Drucksache 17 / 10 805 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Alexander Spies (PIRATEN) vom 31. Juli 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. August 2012) und Antwort Energiearmut in Berlin: Strom- und Gassperren – Nachfragen zur Kleinen Anfrage 17/10596 Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Aufgrund welcher Datenbasis schätzt der Senat die jährliche Anzahl der Stromsperren in Berlin (bitte Datenbasis und Schätzverfahren erläutern)? Zu 1.: Der Stromnetzbetreiber im Berliner Versor- gungsgebiet, Vattenfall Europe Distribution, führt die Sperrungen operativ durch, die die Stromlieferanten (in Berlin mehr als 300) in Auftrag geben. Eine statistische Erfassung über Sperrungen der Stromlieferungen bei den Tarifkunden erfolgt bei Vattenfall Europe Distribution nicht. 2. Aufgrund welcher Datenbasis kommt der Senat zu der Aussage, dass eine Stromsperre erfahrungsgemäß nach maximal fünf Tagen wieder beendet würde und 80 Prozent der Tarifkunden nach zwei Tagen wieder Zugang zur Anschlussnutzung erhalten würden (bitte Erfahrungswissen des Senats und die entsprechende Datengrundlage erläutern)? Zu 2.: Eine entsprechende Datengrundlage über die Dauer der Stromsperren liegt dem Senat nicht vor. Die Erfahrungswerte beruhen auf Angaben des Netzbetreibers , der im Auftrag der Energielieferanten die Stromsperrung aufhebt. 3. Aufgrund welcher Datenbasis kommt der Senat zu der Aussage, dass eine Gassperre im Regelfall innerhalb von einer Woche aufgehoben würde (bitte Datenbasis erläutern)? Zu 3.: Eine Statistik über die Aufhebung von Gas- sperren wird nicht geführt. Der in der Kleinen Anfrage Nr. 17/10596 zu Frage 2 angegebene Richtwert von ca. einer Woche basiert auf Erfahrungswerten des Netzbetreibers . 4. Wie lange dauert es im Durchschnitt bzw. im Regelfall, bis die Berliner Jobcenter und Sozialämter einen Antrag auf Übernahme der Energiekosten bewilli- gen und wie lange dauert es im Durchschnitt bzw. im Regelfall, bis sie den entsprechenden Betrag auch tatsächlich angewiesen haben (bitte nach Jobcentern und Sozialämtern getrennt ausweisen)? Zu 4.: Dem Senat liegen hierzu weder statistische noch anderweitige Erkenntnisse vor. 5. Wie kommt der Senat auf die angegebenen Gebühren für Versorgungsunterbrechung und Wiederinbetriebnahme bei Gasag und Vattenfall (bitte die gültigen Preisübersichten der beiden Grundversorger über die Kosten für die Unterbrechung der Versorgung, die Wiedereinschaltung, für Ratenzahlungsvereinbarungen sowie Inkassogebühren beilegen/verlinken)? Zu 5.: Die Gebühren der Gasag für die Sperrung bzw. Entsperrung des Gaszählers sind veröffentlicht unter: „www.nbbnetzgesellschaft .de/Downloads/ergaenzende_bedingungen_nbb_gasag.pdf“. In einem Preisblatt für Entgelte für Dienstleistungen hat Vattenfall Europe Distribution die Gebühren für Sperrungen und Entsperrungen veröffentlicht. Das Preisblatt ist unter folgendem Link veröffentlicht: „http://www.vattenfall.de/de/distribution/entgelte-netzzugangberlin .htm“. 6. Wie und auf welche Weise informieren sich die beiden Grundversorger Gasag und Vattenfall vor Ausführung einer angedrohten Liefersperrung über das Vorliegen der sozialen Kriterien bei den betroffenen Haushalten (bitte Verfahren erläutern und ggf. Anschreiben /Fragebogen beilegen)? Zu 6.: Eine Information über die soziale Situation von Gaskunden, deren eine Liefersperre von der Gasag angedroht wurde, wird von der Gasag vorab nicht eingeholt. Dass Gaskunden infolge finanzieller Schwierigkeiten ihre Rechnung nicht begleichen können, erfährt die Gasag durch den Kunden selbst oder über eine Schuldnerberatungsstelle bzw. einen Insolvenzverwalter. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 805 Die für den Stromvertrieb zuständige Vattenfall Europe Sales GmbH erhält erst Informationen über die soziale bzw. finanzielle Situation des Kunden, wenn dieser nach Erhalt einer Mahnung bzw. Sperrandrohung Kontakt mit Vattenfall aufnimmt. Die Berücksichtigung sozialer Kriterien bei Gasag und Vattenfall wurde bereits in der Beantwortung der Kleinen Anfrage 17/10596 (siehe Antwort zu 7.) ausführlich dargelegt. 