz 4 SGB II muss eine Absenkung der unangemessenen Aufwendungen unter den genannten Voraussetzungen nicht gefordert werden, sie kann aber gefordert werden. Insofern hat der Bundesgesetzgeber ein Ermessen eingeräumt. Nicht ins Ermessen gestellt ist mit Ziffer 4 Absatz 4 AV-Wohnen, dass die Wirtschaftlichkeitsberechnung vor einer Aufforderung zur Kostensenkung anzustellen ist. 3. Inwiefern wird in der Leistungsakte dokumentiert, ob eine Wirtschaftlichkeitsberechnung durchgeführt wurde? 4. An welcher Stelle findet eine Kontrolle statt, ob die Wirtschaftlichkeitsberechnung in Jobcentern und Bezirksämtern tatsächlich durchgeführt worden ist? Zu 3. und 4.: Zu einer ordnungsgemäßen Vorgangs- bearbeitung in öffentlichen Verwaltungen gehört eine Dokumentation des Bearbeitungsstandes in der jeweiligen Akte. Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ist Teil der bundesgesetzlichen Regelung über „Bedarfe für Unterkunft und Heizung“ in § 22 SGB II und entscheidungserheblich für die Frage, ob im Einzelfall die Absenkung unangemessener Kosten für Unterkunft und Heizung verlangt werden muss. Insoweit verlangt das Verwaltungsverfahren die Dokumentation jeder durchgeführten Wirtschaftlichkeitsberechnung. Im Rahmen des Controllings werden die Fälle dokumentiert, in denen die Wirtschaftlichkeitsberechnung zum Verzicht auf kostensenkende Maßnahmen geführt hat. 5. Wie können Leistungsberechtigte in Erfahrung bringen, ob das Jobcenter bzw. Sozialamt in ihrem Fall eine Wirtschaftlichkeitsberechnung durchgeführt hat? 6. Warum wird Leistungsberechtigten nicht automatisch eine Kopie mit dem Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsberechnung ausgehändigt? Haben Leistungsberechtigte einen Anspruch darauf? Zu 5. und 6.: Gemäß Ziffer 4 Absatz 4 AV-Wohnen verlängert sich in Folge eines unwirtschaftlichen Umzuges die Frist, in der in der Regel auch unangemessene Mieten übernommen werden können, von sechs auf zwölf Monate. Im Zuge der Kostensenkungsaufforderung , die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung lediglich Aufklärungs- und Warnfunktion hat, ohne selbst die Eigenschaft eines Verwaltungsaktes zu besitzen, ist es gängige Praxis zumindest über das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsberechnung zu informieren. Dies ist der Ausgangspunkt für die verlängerte Frist. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10746 Gemäß § 35 SGB X ist die Leistungsbehörde verpflichtet einen Verwaltungsakt, in diesem Fall der Verwaltungsakt, mit dem die Kostensenkung wirksam wird, zu begründen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Ebenso erkennbar muss die Ausübung eines eingeräumten Ermessens sein. Aus der Verpflichtung der Behörde leitet sich der Anspruch der Leistungsberechtigten ab. Sofern also ein konkreter Bescheid, mit dem zu einem bestimmten Zeitpunkt die Senkung der Kosten für Unterkunft und Heizung vollzogen wird, erlassen wird, ist in der Begründung immer dann auch auf die Wirtschaftlichkeitsberechnung einzugehen, wenn sie entscheidungserheblich ist. 7. Warum wird die Anzahl der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsberechnungen in Jobcentern und Sozialämtern statistisch nicht erfasst? Plant der Senat hier eine Änderung herbeizuführen? Zu 7.: Siehe Antwort zu 3. und 4. 8. Welche Erklärung hat der Senat dafür, dass die Zahl der Fälle, in denen eine Kostensenkung von Leistungsberechtigten aus Wirtschaftlichkeitsgründen zunächst nicht verlangt wurde, teilweise stark nach Jobcentern und Jahren differiert (vgl. Drs 17/10283 bzw. 17/10187)? Wie will der Senat künftig für eine einheitliche, rechtskonforme Anwendung der Wirtschaftlichkeitsberechnung in den Berliner Jobcentern sorgen? Zu 8.: Aus differierenden Zahlen kann nicht der Schluss gezogen werden, dass die Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht einheitlich und rechtskonform durchgeführt wird. Die AV-Wohnen ist als Verwaltungsvorschrift , deren Regelungen - auch zur Wirtschaftlichkeitsberechnung - die Verwaltung binden, das geeignete Instrument zur Sicherstellung der einheitlichen und rechtskonformen Umsetzung. 9. Welche Rundschreiben, Weisungen o.ä. zur Ausgestaltung und Anwendung der Wirtschaftlichkeitsberechnung in Jobcentern und Sozialämtern existieren seit 2006 in Berlin (bitte auflisten und beilegen)? Zu 9.: Grundlage für die Durchführung der Wirt- schaftlichkeitsberechnung ist seit 2006 die AV-Wohnen in der jeweils gültigen Fassung. 10. Sind im Folgeprozess der Wohnauf- wendungenverordnung (WAV) Veränderungen gegenüber der derzeitigen Praxis der Wirtschaftlichkeitsberechnung geplant und wenn ja, welche? Wo und in welcher Form soll sie zukünftig geregelt werden und wann ist damit zu rechnen? Zu 10.: Regelungen zur Wirtschaftlichkeitsberechnung werden auch zukünftig in der AV-Wohnen getroffen. Berlin, den 31. Juli 2012 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. August 2012) 2