Drucksache 17 / 10 796 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Simon Weiß (PIRATEN) vom 26. Juli 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Juli 2012) und Antwort Beratungshilfe in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. In wie vielen Fällen wurde Bürgern und Bür- gerinnen des Landes Berlin in den Berliner Amtsgerichten seit 2007 Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz (BerHG) gewährt bzw. nicht gewährt? Bitte Aufschlüsselung nach Amtsgerichtsbezirken und Jahren. 2. Wie viele Anträge wurden dabei jeweils persönlich bzw. schriftlich von Beratungshilfesuchenden bzw. Rechtsanwälten/Rechtsanwältinnen (vor bzw. nach erfolgter Beratung) gestellt und wie verteilt sich das auf die verschiedenen Rechtsgebiete? Zu 1. und 2.: In Berlin wurde den Rechtsuchenden auf ihren unmittelbaren Antrag hin in den Jahren 2007 bis 2011 in folgender Anzahl Beratungshilfe bewilligt und ein Berechtigungsschein erteilt: 2007: 31.279 2008: 26.398 2009: 30.348 2010: 36.146 2011: 34.541 Auf einen mit anwaltlicher Hilfe gestellten Antrag wurde Beratungshilfe in folgendem Umfang bewilligt: 2007: 16.329 2008: 14.528 2009: 11.398 2010: 12.158 2011: 9.689 Die Anträge auf Beratungshilfe wurden in folgender Anzahl schriftlich zurückgewiesen: 2007: 2.277 2008: 2.722 2009: 4.966 2010: 5.497 2011: 5.744 Eine Übermittlung oder Ablehnung eines Ersuchens gemäß § 10 Abs. 3 BerHG erfolgte in folgender Anzahl: 2007: 1.194 2008: 793 2009: 71 2010: 3 2011: 2 Wegen der erbetenen Aufschlüsselung der Daten nach Amtsgerichtsbezirken und Jahren nehme ich auf die als Anlage beigefügte Aufstellung Bezug. Die Verteilung der Beratungshilfeanträge auf die verschiedenen Rechtsgebiete wird statistisch nicht erfasst, weshalb hierzu keine Angaben möglich sind. 3. Existieren für 2007 bis 2011 statistische Daten über die Antragstellenden? Wenn ja, bitte Angaben, z. B. Alter, Geschlecht, Nationalität, wirtschaftlicher Hintergrund (ALG II, Sozialleistungen, Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz). Zu 3.: Es existieren keine statistischen Daten über Alter, Geschlecht, Nationalität oder die sonstigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellenden . 4. Liegen in allen Amtsgerichten Berlins die Hinweisblätter zur Gewährung von Beratungshilfe („Justiz in Berlin informiert“/Senatsverwaltung für Justiz) für die Rechtsuchenden aus bzw. werden die Rechtssuchenden von den Rechtspflegern und Rechtspflegerinnen über das Hinweisblatt und über die Möglichkeit der Erinnerung nach § 6 II BerHG informiert? Zu 4.: In allen Amtsgerichten des Landes Berlin liegen die Hinweisblätter zur Gewährung von Beratungshilfe für die Rechtsuchenden zur Mitnahme aus. Nach Mitteilung der Präsidentinnen und Präsidenten der Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 796 Amtsgerichte ist es darüber hinaus einheitliche Praxis in allen Amtsgerichten, dass der Antrag auf Verlangen schriftlich aufgenommen wird. Vielfach wird auf diese Möglichkeit auch ausdrücklich aufmerksam gemacht. Sofern eine ablehnende Entscheidung schriftlich ergeht, wird ihr teilweise eine schriftlich abgefasste Rechtsmittelbelehrung beigefügt; in anderen Fällen werden die Antragstellerinnen und Antragsteller - ggf. aber nur auf Nachfrage - auf die Möglichkeit des Rechtsbehelfs hingewiesen . Die unterschiedliche