Drucksache 17 / 10 762 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 17. Juli 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Juli 2012) und Antwort Partizipation und Empowerment von LSBTTI* Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Vorab sei erwähnt, dass die Ermittlung des aktuellen Sachstands mit einem intensiven Mehraufwand und einer ressortübergreifenden Abfrage verbunden war, so dass die Beantwortung der Kleinen Anfrage nicht in der sonst üblichen Frist beantwortet werden konnte. 1. Welche Schritte hat der Senat seit 2009 zur Stär- kung von Partizipation und Empowerment von LSBTTI* unternommen? Zu 1.: Der Senat von Berlin sieht die Fortführung und Weiterentwicklung von Maßnahmen zur Stärkung von Partizipation und Empowerment von Lesben, Schwulen, Bisexuellen sowie trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI) ebenso wie für andere gesellschaftliche Gruppen, die unter dem besonderen Schutz der Berliner Verfassung und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) stehen, als eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe. Dem Senat ist bewusst, dass jede Form der Akzep- tanzförderung auch der Stärkung der Partizipation dieser Gruppen dient. Der Berliner Senat hat deshalb schon seit den 1990er Jahren, insbesondere durch die Förderung der Projekte im Bereich gleichgeschlechtliche Lebensweisen, Maßnahmen eingeleitet, die der Stärkung und dem Empowerment von LSBTI dienen. Für den Zeitraum seit 2009 seien beispielhaft erwähnt: (1) Der Berliner Senat hat zur Umsetzung des Be- schlusses Initiative "Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt" (Drucksache 16/2291) LSBTI-Organisationen in den sehr intensiven und partizipativen Abstimmungsprozess zur Entwicklung des Maßnahmenpaketes zur Bekämpfung von Homophobie vom 16. Februar 2010 (Drucksache 16/2978) aktiv eingebunden . (2) Das Maßnahmenpaket zur Initiative Akzeptanz sexueller Vielfalt (ISV), enthält verschiedene Maß- nahmen, die auf die Stärkung von Partizipation und Empowerment von LSBTI zielen. In diesem Zusammenhang wird unter anderem das Projekt „Tapesh – Mit Herz und Vision gegen Gewalt und Diskriminierung“ der Lesbenberatung Berlin von der Landesantidiskriminierungsstelle (LADS) gefördert. Ziel des Projektes ist es, Betroffene aus der LSBTI Community gezielt im Sinne des Empowerment-Ansatzes zu stärken und niedrigschwellig zu informieren. Darüber hinaus trägt das Projekt „Soccer Sound“ des Bildungs- und Sozialwerks des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg dazu bei, die Partizipation von LSBTI im Sport und insbesondere im Fußball zu stärken. Die vielfältigen Materialien für Schulen und Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen unterstützen mittelbar die Partizipation und das Empowerment von LSBTI genauso, wie die institutionelle Förderung des Schwulen Museums und die diversen, im Rahmen der ISV durchgeführten Fortbildungen. So setzt auch das im Berliner Rahmenvertrag für Hilfen in Einrichtungen einschließlich Diensten im Bereich Soziales formulierte Bekenntnis zur kulturellen Vielfalt und Unterschiedlichkeit von Identitäten, sexuellen Orientierungen und individuellen Lebensentwürfen den Rahmen dafür, die Teilhabe von LSBTI Menschen zu stärken. Und auch dem Beschluss des Landespflegeausschusses (LPA) vom 23. Februar 2011, der seinen Mitgliedern Maßnahmen empfiehlt wie die Bereitstellung spezifischer Pflegeangebote , liegt der Gedanke der Akzeptanzförderung und der Partizipation zu Grunde. (3) Im Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm ist im Handlungsfeld „Lesbische Frauen“ die Zielsetzung der Förderung der Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensweisen sowie der Abbau homosexuellenfeindlicher Einstellungen enthalten. In den Schulen, der Jugendarbeit und den Senioreneinrichtungen sollen die Zielsetzungen mit geeigneten Maßnahmen verwirklicht