Drucksache 17 / 10 786 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Simon Kowalewski und Alexander Spies (PIRATEN) vom 23. Juli 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Juli 2012) und Antwort Sozialbestattungen – Was ist dem Senat die Bestattung von armen Berlinerinnen und Berlinern wert? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele sogenannte Sozialbestattungen (Über- nahme von Bestattungskosten durch den Träger der Sozialhilfe nach § 74 Sozialgesetzbuch (SGB) XII bzw. § 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) / § 2 AsylbLG in Verbindung mit § 74 SGB XII) wurden seit 2004 in Berlin durchgeführt und wie hoch war ihr Anteil an der Gesamtzahl der Bestattungen (bitte nach Rechtskreisen, Bezirken und Jahren aufschlüsseln)? Zu 1.: Folgende Angaben waren zu dieser Frage den Statistiken zu entnehmen: 2006 2007 2008 2009 2010 Kostenübernahmen nach § 74 SGB XII 2562 3137 2947 2985 2637 Bestattungs-fälle insgesamt 30710 29217 30393 30155 30691 Es wird darauf verwiesen, dass die erste Datenzeile nur Kostenübernahmen nach § 74 SGB XII erfasst. Angaben für entsprechende Leistungen nach § 6 Asylbewerber-leistungsgesetz (AsylbLG / § 2 AsylbLG) in Verbindung mit § 74 SGB XII liegen nicht vor. Daher kann auch der Anteil an den Gesamtbestattungsfällen nicht korrekt ermittelt werden. Für die Jahre 2004 und 2005 ist es unverhältnismäßig aufwendig, Angaben zu Kostenerstattungsfällen nach § 74 SGB XII zu ermitteln. Die Datenerfassung für die Jahre ab 2006 folgt einer neuen Systematik. Dies gilt auch für die Antwort auf die Frage 5. Von einer Aufschlüsselung auf die einzelnen Bezirke wird wegen der damit zusammenhängenden unverhältnismäßigen Bindung von Kapazitäten abgesehen. Die Angaben ab 2006 zu Kostenübernahmefällen nach § 74 SGB XII können unter http://www.berlin.de/sen/statistik/gessoz/index.html eingesehen werden. Eine Erfassung nach Rechtskreisen liegt nicht vor. Diese Angaben können ohne außerordentlich großen Aufwand auch nicht ermittelt werden. 2. Wie viele „Sozialbestattungen“ fanden seit 2004 als Feuer- bzw. Erdbestattungen statt und wie hoch war ihr Anteil an der Gesamtzahl der Bestattungen in Berlin (bitte getrennt nach Bestattungsart, Bezirken und Jahren aufschlüsseln)? Zu 2.: Eine statistische Erfassung dieser Angaben liegt nicht vor. 3. Wie hoch war seit 2004 der Anteil an „Sozialbestattungen“, die als anonyme Beisetzungen stattfanden (bitte nach Bezirken und Jahren aufschlüsseln)? Zu 3.: Dem Senat liegen hierzu keine Angaben vor. 4. Inwiefern wird bei einer „Sozialbestattung“ auf die Wünsche der Verstorbenen oder Hinterbliebenen hinsichtlich der Art der Bestattung Rücksicht genommen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 786 Zu 4.: Der Träger der Sozialhilfe erstattet den Leistungsberechtigten die Kosten einer Bestattung. Die Durchführung der Bestattung obliegt den hierzu Verpflichteten . Die Wünsche der Hinterbliebenen können im Rahmen der im § 74 SGB XII und in der AV – Soz – Bestattungskosten - geregelten Leistungen (einfache, aber würdevolle Bestattung) berücksichtigt werden. 5. Wie hoch waren die übernommenen Gesamtkosten der seit 2004 in Berlin durchgeführten „Sozialbestattungen “ (bitte getrennt nach Bezirken und Jahren aufschlüsseln)? Zu 5.: 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Gesamtausgaben 2.3 Mio € 2,5 Mio € 2,9 Mio € 3,0 Mio € 3,1 Mio € 3,0 Mio € 2,9 Mio € Mitte 340.349,49 € 413.403,43 € 479.948,27 € 532.839,34 € 566.009,28 € 524.871,83 € 516.909,19 € Friedrichshain - Kreuzberg 218.990,00 € 225.448,84 € 252.802,95 € 232.577,80 € 256.202,58 € 256.590,96 € 216.821.99 € Pankow 197.976,89 € 213.434,10 € 183.988,34 € 224.625,68 € 195.384,04 € 183.112,66 € 198.821,77 € Charlottenburg – Wilmersdorf 195.776,83 € 213.537,75 € 276.806,25 € 278.379,31 € 300.993,08 € 292.437,79 € 295.090,91 € Spandau 74.556,82 € 124.559,95 € 158.643,01 € 166.454,51 € 175.181,49 € 216.858,00 € 191.994,55 € Steglitz - Zehlendorf 125.185,12 € 143.789,77 € 133.647,02 € 175.910,47 € 186.810,60 € 159.195,14 € 146.811,38 € Tempelhof - Schöneberg 244.743,80 € 230.993,41 € 287.331,86 € 297.655,47 € 287.722,63 € 193.625,34 € 269.853,45 € Neukölln 215.204,02 € 184.573,45 € 310.382,95 € 280.918,81 € 248.884,33 € 263.597,58 € 273.759,55 € Treptow – Köpenick 132.968,97 € 95.937,84 € 174.609,32 € 222.199,63 € 163.687,09 € 164.929,47 € 136.847,68 € Marzahn – Hellersdorf 154.887,37 € 208.031,57 € 212.210,18 € 215.858,41 € 270.854,31 € 233.188,30 € 218.482,63 € Lichtenberg 176.055,29 € 193.981,90 € 195.303,16 € 229.401,95 € 248.716,24 € 283.808,71 € 266.085,62 € Reinickendorf 177.609,93 € 219.439,31 € 213.120,13 € 145.676,19 € 193.608,10 € 188.418,63 € 167.943,76 € Zentrale Verwaltung 18.613,19 € 35.018,71 € 27.241,48 € 26.181,76 € 36.763,15 € 20.709,10 € 16.178,33 € 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 786 6. Wie hoch ist die Pauschale, die das Land Berlin für „Sozialbestattungen“ zahlt und wie hat sich die Höhe der Leistung seit 2004 verändert (Entwicklung bitte begründen )? Zu 6.: Seit 2007 werden die Kosten für die Leistungen der Bestatterinnen und der Bestatter als Pauschale in Höhe von bis zu 750 € gewährt. Krematoriums- und Friedhofsgebühren sowie weitere Leistungen werden außerhalb der Pauschale übernommen. Bis zum 31.6.2006 existierte eine Rahmenvereinbarung der für Soziales zuständigen Senatsverwaltung mit der Bestatterinnung. Hier waren Preise für die einzelnen Bestatterleistungen vereinbart und von allen Bestatterinnen und Bestattern akzeptiert worden, die in der seiner Zeit geführten Liste der Bestatterinnen und der Bestatter für Sozialbestattungen aufgenommen wurden. Die Preise der Einzelleistungen aus der Vereinbarung waren die Grundlage für die ab 2007 gewährte und bisher unverändert gebliebene Pauschale. Die Höhe der Pauschale wurde während der gesamten Zeit von keiner Seite mit Kritik bedacht oder im Rahmen der Rechtsprechung in Zweifel gezogen. 7. Wie viele Anträge auf weitere Leistungen, wie Feier in der Halle, Stein, Namensgravur usw., die nicht über die Pauschale abgedeckt sind, haben die Sozialämter seit 2004 für „Sozialbestattungen“ bewilligt – in welcher Durchschnitts- und Gesamthöhe (bitte nach Jahren und Bezirken aufschlüsseln)? Zu 7.: Hierzu liegen dem Senat keine Angaben vor. 8. Was kostet das Land Berlin eine „Sozialbestattung“ im Durchschnitt (bitte seit 2004 nach Jahren und Bezirken aufschlüsseln)? Zu 8.: Zu den Durchschnittskosten werden keine ge- sonderten Erhebungen vorgenommen. 9. Wie hoch sind die Gesamtkosten einer Beerdigung in Berlin im Durchschnitt? Zu 9.: Obwohl die Kosten von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden (Bestatterinnen und Bestatter, Friedhof usw.) kann von durchschnittlichen Kosten in Höhe von 3000 € ausgegangen werden. 10. Welche Standards gehören laut Senat zu den Mindestkriterien einer "Sozialbestattung" und wo sind diese schriftlich formuliert? Zu 10.: Die Einzelpositionen, für die der Träger der Sozialhilfe die Kosten übernimmt, werden in der Ziffer 5 der AV – Soz – Bestattungskosten aufgeführt. Die von der Bestatterin und dem Bestatter zu erbringenden Leistungen , die mit der Pauschale abzudecken sind, regelt Ziffer 5 Abs. 2. Danach gehören zu den Standards: Sarg, Ausstattung des Sarges, Einbetten, Überführungswagen, Bahrenüberführung, zweite Überführung (im Fall, dass das zunächst mit der Abholung der Leiche beauftragte Unternehmen nicht das gleiche ist, das auf Wunsch der Leistungsberechtigten die Bestattung durchführt), Träger, Desinfektion, Schutzhülle, Aufbewahrung, Redner, Organist , Ausschmückung, Blumen. Im Weiteren gehören zu den Standards angemessene Friedhofsgebühren und sonstige gesetzlich vorgesehene Gebühren. 