Handhabung beruht darauf, dass eine Rechtsmittelbelehrung gesetzlich nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist. 5. Wie viel Geld gab Berlin für die Beratungshilfe in den Jahren 2007, 2008, 2009, 2010 und 2011 aus? Zu 5.: 2007: ca. 4,933 Mio. EUR 2008: ca. 3,670 Mio. EUR 2009: ca. 3,445 Mio. EUR 2010: ca. 3,959 Mio. EUR 2011: ca. 3,850 Mio. EUR 6. Existieren Kriterien für die Rechtspfleger/-innen zum Umgang mit Anfragen der Rechtssuchenden in Abgrenzung zur Rechtsberatung? Welche Kriterien werden bei den Antragsprüfungen durch die Rechtspfleger/- innen herangezogen, z. B. wirtschaftliche Kriterien (Bescheide , Kontoauszüge), Persönlichkeitskriterien (Bildungsstand , Migrationshintergrund), etc.? Zu 6.: Die Amtsgerichte sind auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 BerHG lediglich befugt, selbst Beratungshilfe zu gewähren, soweit einem Anliegen durch eine sofortige Auskunft, einen Hinweis auf andere Möglichkeiten für die Hilfe oder die Aufnahme eines Antrags oder einer Erklärung entsprochen werden kann. Eine darüber hinausgehende Rechtsberatung im Sinne von § 2 Abs. 1 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG), die eine rechtliche Prüfung des konkreten Einzelfalls voraussetzt, findet deshalb nicht statt. Solche Beratungen sind kraft Gesetzes den rechtsberatenden Berufen vorbehalten. Verbindliche Vorgaben in Form von Dienstanweisungen im Hinblick auf den Umfang der zulässigen Beratungshilfe bestehen allerdings nicht. Da die mit der Bearbeitung der Beratungshilfesachen betrauten Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger ihre Aufgabe in sachlicher Unabhängigkeit wahrnehmen und nach § 9 Rechtspflegergesetz nur an Recht und Gesetz gebunden sind, obliegt es ihnen, den zulässigen Umfang einer Beratungshilfe im Einzelfall selbst zu bestimmen. Bei der Prüfung von Anträgen auf Beratungshilfe haben die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger die sich aus dem Beratungshilfegesetz ergebenden gesetzlichen Voraussetzungen und insbesondere zu prüfen, ob die Rechtsuchenden die für die Wahrnehmung ihrer Rechte erforderlichen Mittel nach ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht aufbringen können (§ 1 Nr. 1 BerHG). Nur insoweit haben die Rechtsuchenden ihre wirtschaftlichen Verhältnisse durch Vorlage beispielsweise von Bescheiden - in Einzelfällen auch durch Vorlage von Kontoauszügen - glaubhaft zu machen (§ 4 Abs. 2 Satz 3 BerHG). Die nicht weisungsgebundenen Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger entscheiden dabei nach eigenem Ermessen, welche Belege zum Nachweis der Bedürftigkeit erforderlich sind. Sonstige Kriterien (Bildungsstand, Migrationshintergrund etc.) sind für die Entscheidung unerheblich; sie werden weder abgefragt noch der Entscheidung zu Grunde gelegt. 7. Aus welchen Gründen wurden Anträge auf Beratungshilfe jeweils abgelehnt? Bitte Aufschlüsselung nach oben abgefragten Kriterien. Wie oft und warum wurde von einer mutwilligen Rechtewahrnehmung im Sinne von § 1 I BerHG ausgegangen? Wann wird davon ausgegangen, dass die Rechtewahrnehmung innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens stattfindet - ist dies insbesondere bereits beim Stellen einer Strafanzeige der Fall, die nicht zwangsläufig ein Gerichtsverfahren nach sich zieht? Zu 7.: Es liegen keine statistischen Angaben darüber vor, aus welchen Gründen Anträge auf Beratungshilfe jeweils abgelehnt wurden. 