Drucksache 17 / 10 845 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 14. August 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. August 2012) und Antwort Spannungsfeld von freier Trägerschaft und öffentlichen Bildungszielen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Möglichkeiten haben Berliner Schulen in freier Trägerschaft, von den für öffentliche Schulen verbindlichen Lehrplänen abzuweichen? Wodurch ist dieser Spielraum begrenzt? Haben genehmigte Ersatzschulen in Berlin das Recht, a) Lehrplaninhalte öffentlicher Schulen nicht in den eigenen Unterricht aufzunehmen? b) beliebige selbstgewählte Inhalte in ihren Unterricht aufzunehmen (beispielsweise Kreationismus oder „Intelligent Design“)? 2. Welche Schranken legt die in Art. 7, Absatz 4 GG enthaltene Bestimmung, private Schulen seien zu genehmigen , wenn sie u.a. „in ihren Lehrzielen […] nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen“, nach Ansicht des Senats der im selben Grundgesetzartikel garantierten Privatschulfreiheit auf? Zu 1. und 2.: Schulen in freier Trägerschaft wird ge- mäß Art. 7 Abs. 4 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 98 Abs. 3 Nr. 1 SchulG eine Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb als Ersatzschule erteilt, wenn die Schule in ihren Lehrzielen und Einrichtungen nicht hinter den öffentlichen Schulen zurücksteht. Diese Genehmigungsvoraussetzung ist erfüllt, wenn die Schule im Kern gleiche Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt, unbeschadet eines eigenverantwortlich geprägten Unterrichts mit darauf abgestellten Lehrmethoden und Lehrinhalten . Insofern wird keine Gleichartigkeit mit öffentlichen Schulen verlangt, sondern eine Gleichwertigkeit (vgl. dazu Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 8. Juni 2011 - 1 (BvR) 759/08-, Neue Zeitung für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2011, 1384; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. Dezember 2000 - 6 C 5/00 -, NVwZ 2001, 919). Dem Erfordernis der Gleichwertigkeit wird Genüge getan, wenn Schulen in freier Trägerschaft am Ende des Bildungsganges die inhaltlichen Bildungsstandards für diesen Bildungsgang erfüllen, d.h., in der Lage sind, den Schülerinnen und Schülern bis dahin die Kompetenzen zur Erlangung dieses Bildungsniveaus vermitteln. Hinsichtlich der hierfür zu beschreitenden Wege und einzusetzenden Mitteln ist den Schulen in freier Trägerschaft weitgehende Freiheit eingeräumt. Zwar besteht damit für Schulen in freier Trägerschaft keine strikte Bindung an die für öffentliche Schulen geltenden Regelungen. Gleichwohl sind Schulen in freier Trägerschaft verpflichtet sicherzustellen, dass die in den Regelungen verankerten Bildungsstandards ihren Schülerinnen und Schülern am Ende des Bildungsgangs vermittelt worden sind; denn anderenfalls wären die Voraussetzungen für die Genehmigung als Ersatzschule nicht (mehr) erfüllt. Es steht den Schulen in freier Trägerschaft frei, daneben weitere Unterrichtsfächer anzubieten, die sich in den Lehrplänen für die öffentlichen Schulen nicht finden. Eine Besonderheit gilt jedoch, wenn Schulen in freier Trägerschaft die Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule gemäß § 100 Abs. 1 Schulgesetz (SchulG) verliehen worden ist. In diesem Fall sind sie gemäß § 100 Abs. 3 SchulG verpflichtet, bei der Aufnahme, Versetzung und beim Schulwechsel von Schülerinnen und Schülern sowie bei der Durchführung von Prüfungen und der Vergabe von Abschlüssen die für entsprechende öffentliche Schulen geltenden Regelungen anzuwenden. 3. Welche Möglichkeiten bestehen nach Ansicht des Senats für die öffentliche Hand, Schulen in freier Trägerschaft auf die Orientierung an bestimmten öffentlichen Bildungszielen zu verpflichten? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 845 Zu 3.: Gemäß § 95 Abs. 4 SchulG finden auf Schulen in freier Trägerschaft die in §§ 1 und 3 SchulG aufgeführten Bildungs- und Erziehungsziele Anwendung. Im Übrigen werden Schulen in freier Trägerschaft als Ersatzschulen nur dann genehmigt, wenn sie in der Lage sind, unter Berücksichtigung der spezifischen Bildungsinhalte und -formen der Ersatzschule ein gleichwertiges Bild zu erreichen. Die Genehmigungsvoraussetzungen sind von den Ersatzschulen in freier Trägerschaft auch nach Erteilung der Genehmigung fortlaufend zu erfüllen. Anderenfalls ist die Genehmigung gemäß § 99 Abs. 1 SchulG aufzuheben. 4. Welche Möglichkeiten bestehen nach Ansicht des Senats für die öffentliche Hand, Kindertagesstätten in freier Trägerschaft auf die Orientierung an bestimmten öffentlichen Bildungszielen zu verpflichten? Zu 4.: Kindertagesstätten in freier Trägerschaft und in Trägerschaft der Eigenbetriebe Berlins sind den in § 22 Sozialgesetzbuch VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz, KJHG) aufgeführten Grundsätzen verpflichtet. Im § 1 – Aufgaben und Ziele – des Kindertagesförderungsgesetzes (KitaFöG) des Landes Berlin werden die im o.g. Paragraphen des SGB VIII genannten Grundsätze aufgegriffen und präzisiert. Eine Finanzierung durch das Land Berlin gemäß der Rahmenvereinbarung über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen (RV Tag) setzt voraus, dass die Leistungen in Übereinstimmung mit den o.g. Grundsätzen und Zielen erbracht werden. In Ergänzung hierzu hat die für Jugend zuständige Senatsverwaltung im Jahr 2004 das „Berliner Bildungsprogramm für die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen bis zu ihrem Schuleintritt“ entwickeln lassen. Die pädagogische Arbeit nach dem Programm ist verpflichtend für öffentlich geförderte Kindertageseinrichtungen. Hierüber sowie über weitere Schritte der Qualitätsentwicklung wurde im Jahr 2006 zwischen dem Land Berlin, der Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtsverbände, dem Dachverband Kinder- und Schülerläden und den Eigenbetrieben die Vereinbarung über die Qualitätsentwicklung in Berliner Kindertagesstätten (QVTAG) abgeschlossen. Berlin, den 27. August 2012 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Sep. 2012) 2