Drucksache 17 / 10 855 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Delius (PIRATEN) vom 15. August 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. August 2012) und Antwort BER-Debakel XVIII: Bürgschaften und Bürgencontrolling Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Trifft es zu, dass das Land Berlin eine 100%- Bürgschaft für von der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH aufgenommene und aufzunehmende Kredite anteilig übernommen hat? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt wurde diese Bürgschaft übernommen und in welcher Höhe wurden bislang Kredite aufgenommen, die so verbürgt sind? Zu 1.: Das Land Berlin hat am 1. Oktober 2008 das Gesetz zur Sicherstellung der Finanzierung des Flughafens Berlin-Brandenburg International (BBI-Finanzierungs -sicherstellungsgesetz) verabschiedet. Auf der Grundlage dieser Ermächtigung wurde am 9. September 2009 eine Bürgschaft in Höhe von 888 Mio. EUR übernommen. Dies entspricht 37% der Verpflichtungen entsprechend dem Anteil des Landes an der FlughafenGesellschaft . 2. Ließ das Land Berlin eigene Vergleichsberech- nungen zu den wirtschaftlichen Vorteilen gegenüber einer 80%-Bürgschaft erstellen? Wenn ja, mit welchem Ergebnis ? Wenn nein, warum nicht? Zu 2.: Das Land Berlin ist aufgrund der Landes- haushaltsordnung (LHO) grundsätzlich verpflichtet, die wirtschaftlichste Lösung anzustreben. Zum Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft für die Flughafenfinanzierung war aufgrund der durch die Finanzkrise beeinflussten schlechten Marktlage eine bankenseitig tragbare Finanzierung mit einer 80%-Bürgschaft nicht darstellbar. 3. Wer wurde als Bürgenmandatar eingesetzt? Wenn ja, wie beurteilte dieser die Übernahme der Bürgschaft? Zu 3.: Mit der Durchführung des Bürgschaftsver- fahrens und der laufenden Abwicklung der Bürgschaft wurde die Wirtschaftsberatungsgesellschaft PwC als der gemeinsame Mandatar des Bundes und der Länder Berlin und Brandenburg für parallele Bürgschaften beauftragt. PwC beurteilte die Übernahme der Bürgschaft als „noch vertretbar“. 4. Übernahm der eingesetzte Bürgenmandatar alle Funktionen, die üblicherweise von einem Kreditgeber übernommen werden, oder wurden Funktionen ausgespart – wenn ja, welche? Zu 4.: Die Funktionen von Kreditgeber (Gläubiger) und Bürge sind aufgrund unterschiedlicher Aufgaben getrennt. Der Bürgenmandatar hat alle Funktionen übernommen , die für das Bürgencontrolling bei einer 100%- Bürgschaft erforderlich sind. 5. Welche Informationen außer den von der Flug- hafen Berlin Brandenburg GmbH für den Aufsichtsrat erstellten Unterlagen wurden vom Bürgenmandatar angefordert und welche Informationen wurden ihm von der Gesellschaft zur Verfügung gestellt? Zu 5.: Vertragsgemäß hat der Bürgenmandatar Ände- rungsanträge dem Bürgen zur Entscheidung aufzubereiten und die laufende Berichterstattung der Flughafengeschäftsführung auszuwerten. Im konkreten Fall sollten darüber hinaus auch die von der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg GmbH (FBB GmbH) für den Aufsichtsrat erstellten Informationen bewertet werden. In diesem Rahmen haben sich auch die Unterlagenanforderungen des Mandatars bewegt. 6. War und ist bei Investitionen von wesentlicher Bedeutung der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH eine Zustimmung der Bürgen und somit auch des Landes Berlin erforderlich? Wenn ja, um welche Investitionen handelte es sich bislang im Einzelnen? Wenn nein, warum nicht? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 855 Zu 6.: Über Investitionen entscheidet die Geschäfts- führung des Flughafens. Wesentliche Änderungen im Investitionsprogramm müssen im Aufsichtsrat beschlossen und von den Gesellschaftern genehmigt werden. Bei wesentlichen Veränderungen des Bürgschaftsrisikos ist eine Zustimmung der Bürgen erforderlich. Dies war bisher nicht der Fall. 7. Wurden die durch Aktualisierungen des Busi- nessplans hervorgerufenen Abweichungen von der der Bürgschaftsentscheidung zugrunde liegenden Planung vom Bürgenmandatar hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Risikoposition des Landes Berlin bewertet? Zu 7.: Der Bürgenmandatar hat alle erforderlichen Bewertungen im Hinblick auf Auswirkungen auf die Risikopositionen des Landes vorgenommen. 8. Welche Veränderungen hinsichtlich der Risiko- position des Landes Berlin ergaben sich seit Übernahme der Bürgschaft? Zu 8.: Das Risiko des Landes Berlin in Höhe von 37 % des verbürgten Kreditengagements, das anderweitig nicht besichert ist, hat sich seit Übernahme der Bürgschaft nicht ver- ändert. Durch die avisierten Zuführungen von Gesellschaftermitteln verbessert sie sich. 9. Wie verfuhren die Vertreter des Landes Berlin im Aufsichtsrat der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH mit den Berichten des Bürgenmandatars und wurden diese Berichte dem gesamten Senat zur Kenntnis gegeben? Falls Letzteres nicht der Fall war, warum nicht? 10. Wie wurde in Fällen verfahren, in denen der Bürgenmandatar zu Einschätzungen kam, die von denen der Gesellschafter abwichen? Zu 9. und 10.: Die Berichte des Bürgschaftsmandatars sind an die Bürgen und nicht an die Aufsichtsratsmitglieder adressiert. Insofern sind auch nicht alle Aufsichtsratsmitglieder über deren Inhalt unterrichtet. Erkenntnisse aus den Berichten sind gleichwohl in die Erörterung im Aufsichtsrat und in die Meinungsbildung der Gesellschafter eingeflossen, sofern diese dafür jeweils relevant waren. Eine Befassung des Senats mit Berichten von Bürgenmandataren erfolgt aufgrund der unterschiedlichen Aufgabenteilung regelmäßig nicht. 11. War und ist es den Bürgen und somit auch dem Land Berlin möglich, die sich aus den durch den Bürgenmandatar erhaltenen Informationen ergebenden eigenen Folgerungen gegenüber der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH durchzusetzen? Zu 11.: Die Bürgen können gegenüber der FBB GmbH Auskunfts- und Informationsrechte und die übrigen sich aus dem Bürgschaftsvertrag ergebenden Rechte durchsetzen. Berlin, den 19. September 2012 In Vertretung Dr. Margaretha Sudhof Senatsverwaltung für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Sep. 2012) 2