Drucksache 17 / 10 760 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 16. Juli 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Juli 2012) und Antwort Sozialtherapie in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Gefangene waren in den Jahren 2006 bis 2011 in sozialtherapeutischen Anstalten untergebracht (bitte nach Jahren aufgeschlüsselt)? Zu 1.: In den Jahren 2006 bis 2011 waren über das jeweilige Jahr hinweg wie folgt Gefangene in den Berliner sozialtherapeutischen Einrichtungen untergebracht : Anzahl der in sozialtherapeutischen Einrichtungen untergebrachten Gefangenen Sozialthera- peutische Anstalt (SothA) in der JVA Tegel Sozialtherapeutische Abteilung (SothA) Jugendstrafanstalt (JSA)1 Sozialtherapeutische Abteilung (SothA) JVA für Frauen 2006 152 - 22 2007 221 - 22 2008 201 27 27 2009 195 53 24 2010 190 62 23 2011 183 63 23 2. Über wie viele Plätze zur Behandlung von Sexual- straftätern verfügen die sozialtherapeutischen Abteilungen in den Berliner Vollzugsanstalten? 3. Wie hoch ist derzeit die Auslastungsquote in den einzelnen Abteilungen? Zu 2. und 3.: SothA im Männervollzug: Die SothA in der JVA Tegel verfügt insgesamt über 194 Haftplätze. Diese stehen grundsätzlich allen behandlungsbedürftigen und behandlungsfähigen Gefangenen zur Verfügung. Eine Reservierung von einer festen Anzahl von Haftplätzen für bestimmte Deliktgruppen ist nicht vorgesehen. Derzeit stehen speziell zur 1 Die SothA in der JSA wurde erst im Oktober 2008 eröffnet. Behandlung von Sexualstraftätern 34 Haftplätze im Bereich 2 der SothA in der JVA Tegel zur Verfügung. Es ist ein gesonderter Bereich, der zur Behandlung mit dem modularen kognitiv behavioralen Gruppentherapieprogramm SOTP („Sexual Offender Treatment Program“) eingerichtet wurde. Darüber hinaus werden im Bereich 1 der SothA gegenwärtig weitere 45 Haftplätze zur Behandlung von Sexualstraftätern genutzt. Bis Mitte 2011 betrug die Auslastungsquote in der SothA in der JVA Tegel durchschnittlich etwa 87,6 %. Gegenwärtig beträgt sie 77,3 %. Die veränderte Belegung im letzten Jahr ist auf den allgemeinen Rückgang der Inhaftiertenzahlen in Berlin zurückzuführen. SothA im Jugendstrafvollzug: Die SothA der JSA verfügt über eine Kapazität von 48 Haftplätzen. Diese stehen grundsätzlich allen behandlungsbedürftigen und behandlungsfähigen Gefangenen zur Verfügung und sind nicht für bestimmte Deliktgruppen reserviert. Die Plätze waren zu 70,8% ausgelastet, derzeit sind 34 Plätze belegt. Haftplätze im offenen Vollzug der JSA werden von der SothA ebenfalls genutzt, wobei dort kein festes Platzkontingent für Klienten der SothA vorgehalten wird. Derzeit sind acht Plätze im offenen Vollzug mit Jugendstrafgefangenen belegt, die zuvor in der SothA behandelt wurden und im offenen Vollzug von den Gruppenleitern der SothA weiter betreut werden. SothA im Frauenvollzug: Die SothA der JVA für Frauen hält eine Haft- platzkapazität von 21 Behandlungsplätzen vor. Von den 21 Hafträumen sind aktuell 19 Räume belegt, davon 17 Hafträume mit Gefangenen und zwei Hafträume gemeinsam mit ihren Müttern untergebrachten Kleinkindern . Eine Inhaftierte befindet sich aufgrund der Regelungen für die gemeinsame Unterbringung von Mutter und Kind im offenen Vollzug am Standort der SothA, sie nimmt jedoch nicht am sozialtherapeutischen Behandlungsprogramm teil. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 760 4. Welche Kriterien bestehen für die Aufnahme in die sozialtherapeutische Anstalt? Zu 4.: SothA im Männervollzug: Die Aufnahme erfolgt nach den Vorgaben des Straf- vollzugsgesetzes (StVollzG). Gefangene werden ge-mäß § 9 Abs. 1 StVollzG in die SothA eingewiesen oder gemäß § 9 Abs. 2 StVollzG nach Bewerbung aufgenommen . Formale Kriterien: - Strafrest zwischen 2 und 5 Jahren, - keine Auslieferungshaft angeordnet, - ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache; Inhaltliche Kriterien: - Behandlungsfähigkeit, Behandlungsmotivation, Behandlungsbedürftigkeit , - Eignung für das Zusammenleben in einer Wohngruppe . Deliktspezifische Kriterien: Überwiegend werden Gewalt- und Sexualstraftäter, darüber hinaus auch Straftäter aus dem Bereich der organisierten Kriminalität aufgenommen. SothA im Jugendstrafvollzug: Es gibt zwei Aufnahmemodalitäten: 1. Gefangene werden nach der Aufnahme in der Zu- gangsabteilung gemäß den Feststellungen des Förder- und Erziehungsbedarfs gemäß § 10 Jugendstrafvollzugsgesetz Berlin (JStVollzG Bln) entsprechend den u. g. formalen und inhaltlichen Kriterien im Rahmen der Vollzugsplanung direkt in die SothA eingewiesen. Dies betrifft die Mehrzahl der Fälle. 2. Jugendstrafgefangene mit einem Strafmaß von über 4 Jahren können sich zu einem späteren Zeitpunkt um Aufnahme in die SothA bewerben, wenn der Strafrest bis zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt 4 Jahre nicht überschreitet. Formale Kriterien: Strafrest zwischen 18 Monaten und 4 Jahren. Inhaltliche Kriterien: - Behandlungsfähigkeit, Behandlungsmotivation, Behandlungsbedürftigkeit , - Eignung für das Zusammenleben in Wohngruppen, - ausreichende Kenntnis der deutschen Sprache, - Ausschlusskriterien sind eine deutlich unterdurchschnittliche Intelligenz, eine Suchtproblematik, die eine Suchttherapie explizit erforderlich macht oder eine psychiatrisch relevante Erkrankung. Deliktspezifische Kriterien: Verurteilung wegen einer Gewalt- oder Sexualstraftat und hohe Rückfallgefahr für schwere Delikte. SothA im Frauenvollzug: Inhaftierte werden gemäß § 9 Abs. 1 StVollzG in die SothA eingewiesen oder gemäß § 9 Abs. 2 StVollzG nach Bewerbung aufgenommen . Formale Kriterien: - Strafrest bis zur voraussichtlichen Entlassung zwischen einem und vier Jahren. Die Strafzeiten müssen bekannt oder einschätzbar sein, - keine Untersuchungs-, Auslieferungs- oder Abschiebehaft angeordnet; Inhaltliche Kriterien: - Therapiemotivation, Therapiebedürftigkeit und Therapiefähigkeit , - Eignung für den offenen Vollzug, - keine manifeste Abhängigkeit von illegalen Drogen, - Zustimmung der Aufsichtsbehörde für die Aufnahme von Gefangenen, die eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßen. 5. Wie viele Anträge auf Aufnahme in eine sozial- therapeutische Anstalt wurden in den Jahren 2006 bis 2011 gestellt? Zu 5.: Anträge auf Aufnahme in eine SothA SothA in der JVA Tegel2 SothA in der JSA3 SothA in der JVA für Frauen4 2006 193 - - 2007 187 - 11 2008 169 - 20 2009 198 19 2010 186 26 2011 194 35 Anträge wurden gestellt 12 6. Wie vielen Anträgen wurde insgesamt nicht ent- sprochen? Zu 6.: Nicht entsprochene Aufnahmeanträge SothA in der JVA Tegel5 SothA in der JSA SothA in der JVA für Frauen 2006 152 2007 136 2008 127 Es liegt keine Dokumentation vor 2009 140 6 2010 135 10 2011 156 20 Anträgen wurde nicht entsprochen 1 2 Die in der Tabelle genannten Zahlen berücksichtigen nur die Bewerbungen durch die Gefangenen gemäß § 9 Abs. 2 StVollzG. 3 Die in der Tabelle genannten Zahlen beziehen sich nur auf Fälle, in denen sich Gefangene um Aufnahme bewarben. 4 Für 2006 liegt keine Dokumentation vor. 5 Abgelehnte Anträge führten in Einzelfällen zu einem späteren Zeit- punkt zu einer positiven Aufnahmeentscheidung, beispielsweise wenn bei der Erstbewerbung die Reststrafe zu lang war, die erforderliche Behandlungsbereitschaft fehlte, positive Urinkontrollbefunde vorlagen etc.. 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 760 7. Wie vielen dieser Anträge wurde aufgrund des Fehlens von Plätzen in sozialtherapeutischen Anstalten nicht entsprochen? 