8. Wie viele Erinnerungen nach § 6 II BerHG wurden eingelegt, wie vielen davon wurde abgeholfen bzw. stattgegeben? Wie viele Dienstaufsichtsbeschwerden in Bezug auf Entscheidungen zur Beratungshilfe wurden eingelegt? Zu 8.: Es liegen weder statistische Erhebungen über die Anzahl der im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Beratungshilfe eingelegten Dienstaufsichtsbeschwerden noch darüber vor, in wie vielen Fällen Erinnerungen nach § 6 Abs. 2 BerHG eingelegt worden sind und in wie vielen Fällen eine Erinnerung erfolgreich war. 9. Es ist derzeit unter Drucksache 17/2164 ein Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung der Beratungshilfe anhängig. Welche Position vertritt der Senat zu diesem Gesetzesentwurf? Zu 9.: Der Senat unterstützt diesen Gesetzentwurf. 10. Erhofft sich der Senat bei einer Umsetzung des Entwurfs Einsparungen bei der Beratungshilfe? Wenn ja, in welcher Höhe? Zu 10.: Ob es bei einer Umsetzung des in Frage 9 genannten Entwurfes zu Einsparungen kommt und wenn ja, in welcher Höhe, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehen. In der Begründung zu diesem Gesetzentwurf ist allerdings die Rede davon, dass die Neuregelung für die Länder wesentliche Einsparungen zur Folge haben würde. Zwar würden die Änderungen die Prüfungs- und Dokumentationstätigkeit der Gerichte sowohl im Bereich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Rechtsuchenden als auch im Bereich der 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 796 sonstigen Voraussetzungen der Beratungshilfe intensivieren . Auch würde im Bereich der Bezirksrevisoren und im richterlichen Bereich der Amtsgerichte durch die Einführung eines Erinnerungsrechts der Staatskasse ein zusätzlicher Vollzugs-aufwand anfallen. Letzterer sei jedoch begrenzt, da die Neuregelung lediglich eine stichprobenartige Überprüfung der Beratungshilfebewilligungen erfordere. Insgesamt werde der entstehende Vollzugsaufwand durch die zu erwartenden Einsparungen mehr als aufgewogen. 11. Inwieweit teilt der Senat die Einschätzung, dass es in der derzeitigen Praxis eine Lücke zwischen Beratungsund Prozesskostenhilfe gibt, z. B. beim Verfassen eines Prozesskostenhilfeantrags und einer Klageschrift durch einen Anwalt/eine Anwältin ohne Vorfinanzierung durch den Rechtsuchenden oder bei der Vertretung im Strafverfahren für Opfer von Straftaten (z. B. Antragstellung nach Opferschutzgesetzen gemäß §§ 395, 403, 406 h StPO)? Zu 11.: Der Senat teilt diese Einschätzung nicht. Berlin, den 18. September 2012 Thomas Heilmann Senator für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Sep. 2012) 3 Beratungshilfeverfahren 2007 - 2011 Jahr 2007 Stand: 31. Juli 2012 Erledigungen von Angelegenheiten nach dem Beratungshilfegesetz Gesamt CH HS KÖ LB MI NK PW SB SP TK TG WE Berechtigungsschein erteilt auf unmittelbaren Antrag der/des Rechtsuchenden 31.279 1.618 2.228 1.322 2.887 2.609 7.140 724 3.337 2.940 1.404 1.156 3.914 Beratungshilfe bewilligt und/oder Berechtigungsschein erteilt auf einen mit anwaltlicher Hilfe gestellten Antrag 16.329 839 1.434 814 486 1.121 2.301 673 1.977 1.150 1.582 618 3.334 Antrag auf Beratungshilfe schriftlich zurückgewiesen 2.277 235 929 109 115 0 56 