Drucksache 17 / 10 763 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 17. Juli 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Juli 2012) und Antwort Auswirkungen von § 1 Abs. 8 VgG Berlin auf die Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft durch Auftragnehmer beim Arbeitsentgelt Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Anforderungen stellt § 1 Abs. 8 des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes (VgG Bln) an die Praxis der Entlohnung von Arbeitnehmer *innen, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, im Vergleich zu Arbeitnehmer*innen in einer Ehe, wenn durch die Auftragnehmer des Landes Berlin aufgrund der ehelichen Gemeinschaft besondere Gehaltsbestandteile gewährt werden? 2. Teilt der Senat die Einschätzung, dass Aufträge des Landes an Auftragnehmer, die bei der Entlohnung ihrer Arbeitnehmer*innen zum Nachteil der Lebenspartnerschaft zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft differenzieren, nicht mehr mit öffentlichen Aufträgen bedacht werden dürfen, es sei denn, die Benachteiligung von Lebenspartner*innen gegenüber Ehepartner*innen ist durch tarifvertragliche Regeln begründet? 3. Verfügt der Senat über Informationen, wie sich die Entlohnungspraxis bei Auftragnehmern des Landes Berlin in Bezug auf die Berücksichtigung von Ehe und Lebenspartnerschaft jeweils gestaltet, beispielsweise bei der Hinterbliebenenversorgung? Was sind die Folgen des neuen § 1 Abs. 8 VgG Bln im Vergleich zum Status quo vor dem Inkrafttreten? Zu 1. – 3.: Ob sich hinsichtlich der Entlohnungspraxis aus dem neuen § 1 Absatz 8 des Berliner Ausschreibungsund Vergabegesetzes (BerlAVG) eine antidiskriminierungsrechtliche Verpflichtung des Landes Berlins dahingehend ableiten lässt, bei ungleicher Entlohnungspraxis aufgrund des Familienstandes (hier: Ehe versus eingetragene Lebenspartnerschaft) durch einen Auftragnehmer , diesen von weiteren Auftragsvergaben auszuschließen , wird weniger durch diese Regelung als vorrangig durch Artikel 10 der Berliner Landesverfassung und die höchstrichterlicher Rechtsprechung bezüglich der Entgeltpraxis beantwortet. Sowohl Urteile des Bundesverfassungsgerichts als auch des Europäischen Gerichtshofes verweisen darauf, dass eingetragene Lebenspartnerschaften im Rahmen der Entlohnungspraxis gleichzustellen sind. Grundlage hierfür ist u.a. die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Verstößt ein Auftragnehmer nachweisbar gegen geltendes Recht oder höchstrichterliche Rechtsprechung, gilt er als vergaberechtlich unzuverlässig und kann keine öffentlichen Aufträge erhalten. Da diese Fragen also geklärt sind, lautet die Be- gründung der vom Abgeordnetenhaus verabschiedeten Änderung des BerlAVG (Drs. 17/0211) zu diesem Punkt daher: „Mehr als 20 Jahre nach dem Mauerfall gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, unterschiedliche Löhne in Ost und West zu zahlen. In einer integrierten Stadt muss für gleiche Arbeit gleicher Lohn gezahlt werden. Die öffentliche Hand soll durch ihre Auftragsvergabe Impulse für mehr Lohngerechtigkeit setzen und damit dazu beitragen , dass das Vergabegesetz auch eine Strahlkraft hinein in die Privatwirtschaft entfaltet. Ziel ist es in ganz Berlin und in allen Bereichen die Ost West Unterschiede zu beenden, ohne die besondere Verantwortung der Sozialpartner und bestehende tarifvertragliche Regelungen in den Hintergrund treten zu lassen. Auch ist die unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern nicht gerechtfertigt.“ Dieses mit der Gesetzesänderung verfolgte Ziel wird durch die von den Bietern abzugebende Erklärung erreicht . Dabei ist, dem üblichen Sprachgebrauch folgend, mit der Formulierung des § 1 Absatz 8 BerlAVG „Die Bieter haben bei Angebotsabgabe zu erklären, dass sie bei der Auftragsdurchführung ihren Arbeitnehmern bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit gleiches Entgelt zahlen. Tarifvertragliche Regelungen bleiben davon unberührt.“ nicht eine Gleichheit der Bezahlung auf den Cent genau, sondern nur die Einstufung in die gleiche Lohngruppe gemeint, wenn gleiche Arbeit geleistet wird. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 763 Zu- bzw. Abschläge in einer Lohngruppe, die an persönliche Voraussetzungen der jeweiligen Arbeitskraft geknüpft sind, bleiben bei der Bewertung, ob gleicher Lohn gezahlt wird, grundsätzlich außen vor. Der Senat verfügt über keine Kenntnisse, wie sich Ehe und Lebenspartnerschaft bei der Bezahlung in Privatbetrieben auswirken. Da das neu gefasste BerlAVG erst seit dem 17. Juni 2012 gilt, kann über Auswirkungen auch dieser Regelung erst im nach § 5 Absatz 1 Satz 3 BerlAVG alle zwei Jahre vorzulegenden Vergabebericht referiert werden. 4. Wird die Praxis der Entlohnung über die Erklärung der Bieter bei Angebotsabgabe hinaus kontrolliert? Wenn ja: In welcher Weise? Zu 4.: Bei den von den Vergabestellen durchzu- führenden stichprobenartigen Kontrollen nach § 5 Absatz 1 Satz 1 BerlAVG werden auch diese Fragen überprüft. Berlin, den 27. Juli 2012 In Vertretung Nicolas Z i m m e r ................................................................. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. August 2012) 2