8. Welche Abteilungen müssen Wartelisten führen, und welchen Umfang haben diese Wartelisten? Zu 7. und 8.: Es gab keinen einzigen Fall, in dem auf- grund fehlender Platzkapazitäten in den sozialtherapeutischen Einrichtungen einem Aufnahmeantrag nicht entsprochen wurde. 9. Wie lange sind die Wartezeiten jeweils? Zu 9.: SothA im Männervollzug: Aufgrund von Eng- pässen in der Eingangsdiagnostik kann es in Einzelfällen bei der Aufnahme in die SothA zu Wartezeiten von einigen Wochen kommen. Im Vorfeld der kognitivbehavioralen Gruppentherapie für Sexual-straftäter gibt es vereinzelt Wartezeiten aufgrund des Umstandes, dass der Einstieg in dieses Behand-lungsprogramm nur zweimal jährlich möglich ist. Häufig können Wartezeiten vermieden oder verkürzt werden, indem Gefangene auf die Vorbereitungsstation der SothA aufgenommen werden. SothA im Jugendstrafvollzug: Es gibt keine Wartezeiten. SothA im Frauenvollzug: In Einzelfällen kann es bei der Aufnahme in die SothA zu Wartenzeiten von bis zu sechs Monaten kommen. 10. Wie viele der im oben genannten Zeitraum in sozialtherapeutischen Anstalten untergebrachten Gefangenen erfuhren sozialtherapeutische Behandlungen seit mehr als a) einem Jahr, b) zwei Jahren, c) fünf Jahren? Zu 10.: Behandlungsdauer SothA in der JVA Tegel SothA in der JSA SothA in der JVA für Frauen 1 – 2 Jahre 7 51 22 2 – 5 Jahre 34 7 20 > 5 Jahre 2 - 3 SothA im Männervollzug: Für die Beantwortung dieser Frage wurden stich- probenweise jene 50 Gefangenen, die 2011 die SothA verlassen haben, als Grundlage genommen. Eine wietergehende Datenerhebung hätte unverhältnismäßig viel Zeit in Anspruch genommen. Von diesen 50 Gefangenen wurden 39 aus der SothA in die Freiheit entlassen und 11 Gefangene vorzeitig aus der SothA in einen anderen Be- reich der JVA Tegel herausverlegt. Darunter waren sieben Gefangene, die wegen mangelnder Eignung für den Wohngruppenvollzug, fehlender therapeutischer Erreichbarkeit oder wegen eines erheblichen Drogenvorfalles innerhalb des ersten Behandlungsjahres vorzeitig aus der SothA in andere Bereiche der JVA Tegel verlegt werden mussten. SothA im Jugendstrafvollzug: Die in der Tabelle genannten Zahlen beziehen sich auf alle seit der Eröffnung im Oktober 2008 in der SothA behandelten Gefangenen. Dazu ist anzumerken, dass aufgrund der relativ kurzen Haftzeiten bei Jugendstrafgefangenen es in einer Reihe von Fällen zu Behandlungszeiten von weniger als einem Jahr kommt. Gefangene mit kürzeren Haftzeiten werden so bald als möglich in den offenen Vollzug verlegt, sobald sie die Behandlungsmaßnahmen der SothA erfolgreich durchlaufen haben, um sie möglichst gut auf die Entlassung vorzubereiten. Die Gefangenen nehmen dann nicht mehr am sozialtherapeutischen Behandlungsprogramm teil, die Zuständigkeit bleibt aber bei den Therapeuten der SothA. Die genaue Anzahl von Jugendstrafgefangenen mit Behandlungszeiten von weniger als einem Jahr lässt sich nur mit einem hohen Erhebungsaufwand feststellen. SothA im Frauenvollzug: In den Jahren 2010 und 2011 wurden fünf Frauen mit sehr langen Haftstrafen in die SothA aufgenommen, bei denen die Dauer der Behandlung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eingeschätzt werden kann. Diese fünf Gefangenen sind in den in der Tabelle genannten Zahlen nicht einbezogen. 