52 62 101 436 122 60 Übermittlung oder Ablehnung eines Ersuchens gem. § 10 Abs. 3 BerHG 1.194 0 1 0 0 0 0 0 0 0 1.193 0 0 Jahr 2008 Erledigungen von Angelegenheiten nach dem Beratungshilfegesetz Gesamt CH HS KÖ LB MI NK PW SB SP TK TG WE Berechtigungsschein erteilt auf unmittelbaren Antrag der/des Rechtsuchenden 26.398 2.097 1.396 1.021 2.943 1.383 4.555 1.068 3.440 3.073 1.199 999 3.224 Beratungshilfe bewilligt und/oder Berechtigungsschein erteilt auf einen mit anwaltlicher Hilfe gestellten Antrag 14.528 631 1.599 524 917 878 1.617 451 1.899 1.004 1.060 598 3.350 Antrag auf Beratungshilfe schriftlich zurückgewiesen 2.722 194 753 255 115 10 63 90 55 158 727 189 113 Übermittlung oder Ablehnung eines Ersuchens gem. § 10 Abs. 3 BerHG 793 0 0 0 0 0 0 0 0 0 793 0 0 Jahr 2009 Erledigungen von Angelegenheiten nach dem Beratungshilfegesetz Gesamt CH HS* KÖ LB MI NK PW SB SP TK TG WE Berechtigungsschein erteilt auf unmittelbaren Antrag der/des Rechtsuchenden 30.348 2.443 1.409 4.930 630 5.239 1.767 4.017 2.324 1.993 1.461 4.135 Beratungshilfe bewilligt und/oder Berechtigungsschein erteilt auf einen mit anwaltlicher Hilfe gestellten Antrag 11.398 973 571 1.426 425 2.156 321 1.507 513 1.382 414 1.710 Antrag auf Beratungshilfe schriftlich zurückgewiesen 4.966 224 113 1.809 18 24 419 122 84 1.684 250 219 Übermittlung oder Ablehnung eines Ersuchens gem. § 10 Abs. 3 BerHG 71 0 4 0 3 0 0 0 44 20 0 0 CH = Charlottenburg; HS = Hohenschönhausen; KÖ = Köpenick; LB = Lichtenberg; MI = Mitte; NK = Neukölln; PW = Pankow-Weißensee; SB = Schöneberg; SP = Spandau; TK = Tempelhof-Kreuzberg; TG = Tiergarten; WE = Wedding HS* = Verfahren der Zweigstelle Hohenschönhausen wurde beim Amtsgericht Lichtenberg mitgezählt Jahr 2010 Stand: 31. Juli 2012 Erledigungen von Angelegenheiten nach dem Beratungshilfegesetz Gesamt CH HS* KÖ LB MI NK PW SB SP TK TG WE Berechtigungsschein erteilt auf unmittelbaren Antrag der/des Rechtsuchenden 36.146 2.760 1.075 4.788 383 5.638 2.187 4.535 3.531 3.807 1.329 6.113 Beratungshilfe bewilligt und/oder Berechtigungsschein erteilt auf einen mit anwaltlicher Hilfe gestellten Antrag 12.158 793 523 1.586 233 2.387 364 1.653 742 1.564 404 1.909 Antrag auf Beratungshilfe schriftlich zurückgewiesen 5.497 176 193 2.101 15 35 678 398 252 1.074 350 225 Übermittlung oder Ablehnung eines Ersuchens gem. § 10 Abs. 3 BerHG 3 2 1 Jahr 2011 Erledigungen von Angelegenheiten nach dem Beratungshilfegesetz Gesamt CH HS* KÖ LB MI NK PW SB SP TK TG WE Berechtigungsschein erteilt auf unmittelbaren Antrag der/des Rechtsuchenden 34.541 2.838 912 3.965 513 6.574 1.511 4.155 3.651 4.126 1.277 5.019 Beratungshilfe bewilligt und/oder Berechtigungsschein erteilt auf einen mit anwaltlicher Hilfe gestellten Antrag 9.689 633 493 1.247 192 2.146 206 1.009 503 1.578 345 1.337 Antrag auf Beratungshilfe schriftlich zurückgewiesen 5.744 203 87 1.266 295 117 944 435 325 1.344 452 276 Übermittlung oder Ablehnung eines Ersuchens gem. § 10 Abs. 3 BerHG 2 0 0 0 1 0 0 0 0 0 1 0 CH = Charlottenburg; HS = Hohenschönhausen; KÖ = Köpenick; LB = Lichtenberg; MI = Mitte; NK = Neukölln; PW = Pankow-Weißensee; SB = Schöneberg; SP = Spandau; TK = Tempelhof-Kreuzberg; TG = Tiergarten; WE = Wedding HS* = Verfahren der Zweigstelle Hohenschönhausen wurde beim Amtsgericht Lichtenberg mitgezählt ka17-10796 ka17-10796Anlage