werden. So wird u.a. im Rahmen der Fraueninfrastrukturstellen die Offene Initiative Lesbischer Frauen -RuT- Rad und Tat e.V. finanziell gefördert. Mit dem Projekt soll die Infrastruktur für frauenliebende Frauen im Alter zur Gestaltung von Wohnen und Leben ausgebaut und deren Partizipation gestärkt werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 762 10 762 (4) Im Rahmen der Umsetzung a) des Rahmenkonzepts des Senats zur Prävention von HIV/Aids, Hepatitis- und sexuell übertragbaren Infektionen sowie zur Versorgung von Menschen mit HIV/Aids und/oder chronischen Hepatitisinfektionen und b) des Entwicklungskonzeptes von Prof. Dr. Rolf Rosenbrock zur Prävention von HIV/Aids, sexuell übertragbaren Infektionen und Hepatiden finden bzw. fanden unter Federführung der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales verschiedene Themengruppen statt, an denen neben anderen Expertinnen und Experten auch LSBTI Menschen bzw. deren Organisationen aktiv teilnahmen. (5) Über den Runden Tisch „Trans- und Inter- geschlechtlichkeit“ sowie den Runden Tisch „Akzeptanz sexueller Vielfalt“, beide angesiedelt bei der Landesstelle für Gleichbehandlung - gegen Diskriminierung (LADS), erhalten LSBTI Organisationen einen Raum, sich mit anderen Institutionen, Einrichtungen und gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren auszutauschen und zu vernetzen. 2. An welchen der Landesgremien, in die Ver- treter*innen gesellschaftlicher Organisationen berufen werden, wurden, wie in den Mitteilungen zur Kenntnisnahme vom 16.02.2010 (Drs. 16/2978) und vom 22.02.2011 (Drs. 16/3903) angekündigt, Vertreter*innen von LSBTTI*-Verbänden beteiligt? Um welche Verbände handelt es sich dabei konkret? An welchen Gremien sollen Vertreter*innen von LSBTTI*-Verbänden noch beteiligt werden und wann wird das geschehen? Gibt es inzwischen den hierfür geplanten Grundsatzbeschluss? Zu 2.: Es sei vorangestellt, dass die Umsetzung der Maßnahmen der ISV als Prozess zu verstehen und entsprechend langfristig ausgerichtet ist, um nachhaltig wirken zu können. Der Fortführung als auch der Weiterentwicklung der ISV misst der Senat große Bedeutung bei. Im Rahmen der Umsetzung der ISV hat die Prüfung im Rahmen des Beschluss des Abgeordnetenhauses vom 02.04.2009 (s. Drs. Nr. 16/2291, Ziffer 23) zur “Unterstützung von Initiativen für die rechtliche Gleichstellung von Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung“ ergeben, dass ein Grundsatzbeschluss nicht geeignet erscheint , der Zielsetzung dieser Maßnahme zu entsprechen (s. Drs. Nrn. 16/2978 und 16/3903). Den derzeit im Land Berlin existierenden Gremien und Ausschüssen liegen unterschiedliche Regelungen zu Grunde, die sich wiederum grundsätzlich auf die Beteiligungsformen bzw. -möglichkeiten weiterer, potenzieller Akteurinnen und Akteure auswirken. Unter Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen gilt es im Sinne der Fortführung der ISV die Gremien und Ausschüsse im Einzelnen hinsichtlich der Vertretungsmöglichkeiten , den hierfür zu Grunde liegenden Verfahren sowie der spezifischen Funktion von LSBTI Vertreterinnen und Vertretern zu prüfen. Ferner besteht in diesem Zusammenhang zusätzlich für interessierte und im jeweiligen Handlungsfeld engagierte LSBTI Organisationen auch die Möglichkeit, aus eigener Initiative heraus und mit der entsprechenden Fachkompetenz bei einzelnen Beiräten bzw. Gremien vorstellig zu werden. Aktuell sind noch keine LSBTI Organisationen bzw. Vertreterinnen und Vertreter in den verschiedenen Gremien, Beiräten und Ausschüssen des Landes Berlins in dieser spezifischen Funktion unmittelbar vertreten. Im Frauenpolitischen Beirat sind laut Geschäftsord- nung 17 Vertreterinnen unterschiedlicher Organisationen und Institutionen vertreten. In der Zusammensetzung sind die Frauenprojekte in den Bereichen Anti-Gewalt Arbeit, Migrantinnen, Frauenzentren / Selbsthilfe