Drucksache 17 / 10 747 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Wolfgang Albers (LINKE) vom 10. Juli 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Juli 2012) und Antwort Urheberrecht und Hochschulen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Auswirkungen können das Urteil des OLG Stuttgart (Urteil v. 4. April 2012 – 4 U 171/11), wonach im dortigen Fall der Fernuniversität Hagen untersagt wurde, Studenten Auszüge aus einem Lehrbuch als PDF auf ihrer Online-Plattform bereitzustellen, bzw. die Entscheidung zur Revision des Urteils für die Berliner Hochschulen haben? Zu 1.: § 52 a Urheberrechtsgesetz (UrhG) sieht vor, dass veröffentlichte kleine Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften zu Unterrichtszwecken an Hochschulen für einen beschränkten Teilnehmerkreis öffentlich zugänglich gemacht werden können, also in ein Intranet eingestellt werden können, wenn sie einen konkreten Bezug zum jeweiligen Unterricht haben. Bislang gab es keine feste Definition dessen, wie groß ein „kleines Teil“ eines Werkes ist; in der Literatur und in bisherigen Urteilen wurde meist auf einen prozentualen Anteil des jeweiligen Werks abgestellt. Das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart stellt aber nun ausdrücklich nicht auf einen prozentualen Anteil ab, da dies den denkbaren Einzelfallkonstellationen nicht gerecht werde. Vielmehr verlangt es, dass bei jedem einzelnen Werk aufgrund von Art und Umfang des Werks die Anzahl der Seiten ermittelt werden müsse, die den optimalen Interessenausgleich zwischen Urheberinnen und Urhebern und Nutzerinnen und Nutzern darstelle (beim hier streitbefangenen Werk maximal drei Seiten), und zwar unabhängig davon, ob die Nutzerin und der Nutzer die Seiten dann abspeichern, ausdrucken oder nur anschauen könne. Wenn sich die Sichtweise des Gerichts durchsetzt, dass bei jedem einzelnen Werk aufgrund der genauen Art des Werks die Anzahl der Seiten ermittelt werden muss, die den optimalen Interessenausgleich zwischen Urheberinnen und Urhebern und Nutzerinnen und Nutzern darstellt, wäre das ein erheblicher Aufwand für die Hochschulen , der von den urheberrechtlich nicht bewanderten Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern nicht zu bewerkstelligen wäre. Ferner könnte man je nach Sichtweise durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen bei dieser Art der Ermittlung kommen. Dies würde dazu führen, dass die Nutzung elektronischer Lehr- und Lernarten reduziert würde, um kein Risiko einzugehen, verklagt zu werden. Demgegenüber wäre eine feste Prozentzahl sowohl für Urheberinnen und Urheber wie für Nutzerinnen und Nutzer viel einfacher zu handhaben und zu kontrollieren. 2. Wie stellt sich die rechtliche Situation für die Hochschulen dar, wenn, nach derzeitigem Stand zum 31.12.2012, der § 52a „Öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung“ UrhG nicht mehr anzuwenden ist? Zu 2.: Gemäß § 19 a UrhG haben die Urheberin und der Urheber das Verwertungsrecht hinsichtlich der öffentlichen Zugänglichmachung ihres bzw. seines Werks, d.h. sie bzw. er darf in jedem einzelnen Fall bestimmen, ob ihr bzw. sein Werk ins Internet gestellt wird. Gemäß § 52 a UrhG sind diesem Recht aber durch die Interessen von Unterricht und Forschung Schranken gesetzt. Veröffentlichte kleine Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften dürfen für Unterrichtszwecke an Hochschulen einem begrenzten Nutzerkreis etwa über ein Intranet öffentlich zugänglich gemacht werden, ohne die Urheberin oder den Urheber in jedem einzelnen Fall zu fragen, wenn ein Bezug zum jeweiligen Unterricht besteht . Allerdings sind für solche Nutzungen an die jeweils einschlägigen Verwertungsgesellschaften (VG Wort, VG Bild etc.) Gebühren zu entrichten – konkret werden die Gebühren zwischen den Verwertungsgesellschaften und den Bundesländern, vertreten durch die Kultusministerkonferenz , ausgehandelt. Würde nun die Schrankenregelung des § 52a UrhG ab dem 1.1.13 nicht mehr existieren, müssten die Hochschulen für jedes einzelne kleine Werkteil, jeden Aufsatz und jedes Werk geringen Umfangs, die sie zu Lehr- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 747 zwecken in ein Intranet stellen wollen, vorher die Genehmigung der jeweiligen einzelnen Urheberinnen und Urheber einholen und dafür Gebühren zahlen. Dies wäre zum einen völlig unpraktikabel und zum anderen auch sehr teuer, so dass jegliche Form elektronischer Lehr- und Lernarten wie blended learning, elektronische Semesterapparate , Lernplattformen und Fernstudiengänge für berufsbegleitendes Studieren damit sehr erschwert bzw. verhindert werden würde. Dies würde eine Behinderung der Entwicklung moderner Informationsinfrastrukturen darstellen und die Wettbewerbsfähigkeit des Bildungsstandorts Deutschland nachhaltig schwächen. Der Wissenschaftsrat hat in den auf seiner letzten Sitzung im Juli 2012 veröffentlichen „Empfehlungen zur Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Informationsinfrastrukturen in Deutschland bis 2020“ Bund und Länder dazu aufgerufen, das Gesamtsystem der wissenschaftlichen Informationsinfrastrukturen in Deutschland strategisch weiterzuentwickeln. Die Nutzung solcher Informationsinfrastrukturen in den Hochschulen würde durch einen Wegfall von § 52 a UrhG sehr behindert werden. 3. Welche Position vertritt der Berliner Senat in der Debatte um eine – im digitalen Zeitalter für die Hochschulen erforderliche – Neugestaltung des Urheberrechts? Zu 3.: Der Berliner Senat vertritt ebenso wie die anderen Bundesländer in der Kultusministerkonferenz und die Allianz der Wissenschaftsorganisationen (Deutsche Forschungsgemeinschaft, Hochschulrektorenkonferenz , Max-Planck-Gesellschaft, Wissenschaftsrat, Deutscher Akademischer Austauschdienst etc.) die Position, dass eine Entfristung von § 52 a UrhG für die Hochschulen unabdingbar ist, um Rechtssicherheit im Bereich des Einsatzes moderner Informations- und Kommunikationstechnologien zu schaffen. Berlin, den 15. August 2012 In Vertretung Dr. Knut Nevermann Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. August 2012) 2