Drucksache 17 / 10 861 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Wolfgang Albers (LINKE) vom 21. August 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. August 2012) und Antwort Die diesjährigen IHK-Wahlen - erneut ein Desaster für den Vorstand? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Trifft es zu, dass bei den diesjährigen IHK-Wahlen rund 271 000 Mitgliedsunternehmen stimmberechtigt gewesen sind? Zu 1.: Ja. 2. Trifft es zu, dass von diesen 271 000 Unternehmen nur 197 000 postalisch zu erreichen waren? Zu 2.: Ja. 3. Wie erklären die IHK-Verantwortlichen diese Dis- krepanz? Zu 3.: Die Mitgliedsdaten der IHK Berlin beruhen ganz überwiegend auf den amtlichen Daten, die die Gewerbeämter der IHK Berlin nach § 14 Abs. 9 Satz 1 Ziffer 1 der Gewerbeordnung übermitteln. Die Daten der Gewerbean-, -um- und -abmeldungen werden der IHK Berlin von den Gewerbeämtern monatlich elektronisch übermittelt und von ihr unverzüglich automatisiert verarbeitet . Die Daten der Gewerbeämter sind allerdings nur in dem Umfang aktuell, wie die Gewerbetreibenden ihren Meldepflichten nach § 14 Abs. 1 der Gewerbeordnung nachkommen. Unterbleiben entsprechende Meldungen, können die Daten der Gewerbeämter und in der Folge die Daten der IHK Berlin nicht aktualisiert werden. Die IHK Berlin sieht in nicht vorgenommenen Gewerbeum- und -abmeldungen den Hauptgrund für nicht zustellbare Wahlsendungen. 4. Wie bewertet der Senat diese Erklärung der IHK? Zu 4.: Die Erklärung ist nachvollziehbar und ent- spricht der Beobachtung, dass die Bereitschaft der Gewerbetreibenden zur ordnungsgemäßen Erfüllung von Meldepflichten sinkt. 5. Gehört die Pflege der Mitgliederdatei nicht zu den wesentlichen Aufgaben einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die das Gesamtinteresse aller Mitgliedsunternehmen bei bestehender Pflichtmitgliedschaft zu vertreten hat? Zu 5.: Die wesentlichen Aufgaben der Industrie- und Handelskammern sind in § 1 Absatz 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) aufgeführt. Die Pflege der Mitgliederdaten wird dort nicht genannt. Trotzdem sind möglichst aktuelle Mitgliedsdaten für die Erfüllung der Aufgaben der IHK Berlin wichtig. Deshalb verlässt sich die IHK Berlin nicht nur auf die gesetzlich vorgesehenen amtlichen Daten, sondern unternimmt nach eigener Aussage erhebliche Anstrengungen, um die Mitgliedsdaten möglichst aktuell zu halten. Dazu gehörte zum Beispiel im Vorfeld der diesjährigen Wahl zur Vollversammlung ein Datenabgleich mit den Angaben zur Gewerbesteuerveranlagung, der zur Bereinigung von knapp 30.000 Mitgliedsdatensätzen führte. Bezüglich der Wählerlisten hat die IHK Berlin alle Mitglieder ordnungsgemäß öffentlich auf die Möglichkeit hingewiesen, die darin enthaltenen Daten zu überprüfen. Zahlreiche Mitglieder haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. 6. Hat dieser offensichtliche Organisationsmangel in der Arbeit dieser Körperschaft organisatorische oder personelle Konsequenzen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Zu 6.: Ein „offensichtlicher Organisationsmangel“ bei der IHK Berlin ist nicht ersichtlich. Die IHK Berlin nutzt für die Pflege ihrer Mitgliedsdaten die gesetzlich vorgesehenen amtlichen Datenquellen und die Informationen, die sie von vielen Mitgliedern auch direkt erhält. Sie unternimmt darüber hinaus nach eigener Aussage erhebliche Anstrengungen, auch die Daten von Mitgliedern aktuell zu halten, die ihren Meldepflichten aus § 14 Abs. 1 der Gewerbeordnung nicht nachkommen (s. Antwort zu Frage 5). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 861 Nachdem diese Mittel nur teilweise zum gewünschten Erfolg geführt haben, hat sich die IHK Berlin wegen der Probleme bei der Datenaktualisierung an die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung gewandt . Derzeit wird unter Einbeziehung der zuständigen Behörden an Lösungsmöglichkeiten gearbeitet. 7. Wie schätzt der Senat die politische Legitimation eines Vorstands ein, der auf der Basis eines solchen Organisationsdebakels gewählt wird? Zu 7.: Der Senat weist darauf hin, dass die IHK Berlin keinen Vorstand hat, sondern ein Präsidium, und nicht das Präsidium, sondern die Vollversammlung gewählt wurde. Im Übrigen führen fehlende Abmeldungen mittler- weile auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen zu Zustellungsproblemen bei Wahlen. Selbst bei Parlamentswahlen konnten nach Auskunft der Landeswahlleiterin zahlreiche Wahlbenachrichtigungen nicht zugestellt werden , da sich die betreffenden Personen beim Wegzug aus Berlin nicht abgemeldet hatten. Beim Wegzug aus einem Bundesland verliert die Person ebenso wie bei der Abmeldung eines Gewerbes die Wahlberechtigung. Also handelt es sich in derartigen Fällen nicht um Wahlberechtigte , sodass nicht von einer Beeinflussung des Wahlergebnisses ausgegangen werden kann. 8. Trifft es zu, dass die Wahlbeteiligung der IHK- Mitglieder bei einem Rücklauf von 11 525 Wahlbriefen bei 5,85% lag? Zu 8.: Nach Angaben der IHK Berlin haben 11 526 Mitglieder an der Wahl teilgenommen. Das entspricht 5,85 %. 