Drucksache 17 / 10 809 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. der Abgeordneten Dr. Susanna Kahlefeld (GRÜNE) vom 02. August 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. August 2012) und Antwort Wirksame Maßnahmen gegen Islamophobie? Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele fremdenfeindliche Anschläge auf Moscheen gab es in den Jahren 2006 – 2011 in Berlin? (Bitte nach Jahren, Art des fremdenfeindlichen Anschlags und Moschee auflisten) Zu 1.: Grundlage für die Beantwortung bildet der „Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK). Dabei handelt es sich entgegen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) um eine Eingangsstatistik. Die Fallzählung erfolgt tatzeit- bezogen, unabhängig davon, wann das Ermittlungsverfah- ren an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde. Die statistischen Angaben stellen keine Einzelstrafta- ten der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) dar. Bei der Darstellung handelt es sich um Fallzahlen. Ein Fall bezeichnet jeweils einen Lebenssachverhalt in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit identischer oder ähnlicher Motivlage, unabhängig von der Zahl der Tatverdächtigen, Tathandlungen bzw. An- zahl der verletzten Rechtsnormen. Fremdenfeindliche Anschläge gewalttätiger Art auf Moscheen, wie Sprengstoffanschläge, haben sich im Be- trachtungszeitraum 2006 bis 2011 in Berlin nicht ereignet. Es wurden insgesamt zehn politisch motivierte Strafta- ten zum Nachteil von Moscheen registriert. Diese verteil- ten sich wie folgt: Jahr Delikt Betroffene Moschee 2006 Beleidigung Bayezid Camii Moschee Volksverhetzung Aksemseddin Moschee Volksverhetzung Yunus-Emre-Moschee 2007 Brandstiftung AHMADIYYA e.V. Sachbeschädigung AHMADIYYA e.V. Beleidigung Türkische-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. Sachbeschädigung Sehitlik Moschee Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. 2008 Sachbeschädigung AHMADIYYA e.V. Verwenden von Kennzeichen verfassungswidri- ger Organisationen AHMADIYYA e.V. 2009 ./. ./. 2010 Verwenden von Kennzeichen verfassungswidri- ger Organisationen Hicrit Camii Moschee 2011 ./. ./. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 809 2 Abseits der politisch motivierten Delikte erfolgte von Mai/ Juni 2010 bis zum Januar 2011 eine Serie von Brandanschlägen (13 nachgewiesene Fälle) zum Nachteil mehrerer Berliner Moscheen. Überwiegend betroffen war die SEHITLIK-Moschee am Columbiadamm. Dazu konnte nach intensiven Ermittlungen ein zur Tatzeit 31-jähriger deutscher Staatsangehöriger festge- nommen werden, der in der Folge zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt wurde. An- schließend soll die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung erfolgen. Nach Einschätzung des Gerichts leidet der Mann unter psychischen Störungen. Ein fremdenfeindliches Motiv stellte das Gericht nicht fest. 2. Welche Konzepte verfolgt der Berliner Senat zum Schutz der Moscheen? Zu 2.: Konkrete Maßnahmen zum Schutz einer Mo- schee werden dem Einzelfall angemessen veranlasst. Voraussetzung bildet eine entsprechende Gefährdungs- bewertung der Polizei Berlin. Der Schutz kann durch eine Vielzahl von Maßnah- men, die sinnvoll untereinander abzustimmen sind, ge- währleistet werden. Hierunter fallen beispielhaft Objekt- schutzmaßnahmen, Streifentätigkeiten und Beratungen zur Gebäudesicherheit. Bei besonderen Anlässen, wie beispielsweise bei reli- giösen Festen oder Trauerfeiern, können die Schutzmaß- nahmen erforderlichenfalls kurzfristig verstärkt werden. Durch regelmäßigen und vertrauensvollen Kontakt mit den Betroffenen (siehe Antwort zur Frage 3.) wird die Sensibilität für sicherheitsrelevante Informationen gegen- seitig erhöht. 3. Welche Konzepte verfolgt der Berliner Senat zur Bekämpfung von Islamophobie? Zu 3.: Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sind Probleme , die in unterschiedlicher Ausprägung alle gesellschaftlichen Gruppen betreffen. Islamophobie (oder auch „Islamfeindlichkeit“ bzw. „antimuslimischer Rassismus“) bezeichnet die Abwertung von Muslimen und die Feindseligkeit ihnen gegenüber aufgrund von Vorurteilen, Zuschreibungen und rassistischen Weltbildern. Als Bestandteil des Syndroms „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ (Heitmeyer) ist die Bekämpfung von Islamfeindlichkeit auch Element des Förderkanons des Landesprogramms gegen Rechtsextremismus, Ras- sismus und Antisemitismus bei der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen. Entsprechend der neuen Leitlinien des Landesprogramms werden im Handlungs- feld „Stärkung von Demokratie und Menschenrechten“ deshalb unter anderem Projekte wie das „Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin“ des Trägers „Türkischer Bund Berlin-Brandenburg (tbb) eingetragener Verein“ finanziell gefördert. Der Verfassungsschutz informiert und sensibilisiert die Öffentlichkeit über islamfeindliche Äußerungen und Aktivitäten von extremistischen Organisationen oder Gruppierungen, bei denen Anhaltspunkte für den Ver- dacht von extremistischen Bestrebungen vorliegen. So wurde das Thema in den Verfassungsschutzberichten 2010 und 2011 aufgegriffen. Im Bericht von 2010 wurde erläutert, wie die Natio- naldemokratische Partei Deutschlands (NPD) das Thema zu Propagandazwecken aufnahm. 2011 wurde die Thema- tisierung während des Wahlkampfes zum Berliner Abge- ordnetenhaus dargestellt. Bei der Polizei Berlin ist die lokale Netzwerkarbeit mit etwa achtzig Moscheevereinen und über hundert lokal oder überörtlich agierenden Migrantenselbstorganisatio- nen fest institutionalisiert und zu einem integralen Be- standteil der polizeilichen Arbeit geworden. 4. Was unternimmt der Senat um islamische Verbände und Organisationen als Träger für soziale Einrichtungen zu gewinnen und dadurch das Bild dieser Einrichtungen in der Öffentlichkeit zu verbessern? Zu 4.: Verbände und Organisationen werden unab- hängig von ihrer religiösen oder weltanschaulichen Aus- richtung aufgrund fachlicher Eignung und unter Berück- sichtigung der einschlägigen haushaltsrechtlichen Best- immungen als Träger für soziale Einrichtungen ausge- wählt. Berlin, den 22. November 2012 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Jan. 2013)