Drucksache 17 / 10 852 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Heiko Thomas (GRÜNE) vom 14. August 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. August 2012) und Antwort Neuinfektionen und Hygiene Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. In der neuen Hygieneverordnung ist auf ein nachweislich wirksames, umfassendes Screening neu aufgenommener PatientInnen auf multiresistente Erreger (z.B. MRSA) zur Prävention nosokomialer Infektionen nach Vorbild der Niederlande verzichtet worden. Wird der Senat mit gutem Vorbild vorangehen und sich dafür einsetzen, ein solches oder vergleichbares Screening in den landeseigenen Krankenhäusern einzuführen, um die PatientInnen vor einer Infektion mit „Krankenhauskeimen “ bestmöglich zu schützen und wenn ja, wie? Und wenn nein, warum nicht? Zu 1.: Die Berliner Hygieneverordnung verpflichtet die Klinikleitungen "sicherzustellen, dass Patientinnen und Patienten, von denen ein Risiko für die nosokomiale Übertragung von Krankheitserregern, insbesondere solchen mit Resistenzen, ausgeht oder ausgehen kann, frühzeitig erkannt und Schutzmaßnahmen eingeleitet werden" ( § 11). Dieses Vorgehen entspricht dem in den niederländischen Leitlinien geforderten risikobasierten Screening und der Empfehlung des Robert Koch-Instituts (Empfehlung zur Prävention und Kontrolle von Methicillinresistenten Staphylococcus aureus-Stämmen [MRSA] in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen). Die genannten Empfehlungen spiegeln den Stand des im Rahmen kontrollierter klinischer Studien gewonnenen medizinischen Wissens wider. Für eine weitergehende Regelung wäre eine Entscheidung auf Ebene des Gemeinsamen Bundesaus- schusses erforderlich. Dafür setzt sich der Senat ein. Dabei ist zu beachten, dass beispielsweise der Health Technology Assessment-Bericht des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information in Beurteilung der wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema zu dem Ergebnis kommt, dass "die Ergebnisse zur Kosten-Wirksamkeit des Einsatzes von Screeningverfahren (...) insgesamt eine sauber kontrollierte neue Studie [erfordern], bevor ein abschließendes verbindliches Urteil gefällt werden kann". 2. Wie hat sich die Anzahl meldepflichtiger Neu- infektionen/Neuerkrankungen, insbesondere HIV/AIDS, Syphilis, Legionellen und Tuberkulose, seit 2005 in Berlin entwickelt (bitte gegliedert nach Bezirk, Infektion/Krankheit, Geschlecht (m/w/gesamt); bitte absolute Zahlen pro Jahr und Entwicklung zum jeweiligen Folgejahr in %)? Zu 2.: Die folgende Tabelle stellt die Entwicklung der Anzahl der Legionellose-, Tuberkulose- und SyphilisFälle sowie HIV-Neudiagnosen in Berlin seit 2005 bis zum 24.8.2012 dar. Eine Aufsplittung der Informationen nach Geschlecht und Bezirk war für die Erkrankungen Legionellose und Tuberkulose in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich – und ist für HIV und Syphillis ausgeschlossen, da diese Meldungen anonymisiert vom Labor direkt an das Robert KochInstitut (RKI) erfolgen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 852 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Summe Legionellen 38 49 44 63 31 52 60 39 376 Steigerung absolut - 11 -5 19 -32 21 8 -21 - Steigerung relativ - 28,9% -10,2% 43,2% -50,8% 67,7% 15,4% -35,0% - Tuberkulose 320 320 269 278 266 290 319 212 2.274 Steigerung absolut - 0 -51 9 -12 24 29 -107 - Steigerung relativ - 0,0% -15,9% 3,3% -4,3% 9,0% 10,0% -33,5% - HIV 390 398 420 463 442 457 391 176 3137 Steigerung absolut 8 22 43 -21 15 -66 Steigerung relativ 2,10% 5,50% 10,20% -4,50% 3,40% -14,40% Syphilis 566 571 454 655 412 493 622 304 4077 Steigerung absolut 5 -117 201 -243 81 129 Steigerung relativ 0,80% -20,50% 44,30% -37,10% 19,70% 26,20% Weiterführende Informationen sind im Epidemio- logischen Jahresbericht des Landes Berlin zu finden, der vom Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) herausgegeben wird und von der Internetseite des LAGeSo