11. Wie viele Strafgefangene, die in einer sozial- therapeutischen Anstalt untergebracht waren, sind rückfällig geworden? Zu 11.: Insgesamt liegen für die Bundesrepublik bis- her kaum empirisch gesicherte Erkenntnisse über Rückfallraten im Zusammenhang mit intramural sozialtherapeutisch behandelten Straftätern vor. In Berlin wurde vor einigen Jahren in der Sozial- therapie der JVA Tegel eine Evaluationsstudie des Gruppentherapeutischen Behandlungsprogramms für Sexualstraftäter („Sexual Offender Treatment Program SOTP“) durchgeführt6. In dieser Studie wurden positive Einstellungs- und Haltungsänderungen festgestellt. Die Effektstärke war vergleichbar mit den Ergebnissen aus angelsächsischen Untersuchungen. Rückfalldaten wurden in dieser Studie nicht erhoben. Auf internationaler Ebene weisen Metaanalysen, in die mehrere hundert Rückfallstudien einbezogen wurden, für die Behandlung von Straftätern moderate positive 6 Habermann N. et al.: „Gruppentherapie für Sexualstraftäter im geschlossenen Männervollzug – Erprobung einer Methode zur Evaluation“. In: Berner, W. et al., Sexualstraftäter behandeln. Deutscher Ärzteverlag Köln (2006). 3 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 760 Therapieeffekte von 10 bis 30 % aus7. Für differenzierte Aussagen sind die konkreten Bedingungen zu beachten, unter denen sozialtherapeutische Maßnahmen durchgeführt werden. Die Evaluationsforschung konnte nachweisen , dass mit unterschiedlichen Therapieprogrammen unterschiedliche Effektstärken erzielt werden. Die besten Ergebnisse mit durchgängig positiven Effekten wurden für kognitiv-verhaltentherapeutisch orientierte Programme und multimodale Behandlungsformen sowie komplexere , stark strukturierte sozialtherapeutische Behandlungsansätze nachgewiesen. Die sozialtherapeutischen Einrichtungen Berlins haben sich diese Forschungsergebnisse zueigen gemacht und Behandlungsprogramme entsprechend diesen Erkenntnissen entwickelt bzw. bereits anderweitige erprobte und evaluierte Programme für die hiesigen Verhältnisse adaptiert. 12. Wie hoch ist der Prozentsatz dieser Rückfälligen im Vergleich mit dem üblichen, geschlossenen Erwachsenenvollzug ? Zu 12.: Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Rückfälligkeit wie oben beschrieben nach dem Durchlauf einer sozialtherapeutischen Behandlung gegenüber dem Regelvollzug für die Gesamtgruppe um bis zu 30 % vermindert ist. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei den in der Sozialtherapie behandelten Straftäterinnen und -tätern fast ausschließlich um Menschen handelt, die schwere Delikte gegen Leib und Leben oder gegen die sexuelle Selbstbestimmung begangen haben, die Popu-lationen in der SothA und in den anderen Bereichen des geschlossenen Erwachsenenvollzuges daher nicht unmittelbar vergleichbar sind. Aktuelle Forschungsergebnisse liegen dazu nicht vor (vgl. auch die Antwort zu Frage 11). 13. Welche Therapieformen und -angebote werden in den Berliner sozialtherapeutischen Anstalten vorgehalten? Zu 13.: In allen 3 sozialtherapeutischen Einrichtungen wird ein ganzheitlicher integrativer Behandlungsansatz praktiziert. Ein zentraler Behandlungsschwerpunkt ist die therapeutische Ausgestaltung der Wohngruppen. Grundgedanke ist es, die Gefangenen zu befähigen, unangemessenen Verhaltensmustern, die in der Vergangenheit zu strafbaren Verhaltensweisen führten, im Kontakt mit Mitgefangenen und Mitarbeiterinnen sowie Mitarbeitern zu erkennen und auf Veränderung hinzuwirken. Unterstützt wird dieser Prozess durch gezielte einzel- und gruppentherapeutische Behandlungsmaßnahmen, die auf die individuelle Problematik abgestimmt sind. Soweit erforderlich bzw. möglich werden Angehörige in die Behandlung einbezogen. SothA im Männervollzug: Es wird ein breites Spektrum an Behandlungsmaß- nahmen vorgehalten. An deliktspezifischen Therapieansätzen werden die am besten evaluierten modularen Gruppenprogramme für Sexual- bzw. Gewaltstraftäter durchgeführt („Sexual Offender Treatment Program SOTP“ und „Behandlungsprogramm für Gewaltstraftäter BPG“) sowie Adaptionen dieser Programme für die Einzeltherapie. Darüber hinaus werden Einzelbehandlungen nach den in ihrer Wirksamkeit wissenschaftlich anerkannten sog. Richtlinienverfahren (Verhaltenstherapie , tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Psychoanalyse) entsprechend der Indikation durchgeführt. Der Behandlung vorgeschaltet ist eine Phase der differenzierten Diagnostik und Behandlungsplanung . Das Drei-Phasen-Modell der Sozialtherapie in der JVA Tegel (Diagnostik, Behandlung, Freigang) wurde von anderen Bundesländern übernommen. SothA im Jugendstrafvollzug: Es werden verschiedene jugendspezifische einzel- und gruppentherapeutische Interventionsformen angewandt. Wie auch in der SothA der JVA Tegel werden gut evaluierte und in sozialtherapeutischen Anstalten anderer Länder erprobte Maßnahmen und Methoden eingesetzt. Dies sind im Einzelnen - ein modulares Gruppentherapieprogramm für Gewaltstraftäter mit den Modulen deliktorientiertes Training und Selbstbeherrschungstraining, - das „Reasoning und Rehabilitation“-Programm (R & R), eine zertifizierte Behandlungsmaßnahme zur Verbesserung der sozialen Kompetenz. Das gesamte Mitarbeiterteam der SothA (Bedienstete des Allgemeinen Vollzugsdienstes und psychologische und sozialpädagogische Fachdienstkräfte) wurden für die Durchführung dieser Maßnahme speziell fortgebildet, - einzeltherapeutische Maßnahmen in den Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, - systemische Familientherapie. SothA im Frauenvollzug: Dem Behandlungskonzept liegt ein tiefenpsycho- logisch fundierter Ansatz zugrunde. Jede Klientin wird einzel- und gruppenpsychotherapeutisch behandelt. Darüber hinaus werden eine Reihe von weiteren Gruppenmaßnahmen und Projekten im Rahmen der sozialtherapeutischen Wohngruppe durchgeführt. In diesem Setting können alle Erlebens- und Verhaltensweisen der Klientinnen in verschiedenen Kontexten (therapeutische Arbeitsbeziehung, Beziehung zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Beziehung zu Mitgefangenen in den Wohngruppen und im Arbeitsbetrieb sowie dem anstaltsexternen Milieu) wahrgenommen und behandelt werden. Da die SothA in der JVA für Frauen eine Einrichtung des offenen Vollzuges ist, sind die Außenorientierung und das Übergangsmanagement im therapeutischen Gesamtkonzept von besonderer Bedeutung. 7 Exemplarisch seien die folgenden Übersichtsarbeiten genannt: Egg, R.: „Sozialtherapeutische Anstalt“, in: Kröber, H.-L. et al. (Hrsg.) Handbuch der Forensischen Psychiatrie Band 3, Psychiatrische Kriminalprognose und Kriminaltherapie. Steinkopf Darmstadt (2006), S. 221 – 234. Spiess, G.: „Zum Stand der internationalen kriminologischen Wirkungsforschung zu Strafe und Behandlung im Strafvollzug “, in: Cornel, H. et al. (Hrsg.) What works? Neue Ansätze der Straffälligenhilfe auf dem Prüfstand. Lambertus Freiburg (2004), S. 12 – 50. 4 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 760 5 14. Wie unterscheiden sich diese von den Behandlungsangeboten anderer Länder? Zu 14.: Das sozialtherapeutische Grundprinzip, das einen Schwerpunkt der Behandlungsarbeit auf die therapeutische Ausgestaltung der Wohngruppen legt, wird von den sozialtherapeutischen Einrichtungen in allen Ländern vertreten. Im Gegensatz zu den Berliner Einrichtungen werden in den anderen Bundesländern überwiegend modulgestützte Gruppenprogramme für Sexualoder Gewaltstraftäter angeboten. Gefangenen, für die diese speziellen Interventionsformen nicht geeignet sind, kann deshalb häufig kein passendes Angebot unterbreitet werden. Dies betrifft insbesondere Straftäter mit schweren Persönlichkeitsstörungen. In der SothA der JVA Tegel gibt es mehrere Behandlungsalternativen zu den deliktspezifischen modulgestützten Gruppenbehandlungsprogrammen . Zu erwähnen ist diesbezüglich eine Langzeit -Einzelpsychotherapie, die in anderen sozialtherapeutischen Einrichtungen nicht angeboten wird. Davon profitieren insbesondere auch die häufig multiple gestörten