Drucksache 17 / 10 817 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Turgut Altug (GRÜNE) vom 01. August 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. August 2012) und Antwort Eichenprozessionsspinner: Ist Berlin dagegen gut gerüstet? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie ist die aktuelle Verbreitung von Eichen- prozessionsspinnern in den Berliner Bezirken? 2. Welche Maßnahmen zur Bekämpfung wurden bis jetzt ergriffen? 9. Wie werden Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, Kinder bzw. Schülerinnen und Schüler vor allem in den betroffenen Bezirken über den Schädling und die von ihm ausgehenden Gesundheitsgefahren sowie Schutzmaßnahmen informiert? 10. Wie schätzt der Senat die weitere Entwicklung der Problematik ein? Zu 1., 2., 9. und 10.: Der Eichenprozessionsspinner (EPS) ist ein Schmetterling, der gesundheitliche Bedeutung für den Menschen hat. Seine heranwachsenden Raupen bilden ab dem dritten Larvenstadium (Ende Mai/Anfang Juni) feine Brennhaare aus, die starken Juckreiz der Haut sowie Reizungen der Augen und der Atemwege verursachen können. Insbesondere dort drohen gesundheitliche Gefahren für den Menschen, wo die Raupennester in unmittelbarer Nähe von Erholungs-, Grün- und Sportanlagen, Kindertagesstätten, Schulen, Badegewässern und Freibädern, Wohnanlagen sowie Wegen in den Berliner Forsten, zu finden sind. Gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Stadtent- wicklung und Umwelt, dem Pflanzenschutzamt Berlin und den Berliner Forsten hatte die für Gesundheit zuständige Senatsverwaltung bereits im April 2011 einen Flyer veröffentlicht, in dem neben umfassenden Informationen zur Lebensweise des Eichenprozessionsspinners und der von ihm ausgehenden Gefahren für alle Einwohnerinnen und Einwohner des Landes Berlin auch Hinweise zu Vorsichtsmaßnahmen und zur Bekämpfung enthalten sind. Darüber, ob die für die Durchführung von Bekämpfungsmaßnahmen zuständigen Bezirke zusätzlich Informationen an spezielle Personenkreise herausgegeben haben, liegen keine Informationen vor. Der Befall des EPS in Berlin hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Lag der Schwerpunkt des Befalls in Berlin anfänglich in den westlichen Stadtbezirken wie Steglitz-Zehlendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf , Spandau und Reinickendorf, so breitet sich der EPS zunehmend über das ganze Stadtgebiet aus. Damit nimmt sowohl das Gefährdungspotenzial gegenüber der Bevölkerung als auch gegenüber (Straßen-) Bäumen (Eichen) zu, von deren Blättern sich der EPS ernährt. Es ist davon auszugehen, dass vor diesem Hintergrund ein lokales Vorgehen – die für die Bekämpfungsmaßnahmen zuständigen Bezirke haben bisher ganz überwiegend mechanische Bekämpfungsmethoden angewendet (absaugen , abbrennen) – wie in der Vergangenheit nicht mehr ausreicht. Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales hat am 17. Juli 2012 dem Senat mit einer Besprechungsunterlage eine umfangreiche Bestandsaufnahme vorgelegt und angekündigt, in Berlin ein einheitliches fachliches Vorgehen festzulegen. Unter der Leitung der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales wird eine zeitlich begrenzte, fach- und ressortübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet, in der rechtzeitig vor dem nächsten Schlüpfen der Raupen (zum Zeitpunkt des Neuaustriebs der Eichen im April 2013) ein einheitliches Vorgehen im Land Berlin besprochen und festgelegt werden soll. Dazu gehört auch die Entscheidung darüber, ob zur effektiven Bekämpfung und auch aus Kostengründen von Ende April bis ca. 20. Mai 2013 von Bodengeräten aus der EPS mit einem Biozid bekämpft werden kann. 3. Wie ist der Schutz der Berlinerinnen und Berlinern organisiert? Gibt es auch für Berlin-Besucherinnen und - Besucher, die nicht Deutsch können, die Möglichkeit sich über die Gefahren dieses Schädlings auf Englisch zu informieren? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 817 Zu 3.: Entdeckte Nester des Eichenprozessions- spinners werden den bezirklichen Gesundheits- oder Grünflächenämtern gemeldet. Die Gesundheitsämter führen im Verdachtsfall eine Gefährdungsanalyse durch. Ist die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet, fordert das Gesundheitsamt die Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer oder die Vermögensträgerin und den Vermögensträger auf, den Eichenprozessionsspinner auf eigene Rechnung beseitigen zu lassen. Wird die Eigentümerin oder der Eigentümer nicht unverzüglich tätig, kann das Gesundheitsamt eine Ersatzvornahme auf Kosten der Eigentümerin oder des Eigentümers durchführen . Beseitigungsarbeiten sind nur von qualifizierten Schädlingsbekämpfungs- bzw. Garten- und Landschaftsbau -Unternehmen durchzuführen. Informationsmöglichkeiten über den EPS in anderen Sprachen sind derzeit nicht verfügbar. Allerdings werden vor befallenen Parks oder Waldbeständen Hinweisschilder aufgestellt, die mit einem roten Warndreieck auf weißem Untergrund universell-verständlich auf die Gefahr hinweisen. Darüber hinaus wird der Gefahrenbereich mit Absperrbändern gesichert. 