und Arbeitsmarkt als auch die gesellschaftlichen Interessenvertreterinnen aus berlinweit wirkenden Frauenorganisationen berücksichtigt. Die Interessenvertretung der lesbischen Frauen ist darüber mittelbar enthalten. Dem Landesbeirat für Menschen mit Behinderung gehören gemäß § 6 Abs. 2 des Landesgleichberechtigungsgesetzes (LGBG) sowohl stimmberechtigte Vertreterinnen bzw. Vertreter von 15 rechtsfähigen gemeinnützigen Verbänden und Vereinen im Land Berlin an, zu deren satzungsgemäßen Aufgaben die Unterstützung der Interessen behinderter Menschen durch Aufklärung und Beratung oder die Bekämpfung der Benachteiligung behinderter Menschen gehört, sowie neun nicht stimmberechtigte Mitglieder, die im LGBG aufgeführt sind. Der Senat geht davon aus, dass die im Landesbeirat für Menschen mit Behinderung vertretenen Verbände und Vereine ihrerseits dem Anliegen einer sexuellen Vielfalt von Menschen mit Behinderung aufgeschlossen gegenüberstehen und auch in diesem Sinne Aufklärung und Beratung leisten und eine Benachteiligung von Menschen mit Behinderung bekämpfen. Beispielhaft soll in diesem Zusammenhang der Verein Netzwerk behinderter Frauen Berlin benannt werden, der dem Landesbeirat für Menschen mit Behinderung angehört. Der Lesben- und Schwulenverband Berlin- Brandenburg hat beantragt, als ordentliches Mitglied in den Berliner Beirat für Familienfragen aufgenommen zu werden. Im Rahmen einer Sitzung des Familienbeirates konnte der Verband auch mündlich sein Anliegen vertreten , das vom Beirat wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde. Entschieden wird über den Antrag voraussichtlich im Herbst dieses Jahres im Rahmen der Neufassung der Geschäftsordnung des Beirats. In Anbetracht der Fortführung und Weiterentwicklung der ISV ist in einem weiteren Schritt eine zukünftige Beteiligung von LSBTI Organisationen in folgenden Beiräten, Gremien bzw. Ausschüssen im Einzelnen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen, spezifischen Funktion bzw. Fachkompetenz zu prüfen. Benennung von Mitgliedern durch Berufung: Zu den fachspezifischen Gremien, deren Mitglieder vom jeweils zuständigen Senatsmitglied bzw. der zuständigen Senatsverwaltung berufen werden, gehören der 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 762 10 762 Berliner Vollzugsbeirat, Beirat Entwicklungszusammenarbeit , Landespsychiatriebeirat, Landespflegeausschuss sowie der Landesseniorenbeirat. Keinem dieser Beiräte bzw. Ausschüsse gehören aktuell Vertreterinnen und Vertreter von LSBTI Verbänden an. Im Berliner Vollzugsbeirat sind neben den Vorsitzenden der Anstaltsbeiräte, Vertreterinnen und Vertreter des Landesschulamtes, der Unternehmensverbände, der Ärztekammer, der freien Träger der Strafffälligenhilfe , der Migrantionsverbände, der Humboldt Universität , des Beamtenbundes und des Rundfunk Berlin Brandenburg als Mitglieder vertreten. Die zuständige Senatsverwaltung wird den Berliner Vollzugsbeirat anregen , sich in einer seiner kommenden Sitzungen über die Einbindung eines LSBTI Verbandes zu verständigen. Aufgabe des Beirates Entwicklungszusammenarbeit ist, den Berliner Senat in allen entwicklungspolitisch relevanten Themen auf Landes- und Bundesebene zu beraten und dabei auch selbst gestaltend tätig zu werden. Voraussetzung für die Berufung von Vertreterinnen und Vertretern von LSBTI Verbänden sind entsprechende entwicklungspolitische Kompetenzen. Entwicklungspolitisch aktive LSBTI Verbände, die ihr spezifisches entwicklungspolitisches Know-How einbringen möchten, können grundsätzlich im Beirat für Entwicklungszusammenarbeit mitwirken. Die Berufung entsprechender Vertreterinnen und Vertreter wird von der zuständigen Senatsverwaltung geprüft. Die gesetzliche Grundlage für die Berufung und Tätigkeit des Psychiatriebeirates im Land Berlin bildet § 6 des Gesetzes für psychisch Kranke (PsychKG) vom 8. März 1985 zuletzt geändert durch