Drucksache 17 / 10 829 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 10. August 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. August 2012) und Antwort Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen – Entwicklung und Stand der Dinge Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Seit wann, weshalb und nach welcher Mindestauf- enthaltsdauer werden Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Berlin bevorzugt in Mietwohnungen untergebracht? Zu 1.: Mit den Ausführungsvorschriften über die An- mietung von Wohnraum durch Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AV Wohn-AsylbLG) in der Fassung vom 05. August 2003 wurde geregelt, dass Leistungsberechtigte im Sinne des § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) mit Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG unabhängig von der Anzahl der Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft in der Regel in Wohnungen unterzubringen sind, soweit die Unterbringung in einer Wohnung im konkreten Einzelfall kostengünstiger als die Gemeinschaftsunterbringung ist, keine Verpflichtung zum Aufenthalt in einer Aufnahmeeinrichtung nach den §§ 47 bis 49 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) besteht und der Leistungsanspruch nicht nach § 1a AsylbLG eingeschränkt ist. Bei Leistungsberechtigten mit Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG entfällt der Kostenvergleich mit der Gemeinschaftsunterbringung , da für sie ohnehin die Vorschriften zur Anmietung sozialhilferechtlich angemessenen Wohnraums entsprechend gelten. Bereits mit Schreiben der seinerzeit zuständigen Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz vom 20. Februar 2003 wurden die für das AsylbLG zuständigen Leistungsbehörden aufgefordert, im Vorgriff auf die erwartete Regelung entsprechend zu verfahren. Mit der Erleichterung des Wohnungsbezuges sollte sowohl den Wünschen der betroffenen Personen nach selbst genutztem Wohnraum im Rahmen der verfügbaren Angebote auf dem Wohnungsmarkt entsprochen als auch der notwendige Umfang vorzuhaltender, im Vergleich zu einer Mietwohnung teurerer Plätze in Gemeinschaftsunterkünften reduziert werden. 2. Welche Angemessenheitsgrenzen gelten dabei für die Miethöhe? Zu 2.: Gemäß Nr. 1 Abs. 3 der Ausführungsvor- schriften über die Anmietung von Wohnraum durch Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AV Wohn-AsylbLG) vom 16. Januar 2006 (ABl. S. 266), geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30. August 2006 (ABl. S. 3395) mit Wirkung vom 09. September 2006, welche die in der Antwort zu 1. genannte vorangegangene Fassung vom 05. August 2003 abgelöst haben und gemäß Schreiben der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales über die Weiteranwendung der Ausführungsvorschriften über die Anmietung von Wohnraum durch Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AV Wohn-AsylbLG) vom 25. Januar 2011 bis zum Neuerlass weiter anzuwenden sind, ist die Kostenübernahme der Mietzahlung durch die zuständige Leistungsbehörde sicherzustellen, sofern der Wohnraum sozialhilferechtlich angemessen ist. Um eine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbe- handlung mit anderen hilfebedürftigen Personengruppen zu vermeiden, werden bei der Prüfung, ob der Wohnraum sozialhilferechtlich angemessen ist, die gleichen Kriterien zu Grunde gelegt, die auch für Leistungsberechtigte nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II bzw. SGB XII) gelten. Daher finden insoweit die Regelungen der Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung – WAV) vom 03. April 2012 (GVBl. S. 99) und ergänzend die Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 29 und 34 SGB XII (AVWohnen ) vom 10. Februar 2009 (ABl. S. 502) entsprechende Anwendung. Beide Rechtsquellen sind auf dem Online-Portal der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales unter http://www.berlin.de/sen/soziales/berlinersozialrecht /land/rv/wav.html Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 829 respektive http://www.berlin.de/sen/soziales/berliner- sozialrecht/land/av/av_wohnen.html veröffentlicht. 3. Erfolgt die Unterbringung auf Basis regulärer Miet- verträge nach dem BGB, die von den Betroffenen eigenständig abgeschlossen werden? Zu 3.: Für die Unterbringung durch Kostenübernahme für eine Mietwohnung gelten die Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes gemäß § 535 bis § 580a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). 