4. Wie werden die Bezirke bzw. Gesundheits- und Grünflächenämter bei der Bekämpfung dieses Schädlings vom Senat unterstützt? Gibt es personelle bzw. finanzielle Unterstützung? Zu 4.: Das Pflanzenschutzamt Berlin steht seit 2004 in regem Informationsaustausch mit den Leitungen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Grünflächenämter der Bezirke und informiert diese regelmäßig über die Entwicklung der Ausbreitung, Schwerpunkte des Auftretens des Eichenprozessionsspinners und gibt eine Prognose für das Folgejahr ab. Dabei wird auch auf Entwicklungsverlauf und die für die jeweiligen Standorte am besten geeigneten Maßnahmen zur Regulierung hingewiesen . Unterschiedliche Bekämpfungsmöglichkeiten werden analysiert und verglichen, Informationen aus nationalen und internationalen Erfahrungen werden weitergegeben, dabei werden die unterschiedlichen Herangehensweisen auf forstlichen und städtischen Flächen berücksichtigt. Darüber hinaus führt das Pflanzenschutzamt mit den Grünflächenämtern, den Berliner Forsten, dem Fachverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Berlin und Brandenburg e. V. sowie dem Landesverband Berlin des Deutschen Schädlingsbekämpfer-Verbandes e. V. jährlich gemeinsame Strategiegespräche durch. Derzeit wird eine Abfrage an die Bezirke über den Umfang und die Kosten der Bekämpfungsmaßnahmen vorbereitet. Entscheidungen über das weitere Vorgehen können erst nach Vorliegen und Auswertung einer belastbaren Datenbasis getroffen werden. 5. Werden bei der Bekämpfung konventionelle Insektizide eingesetzt? Wenn ja, wie werden Bürgerinnen und Bürger darüber informiert und ggf. geschützt? Zu 5.: Insektizide werden zur Abtötung, Vertreibung oder Hemmung von Insekten und ihrer Entwicklungsstadien verwendet. Sie werden in der Land- und Forstwirtschaft, im Gartenbau und im Vorratsschutz als Pflanzenschutzmittel und im Hygienebereich sowie im Materialschutz als Biozidprodukte angewendet. Biozidprodukte im Sinne des Biozidrechts sind Zubereitungen, die einen oder mehrere biozide Wirkstoffe enthalten, mit denen Schadorganismen abgeschreckt, unschädlich gemacht oder zerstört werden. Als Schadorganismen werden Insekten, Bakterien, Pilze, Nagetiere, Muscheln, Algen oder Viren bezeichnet, die für den Menschen, seine Tätigkeiten bzw. für Produkte, die er verwendet oder herstellt, oder für Tiere bzw. die Umwelt unerwünscht oder schädlich sind. Durch Biozidprodukte sollen Schädigungen z. B. von Lebensmitteln, Bedarfsgegenständen oder Baumaterialien (Holz) verhindert und die Hygiene in Gebäuden gewährleistet werden (Bundesamt für Risikobewertung; http://www.bfr.bund.de/de/biozidprodukte-236.html). Für Bekämpfungsmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Berlinerinnen und Berliner vor den von den Brennhaaren der Eichenprozessionsspinner ausgehenden Gefahren können nach geltender Rechtslage nur Biozidprodukte eingesetzt werden. Die bestimmungsgemäße und sachgerechte Anwendung der Mittel entsprechend den Gebrauchsanleitungen liegt in der Verantwortung derjenigen, die diese Mittel anwenden. Soweit Bezirksverwaltungen Bekämpfungsmaßnahmen im öffentlichen Raum durchgeführt haben oder Dritte von diesen mit der Durchführung dieser Maßnahmen beauftragt wurden, liegt auch die diesbezügliche Informationspflicht in deren Zuständigkeit und Verantwortung. 6. Welche biologischen Bekämpfungsmittel kommen zum Einsatz? Zu 6.: Wie bereits in der Antwort zu 5. ausgeführt, kommen für Bekämpfungsmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit nach geltender Rechtslage nur Biozidprodukte in Betracht. Diese Produkte können sowohl natürliche als auch chemisch-synthetische Wirkstoffe enthalten. Soweit dem Senat die Anwendung von Biozidprodukten bekannt geworden ist, sind Mittel mit dem Wirkstoff Azadirachtin/Margosa-Extrakt (Handelsprodukt NeemPro®tect) zum Einsatz gekommen; Azadirachtin ist ein Wirkstoff auf Naturstoffbasis und wird aus dem Niembaum (Azadirachta indica) gewonnen. Die Anwendungen erfolgten in einem Bezirk im Auftrag des Bundes an einer Bundesstraße, ansonsten wurde der Eichenprozessionsspinner auf zahlreichen Privatgrundstücken und - einrichtungen mit NeemPro®tect bekämpft. 7. Gibt es einen Austausch bzw. eine Zusammenarbeit mit den Umwelt- und Naturschutzverbänden? Wenn ja, in welcher Form? 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 817 Zu 7.: Die Notwendigkeit eines Informationsaus- tausches bzw. einer Zusammenarbeit auf Senatsebene mit den Umwelt- und Naturschutzverbänden bestand bislang zu diesem Thema nicht, weil die in bezirklicher Zuständigkeit durchzuführenden Bekämpfungsmaßnahmen ausreichend waren und nur in Einzelfällen lokal begrenzt mit Bioziden erfolgten. Im Zuge der Erarbeitung einer einheitlichen Bekämpfungsstrategie im Land Berlin ist allerdings davon auszugehen, dass die Verbände beteiligt werden. 8. Gibt es einen Austausch bzw. eine Zusammen- arbeit mit dem Land Brandenburg? Wenn ja, in welcher Form?. Zu 8.: Ein Informationsaustausch bzw. eine Zusam- menarbeit findet im Rahmen der Fachebene statt. Berlin, den 10. September 2012 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Sep. 2012) 3