das Gesetz zur Neuregelung des Krankenhausrechts vom 18. September 2011. Das für das Gesundheitswesen zuständige Mitglied des Senats von Berlin beruft den Landespsychiatriebeirat und führt den Vorsitz. Der Beirat wird in jeder Legislaturperiode neu konstituiert. Die Geschäfte des Beirates führt die für das Gesundheitswesen zuständige Senatsverwaltung. Die Berufung in dieses Gremium erfolgt ausschließlich aufgrund fachlicher Qualifikation. Beim Landespflegeausschuss, ist der Senat nach § 92 des Elften Buches Sozialgesetzbuch ermächtigt, die den Landespflegeausschüssen angehörenden Organisationen unter Berücksichtigung der Interessen aller an der Pflege im Land Beteiligten zu berufen. Die Verordnung über den Landespflegeausschuss nach § 92 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (Landespflegeausschuss -Verordnung - LPflegeAV) vom 16. Februar 2011 bezeichnet in § 2 die stimmberechtigten sowie die beratenden Mitglieder des Landespflegeausschusses . LSBTI Organisationen sind hier nicht aufgeführt . Der Landesseniorenbeirat besteht gemäß §6 Abs. 1 Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz aus 24 Mitgliedern . Davon gehören zwölf Vertreterinnen und Vertreter Seniorenorganisationen an, die auf Vorschlag der Landesseniorenvertretung von dem für Seniorinnen und Senioren zuständigen Mitglied des Senats für die Dauer der Wahlperiode des Abgeordnetenhauses berufen werden. In der Frage der Besetzung des Landesseniorenbeirats sollen wichtige gesellschaftliche Gruppen berücksichtigt werden. In der konkreten Umsetzung ist ein Nachbesserungsbedarf erkennbar, dem künftig durch besondere Berücksichtigung von LSBTTI abgeholfen werden könnte. Benennung von Mitgliedern durch gesetzliche Be- stimmungen: Durch die entsprechenden Gesetze und Verordnungen werden beim Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen , Landesschulbeirat sowie beim Landesjugendhilfeausschuss die stimmberechtigten bzw. z.T. auch die beratenden Mitglieder festgelegt. Der Senat ist bei Berufungen teilweise an die Ergebnisse von Wahlen, teilweise an die Auswahl aus eingereichten Vorschlägen gebunden. Beim Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen kann gemäß § 6 Abs. 1 Partizipations- und Integrationsgesetz (PartIntG) der Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen die Teilnahme beratender Mitglieder beschließen. Der Landesschulbeirat setzt sich aus den im Einzelnen in § 115 Abs. 4 Schulgesetz genannten Vertreterinnen und Vertretern zusammen . Seine Mitglieder werden durch die jeweiligen Gremien/Organisationen gewählt bzw. benannt und erfüllen eine spezifische Funktion. Der Landesjugendhilfeausschuss setzt sich aus den im Einzelnen in § 38 Abs. 2, 3 und 7 Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AG KJHG, des Ausführungsgesetzes zum SGB VIII) genannten Vertreterinnen und Vertretern zusammen. Es besteht hier die Möglichkeit, dass der zuständigen Senatsverwaltung nach § 38 Abs. 2 Nr. 3 AG KJHG von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe Vertreterinnen oder Vertreter von LSBTIOrganisationen zur Ernennung zu stimmberechtigten Mitgliedern oder deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter vorgeschlagen werden können. 3. Welche weiteren Schritte plant der Senat für stärkere Partizipation und Empowerment von LSBTTI* und in welchen Bereichen bestehen hier nach Auffassung des Senats besondere Defizite? Zu 3.: Der Senat wird in Fortsetzung der ISV die unter Frage 1 genannten Maßnahmen fortsetzen und eine stärkere Beteiligung von LSBTI Organisationen als Interessenvertretungen oder Expertinnen und Experten mit ihrer fachlichen Qualifikation in den unterschiedlichen Beiräten, Gremien und Ausschüssen des Landes Berlin im Rahmen seiner Möglichkeiten befördern. Berlin, den 12. September 2012 In Vertretung Barbara L o t h Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Sep. 2012) 3