7. Wie verteilen sich die Gassperren in den Jahren von 2004 bis 2011 auf die Monate der jeweiligen Jahre (bitte deren Anzahl nach Monaten aufschlüsseln)? Zu 7.: Nachfolgend die Verteilung der Gassperren in den Jahren 2004 bis 2011 auf die Monate der jeweiligen Jahre: Monat 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Januar 245 317 396 438 420 425 21 198 Februar 435 265 416 420 443 310 18 295 März 379 376 477 385 341 351 218 308 April 409 399 437 404 339 369 554 262 Mai 372 525 573 461 328 319 358 292 Juni 264 441 541 410 415 329 352 65 Juli 313 388 539 399 398 322 237 216 August 456 308 503 408 374 260 214 342 September 368 509 413 382 350 279 178 166 Oktober 393 419 374 479 322 313 191 103 November 389 468 385 330 304 400 220 84 Dezember 238 306 311 227 246 223 186 49 -------------------------------------------------------------------------------------------------------- Gesamt 4261 4721 5365 4743 4280 3900 2747 2380 8. Bei welcher Stelle im Senat können sich Ver- braucher/innen über das Verhalten der Energieversorger beschweren und wo und an welcher Stelle macht der Senat diese Beschwerdemöglichkeit bekannt (bitte Infomaterial beilegen und ggf. zur entsprechenden Internetseite verlinken)? Zu 8.: Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich bei einer Beschwerde gegenüber dem Energieversorgungsunternehmen zunächst direkt an das Unternehmen wenden. Dieses ist nach § 111a Energiewirtschaftgesetz (EnWG) verpflichtet, innerhalb einer Frist von vier Wochen die Verbraucherbeschwerde zu prüfen und den Verbraucherinnen und Verbrauchern das Prüfergebnis schriftlich oder elektronisch mitzuteilen. Im Falle einer Nichteinigung zwischen den Ver- braucherinnen und Verbrauchern und dem Energieversorgungsunternehmen besteht die Möglichkeit, die im Oktober 2010 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz nach § 111b EnWG anerkannte Schlichtungsstelle Energie e.V. anzurufen . Das Schlichtungsverfahren, auf das das Energieversorgungsunternehmen bei einer für die Verbraucherinnen und Verbraucher negativen Entscheidung hinweisen muss, wird von einem unabhängigen und neutralen Gremium durchgeführt und ist für die Verbraucherinnen und Verbraucher kostenfrei. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 8 und 9 der Kleinen Anfrage 17/10596 vom 13. Juli 2012 verwiesen . 9. Wie kommt der Senat zu der Aussage, dass der Stromkostenanteil im Regelsatz bedarfsdeckend sei, da dies doch offenkundig nicht so ist, wie erst kürzlich der Paritätische Wohlfahrtsverband im Rahmen einer Kurz- expertise nachgewiesen hat (vgl. Der Paritätische: Stromkosten im Regelsatz: Modellrechnungen und Graphiken. 5. Juni 2012. Berlin, URL: http://www.haraldthome .de/media/files/Expertise_Strom_RS_2012_T.pdf)? 10. Hat der Senat irgendein Problembewusstsein für das Thema „Energiearmut“, welches seit Anfang 2008 auch auf Bundesebene diskutiert wird, und sieht er hier Handlungsbedarf im Land Berlin? Zu 9. und 10.: Wie in Nummer 14 der Kleinen Anfrage 17/10596 bereits dargelegt, handelt es sich bei dem Regelsatz um einen monatlich bundeseinheitlichen Pauschalbetrag zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts , über dessen Verwendung die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich entscheiden. Da mit der Entscheidung des Gesetzgebers, welche Verbrauchsausgaben im Regelsatz berücksichtigt werden, nicht die individuelle Entscheidung jedes Leistungsberechtigten über die Verwendung des Regelsatzes vorweg genommen wird, müssen Mehrausgaben im Bereich der Aufwendungen für Energie im Vergleich zu den eingerechneten Durchschnittsausgaben zu Minderausgaben in anderen Bereichen führen. Inhalt und Höhe des Regelsatzes sind bundesrechtlich geregelt. Aufgrund der bundesgesetzlichen Regelung scheiden weitere Maßnahmen im SGB II und im SGB XII aus. Berlin, den 16. August 2012 In Vertretung Christoph v o n K n o b e l s d o r f f …………………………………………… Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. August 2012) 2