Drucksache 17 / 10 752 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Joschka Langenbrinck (SPD) vom 09. Juli 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Juli 2012) und Antwort Warum gilt das Ladenöffnungsgesetz auch für Spätis? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Spätkaufs (Spätis) mit wie vielen Mit- arbeiterinnen und Mitarbeitern gibt es in den einzelnen Berliner Bezirken? Zu 1.: Der Begriff „Spätis“ ist gewerberechtlich nicht definiert und auch das Berliner Ladenöffnungsgesetz (BerlLadÖffG) kennt diesen Begriff nicht. Sofern hier mit dem Begriff „Spätis“ Verkaufsstellen gemeint sind, die auch an Sonn- und Feiertagen öffnen, ist deren Anzahl unbekannt. Grundsätzlich dürfen Verkaufsstellen im Sinne des Gesetzes an Werktagen von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr erlaubnisfrei geöffnet sein. Der Verkauf in den Abend- und Nachtstunden muss den Bezirken nicht angezeigt werden. Über die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verkaufsstellen wird in den Bezirken keine Statistik geführt. 2. Inwiefern gilt das Berliner Ladenöffnungsgesetz für Spätis, wie hoch sind die Bußgelder, die bei einem Verstoß gegen das Ladenöffnungsgesetz verhängt werden können und bei welchem Tatbestand können Spätis zwangsgeschlossen werden? Zu 2.: Die Vorschriften des BerlLadÖffG gelten für alle Verkaufsstellen, die in § 2 Abs. 1 BerlLadÖffG aufgeführt sind, somit auch für solche, die sich selbst als „Spätis“ bezeichnen. Nach § 9 BerlLadÖffG können für unzulässige Sonnoder Feiertagsöffnungen Bußgelder in Höhe von 2.500 € verhängt werden. Werden an diesen Tagen außerdem unzulässig Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt , können die Bußgelder bis zu 15.000 € betragen. Im Regelfall werden von den Ordnungsämtern Buß- gelder in Höhe von 50 bis 300 € verhängt, im Wiederholungsfall wird unter Berücksichtigung des Einzelfalls die Bußgeldhöhe entsprechend angehoben. Nach dem Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz kann Verwaltungszwang zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat ausgeübt werden. Die Abfrage der Bezirke hat ergeben, dass bisher noch keine „Zwangsschließung“ erfolgt ist (11 Bezirke haben geantwortet). 3. Fallen Kioske, Internetcafés und Telefoncafés auch unter das Ladenöffnungsgesetz und wenn ja, inwiefern und wenn nein, weshalb nicht? 4. Wann gilt ein Kiosk als Späti, wann gilt ein Kiosk mit kostenpflichtigem Internetzugang als Internetcafé und wann als Späti und wann gilt ein Kiosk mit kostenpflichtigen Telefonkabinen als Telefoncafé und wann als Späti? Zu 3. und 4.: Kioske sind Verkaufsstellen im Sinne des § 2 BerlLadÖffG. In Kommentaren wird der Kiosk wie folgt definiert: „Der Kiosk ist ein kleines, ortsfestes, in der Regel nur einen einzigen Raum enthaltendes, vom Kunden nicht betretbares Bauwerk, bei dem die Warenausgabe in Form des Schalterverkaufs erfolgt1. Für Kioske gelten die Öffnungszeiten des BerlLadÖffG. Die Bezeichnungen, die die Inhaberinnen und Inhaber ihren Geschäften – bspw. Internetcafés oder Telefoncafés - geben, sind gewerberechtlich irrelevant. Entscheidend für die Beurteilung der Rechtslage ist ihre Anmeldung im Bezirksamt - ob als Gaststätte oder als Einzelhandel. Für Letztere gelten die Vorschriften des BerlLadÖffG. Für Gaststätten gelten die Vorschriften des Gaststättenrechts, wonach an Sonn- und Feiertagen nur ein eingeschränktes Sortiment als Zubehörverkauf zum Gaststättenangebot verkauft werden darf. 5. Stimmt der Senat der Auffassung zu, dass die Spätis ein Nischensegment abdecken, wenn Supermärkte und Discounter werktags ab 22 oder 24 Uhr und sonntags geschlossen haben, dass ihr Angebot von den Verbraucherinnen und Verbrauchern dankend angenommen 1 Zmarzlik/ Roggendorff, Ladenschlussgesetz, 1997, § 5 Rz. 3 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 752 werden, dass die Regelungen für Spätis im Rahmen des Ladenöffnungsgesetzes an der Lebensrealität der Menschen vorbeigehen und Spätis zur Lebens- und Kiezkultur gehören und wenn nein, weshalb nicht? Zu 5.: Verkaufsstellen, die sich als „Spätis“ be- zeichnen, bieten in der Regel die üblichen Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs an. Hinsichtlich der Öffnungszeiten unterliegen sie von Montag bis Samstag in der Zeit von 0.00 bis 24.00 Uhr keiner Einschränkung. Der Senat bittet um Verständnis, dass im Rahmen einer Kleinen Anfrage die aufgeworfenen soziologischen Fragestellungen wie „Lebensrealität“ oder „Lebens- und Kiezkultur“ nicht erörtert werden können. 