Sicherungsverwahrten bzw. Strafgefangenen mit angeordneter Maßregel, die mit anderen Behandlungsmethoden nicht zu erreichen sind. Es besteht auch die Möglichkeit, verschiedene Behandlungsansätze zu kombinieren. Anders als in anderen Ländern haben die sozial- therapeutischen Einrichtungen Berlins aufgrund des Standortvorteils keine Probleme, sehr gut qualifiziertes Fachpersonal zu akquirieren. Alle Therapeuten, die in den sozialtherapeutischen Einrichtungen Berlins tätig sind, haben mindestens eine psychotherapeutische Zusatzqualifikation , sind approbierte psychologische Psychotherapeutinnen bzw. Psychotherapeuten oder sind auf dem Wege, eine Approbation zu erwerben. Darüber hinaus sichert die enge Kooperation mit dem Krankenhaus des Maßregelvollzuges, der Forensisch-Therapeutischen Ambulanz und dem Institut für Forensische Psychiatrie der Charité die fachliche Qualifikation des therapeutischen Personals. 15. Wie unterscheiden sich die einzelnen in Berliner sozialtherapeutischen Anstalten angebotenen Behandlungsangebote hinsichtlich a) ihrer Kosten und b) ihrer Erfolgsaussichten? Zu 15.: a) Hierzu stehen bislang keine Daten zur Verfügung. b) In allen 3 sozialtherapeutischen Einrichtungen sind die Behandlungskonzepte an den Befunden der wissenschaftlichen Evaluationsforschung orientiert (vgl. dazu die Ausführungen zu Frage 11. Es ist anzumerken, dass im Hinblick auf den Behandlungserfolg von Straftätern mit multiplen schweren Persönlichkeitsstörungen (darunter auch mehrere Sicherungsverwahrte), die in größerer Anzahl und über viele Jahre in der SothA der JVA Tegel psychotherapeutisch behandelt werden, keine verlässlichen Vergleichsdaten vorliegen. 16. Wie hoch sind die durchschnittlichen Kosten für einen Platz in einer der Berliner sozialtherapeutischen Abteilungen (bitte gesamt sowie unterteilt nach Anstalten )? Zu 16.: Hierzu liegen noch keine validen Daten vor. 17. Wie hoch sind die durchschnittlichen Kosten für einen Platz in einer sozialtherapeutischen Abteilung in den Ländern? Zu 17.: In den bundeseinheitlichen Statistiken sind die Haftplatzkosten der Länder für einzelne Bereiche bzw. Abteilungen nicht ausgewiesen. 18. Liegen dem Senat Erkenntnisse darüber vor, wie nachhaltig die in Berlin erzielten sozialtherapeutischen Effekte sind? Zu 18.: Dazu liegen keine validen Daten vor. In allen 3 Einrichtungen im Land Berlin wird versucht, eine Nachhaltigkeit der mit der Sozialtherapie erzielten Behandlungseffekte durch ein gezieltes Übergangsmanagement , eine gute Entlassungsvorbereitung und - sofern erforderlich - eine therapeutische Nachsorge herzustellen . Das StVollzG - §§ 125, 126 - sieht die Möglichkeit einer Nachbetreuung durch Dienstkräfte der SothA vor, die von entlassenen Straftätern auch in Anspruch genommen wird. Für eine frühzeitige Anbindung an eine geeignete Nachsorgeeinrichtung wird Sorge getragen. Zu erwähnen ist insbesondere die enge Kooperation mit der Forensisch-Therapeutischen Ambulanz der Charité. Diese Einrichtung bietet für besonders rückfallgefährdete Sexual- und Gewaltstraftäter ein sehr strukturiertes Nachsorgeprogramm für die besonders rückfallkritische Nachentlassungsphase . Die ambulante Nachsorge beinhaltet psychiatrisch-medikamen-töse, psychotherapeutische und sozialpädagogische Behandlungselemente und wird von kontrollierenden Aspekten ergänzt. Aktuell befinden sich 25 Patienten aus der SothA der JVA Tegel in der Forensisch-Therapeutischen Ambulanz in Behandlung. Eine Evaluierung der Forensisch-Therapeutischen Ambulanz durch Auswertung aller abgeschlossenen Behandlungsfälle ist derzeit in Arbeit. Berlin, den 08. August 2012 Thomas Heilmann Senator für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. August 2012) Anzahl der in sozialtherapeutischen