9. Trifft es zu, dass diese prozentuale Angabe der Wahlbeteiligung die postalisch erreichten Betriebe zur Grundlage hat und nicht die eigentliche Gesamtzahl aller Mitgliedsbetriebe? Zu 9.: Ja. 10. Welche Relevanz billigt der Senat einem Vorstand zu, der aus einer solchen Wahl ein politisches Mandat für sich beansprucht und dieses regelmäßig auch in stadtpolitischen Fragen wahrnimmt? Zu 10.: Rechtlich und formal ist eine (verbands-)po- litische Legitimation auch bei geringer Wahlbeteiligung gegeben. 11. Trifft es zu, dass entgegen der bisherigen Praxis den Kandidaten auf den jeweiligen Wahllisten nur noch mitgeteilt wird, wie viele Stimmen sie selbst erhielten und welchen Platz sie in der Liste einnehmen, d.h. ob sie gewählt wurden oder Nachrücker sind? Zu 11.: Der Wahlausschuss der IHK Berlin hat allen Kandidatinnen und Kandidaten nach der Feststellung des Wahlergebnisses mitgeteilt, wie viele Stimmen auf sie entfallen sind, welchen Platz in ihrer Wahlgruppe sie erreicht haben und ob sie damit direkt gewählt oder Nachrückerinnen und Nachrücker sind. Eine feste Praxis für die Information der Kandidatinnen und Kandidaten über ihre Wahlergebnisse gibt es nach Aussage der IHK Berlin nicht. 12. Trifft es zudem zu, dass die Wahlauswertung, die der Wähler übermittelt bekommt, einzig aus der Nennung der gewählten Mitglieder in alphabetischer Reihenfolge pro Wahlgruppe besteht? Zu 12.: Der Umfang der Veröffentlichung der Wahl- ergebnisse ergibt sich aus der von der Vollversammlung der IHK Berlin beschlossenen Wahlordnung. Diese sieht eine Veröffentlichung der Namen der Gewählten vor (§ 14 Abs. 2 der Wahlordnung). Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. OVG Lüneburg GA 1992, S. 420 ff.) ist dies nicht zu beanstanden. 13. Wie beurteilt der Senat die Auskunft aus der Senatsverwaltung für Wirtschaft, die durch eine Referentin Ende April 2012 im Auftrag von Senatorin Frau von Obernitz auf die schriftliche Nachfrage eines IHKMitglieds erfolgte: "Ihrem Wunsch entsprechend habe ich die Frage geprüft , „ob eine Veröffentlichung der ausführlichen Wahlergebnisse nach der IHK-Wahl geboten ist.“ Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine derartige Rechtspflicht gibt."? Zu 13.: Die Auskunft ist zutreffend. 14. Wird der IHK als Körperschaft des öffentlichen Rechts damit nicht quasi der Status eines Privatvereines testiert, der für sich beschließen kann, dass grundlegende demokratische Wahlgrundsätze bei gleichzeitiger Pflichtmitgliedschaft der Unternehmen nicht angewendet werden ? Zu 14.: Nein, damit wird der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung Rechnung getragen, an die die Verwaltung gebunden ist. 15. Wie beurteilt der Senat diesen Mangel an Trans- parenz und teilt der Senat die Auffassung, dass genau solche Praktiken dafür mitverantwortlich sind, dass die Wahlbeteiligung und das Engagement der Mitglieder der IHK auf dieses desaströse Niveau herab gesunken ist? Zu 15.: Die Regelung in der Wahlordnung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Eine Änderung wurde in der Vollversammlung diskutiert. Diese hat sich gegen eine vollumfängliche Veröffentlichung entschieden. Dies ist Ausdruck der Selbstverwaltung. 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 861 Da die Regelung seit langem besteht, ist ein direkter Zusammenhang zwischen Wahlbeteiligung bzw. Engagement und der Regelung unwahrscheinlich. 16. Wird der Senat daraufhin wirken, dass im Inte- resse der Gesamtmitgliedsunternehmen, die die IHK ja durch ihre Beiträge finanzieren, hier die notwendige Transparenz hergestellt wird? Zu 16.: Der Senat unterstützt generell die Förderung von Transparenz. 17. Welche Konsequenzen zieht der Senat aus der zu- nehmenden Kritik vieler Mitgliedsunternehmen an diesem Gebaren in der Berliner IHK und welche Konsequenzen zieht er aus den eigenen Antworten auf diese Kleine Anfrage ? Zu 17.: Der Senat prüft jegliche Kritik sorgfältig und befindet sich diesbezüglich kontinuierlich im Dialog mit der IHK Berlin. Es ist darauf hinzuweisen, dass die hier über den Senat abgefragten Daten (s. Fragen zu 1.-3., 8., 9.) sämtlich auf der Wahl-Homepage der IHK Berlin veröffentlicht wurden (www.ihk-wahl-berlin.de). Dort erläutert die IHK Berlin auch die Ursachen, die ihrer Ansicht nach zu diesen Ergebnissen geführt haben. Die IHK Berlin hat daher von sich aus Transparenz hergestellt. Etwaige weitergehende Konsequenzen wären Angelegenheit der Vollversammlung der IHK. Berlin, den 06. September 2012 In Vertretung Nicolas Z i m m e r ...................................................... Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Sep. 2012) 3