11. Sind dem Senat Fälle bekannt, wonach Verstor- bene häufig wochenlang in Kühlhäusern verwahrt werden müssen, weil a) es zu Streitigkeiten zwischen Sozialämtern und Bestattern bezüglich der Kostenübernahme kommt – etwa weil die Sozialämter ihrer Pflicht zur Vorleistung nicht nachkommen? b) es zu langen Wartezeiten bei der Bewilligung der Anträge auf Kostenübernahme nach § 74 SGB XII durch die bezirklichen Sozialämter kommt? c) Bestatter – bedingt durch den Preisdruck – Sammeleinäscherungen in kostengünstigeren Länder/ Regionen vornehmen? Zu 11 a bis c: Hierzu liegen dem Senat keine Erkennt- nisse vor. 12. Wie lange dauert die durchschnittliche Bearbei- tungszeit von Anträgen auf Übernahme von Bestattungskosten durch die Bezirksämter (bitte die durchschnittliche Bearbeitungsdauer seit 2004 nach Jahren und Bezirken aufschlüsseln)? Zu 12.: Hierzu liegen keine Angaben vor. 13. Inwiefern verzögert sich die Kostenübernahme durch die Sozialämter unverhältnismäßig lange dadurch, dass das Land Berlin nach § 16 Bestattungsgesetz sogar Verwandte zweiten Grades zur Übernahme der Bestattungskosten heranzieht und sich die Prüfung des Antrages dadurch in die Länge zieht? Zu 13.: § 16 des Berliner Bestattungsgesetzes regelt, welche Angehörigen in welcher Reihenfolge verpflichtet sind, eine Bestattung zu veranlassen. War eine ordnungsbehördliche Bestattung vom Bezirksamt zu veranlassen, sind diese Bestattungspflichtigen zu ermitteln. Erst wenn diese feststehen und ihre Zahlungsunfähigkeit vortragen, ist zu prüfen, ob eine Kostenübernahme nach § 74 SGB XII in Betracht kommt. 14. Wie häufig haben die Berliner Sozialämter und Jobcenter Leistungsberechtigte dazu gedrängt, ihre Sterbegeldversicherungen aufzulösen und als „verwertbares“ Vermögen für den eigenen Lebensunterhalt einzusetzen (bitte nach Jahren und Bezirken aufschlüsseln)? Zu 14.: Hierüber gibt es keine Angaben. 3 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 786 15. Inwiefern greifen Berliner Sozialämter auf Gelder zurück, die Verstorbene in Form eines Grabpflege – oder Bestattungsvorsorgevertrages zu Lebzeiten geschlossen haben? Zu 15.: Bei der Höhe der Kosten, die nach § 74 SGB XII zu gewähren sind, sind diese Gelder als vorrangig einzusetzende eigene Mittel zu berücksichtigen. 16. Sieht der Senat eine würdige Bestattung – auch für arme, mittellose Berlinerinnen und Berliner – durch die derzeitige Höhe der Pauschale und die Bewilligungspraxis in den Sozialämtern gewährleistet? Falls nein, sieht er hier Handlungsbedarf? Zu 16.: Ja. 17. Plant der Senat eine Überarbeitung der Ausfüh- rungsvorschriften über Bestattungskosten nach § 74 SGB XII (AV- Soz – Bestattungskosten) vom 14. September 2007, welche zum 30. Juni 2012 außer Kraft getreten sind, und wenn ja, welche Änderungen will der Senat hier zu welchem Zeitpunkt vornehmen? Zu 17.: Die überarbeiteten AV – Soz – Bestattungs- kosten sollen noch im laufenden Jahr in Kraft treten. Die wesentlichen Änderungen ergeben sich aus der Beachtung und Einarbeitung der höchstrichterlichen Rechtsprechung in den vergangenen Jahren seit 2007. 18. Aufgrund welcher Datensätze bzw. Unterlagen wurden vorstehende Fragen beantwortet und inwieweit wäre es möglich, diese (ggf. in aufbereiteter Form) auf dem Berliner Open – Data – Portal einzustellen und fortlaufend zu aktualisieren? Zu 18.: Die mit dieser Anfrage erbetenen Angaben sind ausschließlich für die Beantwortung dieser Anfrage zusammengestellt worden. Eine Einstellung dieser Daten in das Open – Data – Portal des Landes Berlin wird derzeit nicht erwogen. Berlin, den 28. August 2012 In Vertretung Michael B ü g e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Sep. 2012) 4