4. Seit wann und auf welcher Grundlage werden Leistungsberechtigte nach AsylbLG in Berlin im Rahmen einer Kontingentslösung in Mietwohnungen gemeinnütziger Wohnungsbaugesellschaften vermittelt und erfolgt die Unterbringung in Wohnungen daneben weiterhin in von den Betroffenen selbst gefundenen Wohnungen ? Zu 4.: Seit dem 01. Juli 2011 ist der Kooperationsver- trag „Wohnungen für Flüchtlinge“ zwischen dem Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) und den städtischen Wohnungsunternehmen in Kraft. Die Vereinbarung sieht ein jährliches Kontingent von 275 Wohnungen (125 Einzimmer- und 150 Mehrzimmerwohnungen ) vor, womit dazu beigetragen werden soll, dass Flüchtlinge möglichst schnell eine eigene Wohnung beziehen können. Die selbstständige Anmietung privat genutzten Wohnraums durch Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist auch weiterhin möglich. Vorbemerkung zu den Fragen 5. bis 7.: Die Be- antwortung der Fragen 5. bis 7. ist nur durch Auswertung des Datenbestandes möglich, der aus den Angaben resultiert, die von den Leistungsbehörden unter Nutzung der landeseinheitlichen Buchungssoftware erfasst werden. Wegen einer Umstellung dieser Software können die gewünschten Daten nur bis zum Jahr 2009 rückwirkend angegeben werden, da die davor erfassten Daten ganz oder teilweise noch aus früheren PROSOZ/S-Datenbestand stammen und nicht vergleichbar mit den aktuellen Daten aus der Fachsoftware sind. Soweit nicht abweichend angegeben, beziehen sich die Angaben auf die Gesamtheit der in Berlin Leistungen nach dem AsylbLG beziehenden Personen unabhängig von der Anspruchsgrundlage (§ 2 oder § 3 AsylbLG). 5. Wie hoch war und ist der Durchschnittswert für die Unterbringung ohne Verpflegung pro Person in Gemeinschaftsunterkünften in Berlin für Personen, die Leistungen nach AsylbLG erhalten (bitte aufgeschlüsselt auf die Jahre 2004-2011 und getrennt nach a) LaGeSo und b) Bezirken angeben)? Zu 5.: Die Angaben können folgender Übersicht ent- nommen werden (die Angaben beruhen auf dem gewichteten durchschnittlichen Tagessatz in Gemeinschaftsunterkünften ohne Verpflegung und legen 30,4 Tage pro Monat zu Grunde): Stichtag durchschnittliche Kosten/Person/Monat LAGeSo in Euro durchschnittliche Kosten/Person/Monat Bezirke in Euro 31.12.2011 367.- 256.- 31.12.2010 414.- 245.- 31.12.2009 312.- 229.- 6. Wie hoch war und ist der Durchschnittswert für die Kosten pro Person für die Unterbringung ohne Verpflegung in Mietwohnungen für Personen, die Leistungen nach AsylbLG erhalten in Berlin (bitte aufgeschlüsselt auf die Jahre 2004-2011 und getrennt nach a) LaGeSo und b) Bezirken angeben)? Zu 6.: Die Angaben können folgender Übersicht ent- nommen werden: Stichtag durchschnittliche Kosten/Person/Monat LAGeSo in Euro durchschnittliche Kosten/Person/Monat Bezirke in Euro 31.12.2011 249.- 176.- 31.12.2010 241.- 165.- 31.12.2009 108.- 176.- 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 829 7. Wie viele Personen, die Leistungen nach AsylbLG erhalten, wohnen in Berlin in Wohnungen, wie viele davon auf Basis des Vertrages „Wohnungen für Flüchtlinge “ und wie viele in Gemeinschaftsunterkünften (bitte aufgeschlüsselt auf die Jahre 2004-2011 und getrennt nach a) LaGeSo und b) Bezirken angeben)? Zu 7.: Die Angaben können folgender Übersicht entnommen werden (die Angaben beziehen sich auf vertragsgebundene Gemeinschaftsunterkünfte (GU) ohne Erstaufnahmeeinrichtungen); nicht berücksichtigt ist die Anzahl der Personen, die statistisch mit „Art der Unterbringung unbekannt“ (einschließlich mietfreier Unterbringung ) ausgewiesen sind: Unterbringung in GU Unterbringung in Wohnungen Stichtag LAGeSo Bezirke LAGeSo Bezirke 31.12.2011 740 911 512 5.532 31.12.2010 1.513 850 862 6.628 31.12.2009 912 783 823 6.709 Ausweislich der vom LAGeSo erstellten Übersicht wurden bis zum Stichtag 01. August 2012 von den Wohnungsunternehmen , die Partner der in der Frage genannten Kooperationsvereinbarung sind, Angebote für 56 Wohnungen unterbreitet, davon befanden sich zum o. g. Stichtag 23 Angebote in laufender Vermittlung. 8. Wie bewertet der Senat die Folgen der Unter- bringung in Mietwohnungen für die Inklusion in die Aufnahmegesellschaft sowie die physische und psychische Gesundheit der Leistungsberechtigten? Liegen hierzu vergleichende Daten vor und wenn ja, welche? Zu 8.: Da die Nutzung einer Mietwohnung gegenüber der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft mehr Möglichkeiten bietet, im Alltag nachbarschaftliche Kontakte zu pflegen und ein höheres Maß an Eigeninitiative erfordert, ist der Senat der Auffassung, dass diese Wohnform dazu beitragen kann, die Verwurzelung in der Aufnahmegesellschaft zu fördern. Dies setzt voraus, dass alle Mietparteien ungeachtet ihrer Herkunft und Staatsangehörigkeit die in einer Mietgemeinschaft erforderlichen Regeln für ein rücksichtsvolles und nachbarschaftliches Miteinander respektieren. Andererseits kann der Bezug einer Mietwohnung mit einer im Regelfall für die Betroffenen fremden Nachbarschaft auch eine besondere Herausforderung für die Leistungsberechtigten bedeuten, etwa was die deutschen Sprachkenntnisse betrifft, und hinsichtlich der anders als in einer Gemeinschaftsunterkunft vor Ort nicht verfügbaren sozialen Betreuung. Die Gefahr der sozialen Isolation ist daher - insbesondere in größeren Wohnblocks mit einer weitgehend anonymen und heterogenen Mieterstruktur - potenziell größer einzuschätzen als in der vergleichsweise übersichtlichen und wohlorganisierten Umgebung einer verantwortungsvoll geleiteten Gemeinschaftsunterkunft . Empirische Daten im Sinne der Fragestellung liegen dem Senat nicht vor. Berlin, den 31. August 2012 In Vertretung Michael B ü g e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Sep. 2012) 3 Stichtag