6. Welche Aufgaben haben die für die Einhaltung des Ladenöffnungsgesetzes zuständigen Ordnungsämter darüber hinaus zu bewerkstelligen und wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die Ordnungsämter der einzelnen Bezirke? Zu 6.: Die Aufgabenzuweisung an die bezirklichen Ordnungsämter ergibt sich insbesondere aus • dem Gesetz zur Errichtung der bezirklichen Ordnungsämter (OrdÄErrG) und der Gesetzesbegründung hierzu, • ferner aus § 2 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) i.V.m. Nr. 16 ff des Zuständigkeitskatalogs Ordnungsaufgaben (ZustKatOrd), • sowie im Weiteren aus der OrdnungswidrigkeitenZuständigkeitsverordnung (ZustVO-OWiG) und § 37 Abs. 6,7 des Bezirksverwaltungsgesetzes (BezVG). Folgende Aufgaben gehören bspw. dazu: Ordnung im öffentlichen Raum: Gesetz über das Halten und Führen von Hunden in Berlin, Verordnung zum Schutz gegen die Tollwut, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten , Jugendschutzgesetz, Kreislaufwirtschaftsgesetz , Straßenreinigungsgesetz, Berliner Straßengesetz, Berliner Lärmschutzverordnung, Gesetz zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen, Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege von Berlin, Sachbearbeitung besonderer Kontrollaufgaben (SBK): Jugendschutzgesetz, Nichtraucherschutzgesetz , Gesetz zur Regelung des Rechts der Spielhallen im Land Berlin, Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit, Gewerbeordnung , Gaststättengesetz, Verordnung zur Ausführung des Gaststättengesetzes, Berliner Ladenöffnungsgesetz, Verkehrsüberwachungsdienst - ruhender Verkehr, Parkraumüberwachung in Parkraumbewirtschaftungsgebieten , Gewerbeanzeigen und Erlaubnisse: Erlaubnisse Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe, Arbeitszeitgesetz , Verordnung über den Schutz der Sonn- und Feiertage , Marktfestsetzungen, Straßenverkehrsbehörde: Anordnung von Verkehrszeichen (ohne Lichtsignalanlagen) im Straßennebennetz dauerhaft und temporär, Ausnahmegenehmigungen nach Straßenverkehrs-Ordnung, Aus- nahmegenehmigung Parkerleichterung für Schwerbehinderte , Veterinär- und Lebensmittelaufsicht, Ordnungsaufgaben nichtverkehrsrechtliche Ordnungswidrigkeiten . Der Nachweis der Personalsollstärken der Ordnungs- ämter erfolgt in den bezirklichen Stellenplänen, vorzugsweise in den Kapiteln 3520, 4120, 4310. Die Anzahl der Ordnungsamtsmitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Bezirken variiert zwischen 80 und 286. 7. Wie viele Anzeigen zu Verstößen von Spätis gegen das Ladenöffnungsgesetz sind dem Senat in den einzelnen Bezirken bekannt und wie bewertet der Senat das? Zu 7.: Die Abfrage der Bezirke zu Anzeigen hat er- geben, dass nicht in allen Bezirken detaillierte Statistiken geführt werden. Folgende Bezirke konnten Angaben für 2011 machen: Lichtenberg: 31, Treptow-Köpenick: 27, Reinickendorf: 13, Pankow: 95, Neukölln: 63, Mitte 2012: 10. Charlottenburg-Wilmersdorf 2012: 21 Anzeigen zu gesetzlichen Regelungen werden vom Senat nicht bewertet. 8. Teilt der Senat die Auffassung, dass eine Sonder- regelung für Spätis – analog zu Tankstellen – im Ladenöffnungsgesetz eingeführt werden sollte, um Rechtssicherheit für die Betreiberinnen und Betreiber herzustellen , eine verbraucherfreundliche Anpassung an die Lebensrealität der Menschen vorzunehmen und die Ordnungsämter zu entlasten und wenn nein, weshalb nicht? 9. Teilt der Senat die Auffassung, dass aufgrund der begrüßenswerten Ladenöffnungszeiten der Supermärkte und Discounter bis 22 oder 24 Uhr werktags eine verschärfte Konkurrenzsituation für die Spätis entstanden ist und dass eine restriktive Auslegung des Ladenöffnungsgesetzes ohne Sonderregelung für Spätis existenzgefährdend sein können für ihre Besitzerinnen und Besitzer und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wenn nein, weshalb nicht? Zu 8. und 9.: Rechtssicherheit besteht bereits. Alle Verkaufsstellen haben sich an die Vorschriften des BerlLadÖffG zu halten, die im bundesweiten Vergleich bereits sehr verbraucherfreundlich gestaltet sind. Das Bundesverfassungsgericht hat 2009 festgestellt2, „dass die Ausnahme eines dem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes bedarf. Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches 2 BVerfG, 1 BvR 2857/07 vom 1.12.2009, Absatz-Nr. 157 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 752 Erwerbsinteresse („Shopping-Interesse“) potenzieller Käufer genügen grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung an Sonn- und Feiertagen zu rechtfertigen.“ Die Konkurrenzsituation hat sich auf Grund der ge- änderten Ladenöffnungszeiten nicht verschärft. Sowohl nach dem Bundes-Ladenschlussgesetz als auch nach dem Berliner Ladenöffnungsgesetz mussten und müssen Supermärkte und „Spätis“ die gleichen Ladenschlusszeiten einhalten. Die Regelung zu den Tankstellen ist aus dem Bundes- recht in das BerlLadÖffG übernommen worden. Es ist eine besondere Regelung für besondere Verhältnisse, vergleichbar mit den Ausnahmen für den Reiseverkehr am Flughafen bzw. den Personenbahnhöfen. Gleichwohl wird der Senat im Zusammenhang mit der vom Abgeordnetenhaus bereits angekündigten Befassung mit dem Thema „Spätis“ alle Möglichkeiten der Unterstützung der Spätverkaufsstellen ausloten. Berlin, den 05. September 2012 Dilek K o l a t Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Sep. 2012) 3