Drucksache 17 / 10 757 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Cornelia Seibeld (CDU) vom 16. Juli 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Juli 2012) und Antwort Schutz von Stalking-Opfern Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden in Berlin seit der Einführung des Straftatbestandes der Nachstellung (§ 238 StGB) geführt? Zu 1.: Die Anzahl der bei der Amts- und Staatsanwalt- schaft Berlin registrierten Verfahrenseingänge in Bezug auf § 238 Strafgesetzbuch (StGB) - ggf. in Zusammenhang mit weiteren Delikten - beträgt: 2. Zu welchen Ergebnissen führten diese Verfahren (Einstellungen, Anklagen, Verurteilungen)? Zu 2.: Die Anzahl der bei der Amts- und Staatsanwalt- schaft Berlin personenbezogen registrierten Verfahrenserledigungen in Bezug auf § 238 StGB - ggf. in Zusammenhang mit weiteren Delikten - beträgt hinsichtlich der Einstellungen und Anklagen: Die Strafverfolgungsstatistik weist in Bezug auf den Straftatbestand Nachstellung für die Jahre 2007 bis 2011 Folgendes aus: „Verurteilte“ im Sinne der Strafverfolgungsstatistik sind abgeurteilte Angeklagte, gegen die nach allgemeinem Strafrecht Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Geldstrafe verhängt worden ist oder deren Straftat nach Jugendstrafrecht mit Jugendstrafe, Zuchtmittel oder Erziehungsmaßregel geahndet wurde. Bei der Aburteilung von Straftaten, die in Tateinheit (§ 52 StGB) oder Tatmehrheit (§ 53 StGB) begangen wurden, ist nur die Straftat erfasst, die nach dem Gesetz mit der schwersten Strafe bedroht ist. 3. Wie beurteilt der Senat diese Zahlen im Hinblick auf einen effektiven Opferschutz? 4. Welche Maßnahmen für eine Verbesserung des Opferschutzes, soweit dies erforderlich ist, kann sich der Senat vorstellen? Zu 3. und 4.: Die Strafvorschrift der Nachstellung - § 238 StGB - ist durch das 40. Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. März 2007 in das Strafgesetzbuch eingefügt worden und am 31. März 2007 in Kraft getreten. Dies war ein großer Fortschritt für Betroffene zum Schutz vor Nachstellungen. Es ist bekannt, dass insbesondere wiederholte und hartnäckige Stalkingtaten bei Betroffenen weitreichende gravierende psychische und körperliche Schäden hervorrufen können. Die Einführung der Jahr Anzahl der Abgeurteilten insgesamt Von den Abgeurteilten: Anzahl der Verurteilten Von den Abgeurteilten: Anzahl der anderen Entscheidungen (z. B. Frei- sprüche und Einstellungen) 2007 2 2 0 2008 35 27 8 2009 48 30 18 2010 30 21 9 2011 31 23 8 Jahr Verfahrenseingänge 2007 1.048 2008 2.443 2009 2.605 2010 2.620 2011 2.635 Jahr Anzahl der Einstellungen Anzahl der Anklagen 2007 549 110 2008 1.443 284 2009 1.606 300 2010 1.730 205 2011 1.748 202 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 757 der Norm hat daher zu einem verbesserten Opferschutz beigetragen. Es galt und gilt weiterhin, Nachstellungen unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten zu sanktionieren und der Begehung weiterer Taten entgegenzuwirken . Es gibt jedoch Hinweise, dass die Subsumtion eines Tatgeschehens unter die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift wegen der in ihr enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe in der praktischen Anwendung Schwierigkeiten bereiten könnte. Auf der 83. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder haben diese daher das Thema „Stalking – Änderungsbedarf bei § 238 StGB“ am 13. und 14. Juni 2012 aufgegriffen und erörtert. Sie haben beschlossen , die Praxis in den Ländern zu befragen, und wollen auf dieser Basis bei ihrem nächsten Zusammentreffen im Herbst 2012 möglichen Handlungsbedarf erörtern . Sollte die Praxiserfahrung der seit fünf Jahren bestehenden gesetzlichen Regelung ergeben, dass mit den Mitteln des Strafrechts Stalking-Opfer besser geschützt werden müssen und können, ist eine Änderung der Vorschrift des § 238 StGB zu erwägen. Die strafrechtliche Verfolgung von Nachstellungen im Sinne von § 238 StGB stellt im Übrigen lediglich einen Ausschnitt aus dem komplexen Geflecht von Maßnahmen zum Opferschutz dar. Rückschlüsse von den zu Ziffer 1) und 2) genannten Verfahrenszahlen zu Ermittlungs- und Strafverfahren auf die Frage der Effektivität des Opferschutzes sind daher nur bedingt möglich. Die Strafverfolgungsbehörden sind gemäß § 152 Ab- satz 2 der Strafprozessordnung berechtigt und verpflichtet , wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten , sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Ob und welcher Tatnachweis geführt und ob Anklage erhoben werden kann, richtet sich immer nach dem Einzelfall. Neben der strafrechtlichen Sanktionierung von Nachstellungstaten stehen den Betroffenen auch zivilrechtliche Mittel zur Verfügung. Insbesondere können bei den Familiengerichten auf der Grundlage des Gewaltschutzgesetzes zivilrechtliche Schutzanordnungen erwirkt werden. Die Verbesserung des Opferschutzes ist ein wichtiges politisches Anliegen des Senats. Ziel ist es, den Opferschutz in Berlin weiterhin zu stärken. Aus diesem Grund sucht der Senat von Berlin derzeit eine ehrenamtlich tätige Vertrauensperson zur Unterstützung von Menschen, die Opfer von strafbaren Gewalttaten geworden sind (Opferbeauftragte/Opferbeauftragter des Landes Berlin). Zu ihren/seinen Aufgaben soll u. a. die Beratung von Opfern von Straftaten im Umgang mit Behörden gehören. Derzeit läuft ein Interessenbekundungsverfahren . Informationen dazu können im Internet unter folgender Anschrift aufgerufen werden: http://www.berlin.de/sen/justiz/stellenausschreibung/index.html Stalking-Opfer konnten sich bisher kostenlos bei der „Stalking Opferhilfe Berlin“ in der Trägerschaft der Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e. V. beraten lassen. Diese musste ihre Arbeit aus finanziellen Gründen mit Ablauf des Dezembers 2011 einstellen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Antwort der Kleinen Anfrage Nr. 17/10256 vom 19. März 2012 verwiesen. Seither existiert keine explizite Beratungsstelle für Stalking-Opfer mehr. Sie können sich nunmehr an die Zentralstelle für Prävention der Berliner Polizei sowie die Opferschutzbeauftragten und Koordinatoren für häusliche Gewalt in den örtlichen Direktionen wenden. Die dortigen Beratungsleistungen zum Thema Stalking haben nach der Einstellung der Arbeit der „Stalking Opferhilfe Berlin“ geringfügig zugenommen. Da sich die zu behandelnden Sachverhalte in den meisten Fällen als sehr kompliziert und vielschichtig darstellen, wird seitens der Polizei eingeschätzt, dass eine fachlich qualifizierte und spezialisierte Stalking-Beratung, die von einer separaten Opferhilfeeinrichtung durchgeführt wird, den Schutz und die Hilfe für Stalking-Opfer verbessern würde. Berlin, den 09. August 2012 Thomas Heilmann Senator für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. August 2012) 2 Von den