heruntergeladen werden kann. 3. Wie bewertet der Senat die Entwicklung der einzelnen Infektionen und Krankheitsbilder, worin werden die Ursachen für die derartige Entwicklung gesehen und gibt es Prognosen zur weiteren Entwicklung? Zu 3.: Die epidemiologische Bewertung zu einzelnen meldepflichtigen Infektionskrankheiten kann ebenfalls dem o. g. Epidemiologischen Jahresbericht entnommen werden. Zu HIV/Aids sowie Syphilis findet eine Bewertung der epidemiologischen Situation durch das RKI statt. Diese wird regelmäßig im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht. Im Rahmen des Bund-Länder-Gremiums zur Koordinierung von Maßnahmen der AIDS-Prävention wird die epidemiologische Situation fortlaufend diskutiert . Die zu ergreifenden Maßnahmen werden zwischen Bund und Ländern abgestimmt. 4. Was tut Berlin zur Prävention der jeweiligen Infektionen/Erkrankungen (bitte gegliedert nach Bezirk, Ziel, Zielgruppe, verantwortlicher Einrichtung, ggf. ext. Träger und Finanzvolumen)? Zu 4.: Die Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten ist originäre Aufgabe der Gesundheitsämter . Gemäß Infektionsschutzgesetz stehen ihnen dafür verschiedene Möglichkeiten (wie z. B. Ermittlungen zu Infektionskrankheiten bei Erkrankten und Kontaktpersonen , Anordnung von Untersuchungen und Anordnung von Tätigkeitsverboten) zur Verfügung. Für die Bekämpfung der Tuberkulose ist das allbezirklich tätige Zentrum für tuberkulosekranke und –gefährdete Menschen in Lichtenberg zuständig, das Erkrankte während der Dauer der Therapie begleitet und betreut. Bei jedem diagnostizierten Fall werden umfangreiche Umgebungsuntersuchungen durchgeführt und das soziale Umfeld des Erkrankten über die Erkrankung, Ansteckungsgefahren und Behandlung aufklärt. Für die Bereiche HIV/Aids sowie sexuell übertragbare Infektionen (STI) wird die zielgruppenspezifische Präventionsarbeit durch Freie Träger erbracht. Die Prävention der Allgemeinbevölkerung erfolgt durch die Gesundheitsämter. Die Förderung der Projekte erfolgt im Rahmen des Integrierten Gesundheitsprogramms (IGP) im Handlungsfeld „HIV/Aids, sexuell übertragbare Infektionen sowie Hepatitiden“. Seit Herbst 2011 werden in Berlin umgesetzt: a) das Rahmenkonzept des Senats zur Prävention von HIV/Aids, Hepatitis- und sexuell übertragbaren Infektionen sowie zur Versorgung von Menschen mit HIV/Aids und /oder chronischen Hepatitisinfektionen und b) das von Prof. Dr. Rolf Rosenbrock erarbeitete Entwicklungskonzept zur Prävention von HIV/Aids, sexuell übertragbaren Infektionen und Hepatitiden In Umsetzung dieser Konzepte finden unter Federführung der für Gesundheit zuständigen Senatsverwaltung und unter externer Moderation sieben verschiedene Treffen von Themengruppen statt, an denen Freie Träger, die bezirklichen Zentren für sexuelle Gesundheit und Familienplanung, andere Senatsverwaltungen sowie von HIV/Aids/STI oder Hepatitiden betroffene Menschen teilnehmen. 5. Wie können nach Auffassung des Senats Gefähr- dungssituationen durch Legionellenbefall in Krankenhäusern vorgebeugt werden und welchen Regelungsbedarf sieht er? Zu 5.: Infektionen mit Legionellen erfolgen durch die Inhalation legionellenhaltigen Aerosols bzw. dadurch, dass Legionellen enthaltendes Trinkwasser durch Verschlucken in die Luftwege gelangt. Entscheidend für eine Vermeidung von Legionelleninfektionen ist die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik bei Planung, Bau und Betrieb von Trinkwasserinstallationen . Auf diese Weise lassen sich die Konzentrationen von Legionellen gering halten. 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 852 Für die Vorbeugung von Infektionen mit Legionellen sind insbesondere folgende Normen bzw. Empfehlungen relevant: DIN 1988, VDI-Richtlinie 6023, DVGWArbeitsblatt W 551, DVGW-Arbeitsblatt W 553 und die Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des Robert Koch-Instituts. Berlin, den 19. September 2012 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Sep. 2012) 3