Drucksache 17/ 10 867 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Heiko Thomas (GRÜNE) vom 23. August 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. August 2012) und Antwort Gesundheitsschutz bei Arzneimittel und Medizinprodukten Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Stellen wurden in Berlin nach § 15 des Medizinproduktegesetzes ernannt? Zu 1.: Nach § 15 „Benennung und Überwachung der Stellen, Anerkennung und Beauftragung von Prüflaboratorien “ des Medizinproduktegesetzes (MPG) wurden die folgenden Einrichtungen in Berlin benannt: Benannte Stelle: Berlin Cert Prüf- und Zertifizierstelle für Medizinprodukte GmbH an der Technischen Universität Berlin Dovestr. 6 10587 Berlin Prüflaboratorien: Berlin Cert Prüf- und Zertifizierstelle für Medizinprodukte GmbH an der Technischen Universität Berlin Dovestr. 6 10587 Berlin Bioscientia Institut für Medizinische Diagnostik GmbH Medizinisches Versorgungszentrum Berlin Alt-Moabit 91a 10559 Berlin Hygiene-Institut AYSID GmbH Sonnenburger Str. 72 10437 Berlin Labor Berlin Charité Vivantes GmbH Fachbereich Virologie Charitéplatz 1 10117 Berlin 2. Wie ist sichergestellt, dass die Überwachungen durch die zuständige Behörde qualifiziert durchgeführt werden können? Finden regelmäßige Weiterbildungen der zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter statt? Wenn ja, welche? Zu 2.: Arzneimittel: Die erforderliche Sachkenntnis der Personen, die mit der Überwachung beauftragt sind, ist in § 8 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Arzneimittelgesetzes (AMGVwV) beschrieben. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) für die Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln beauftragt sind, verfügen in der Regel über eine Approbation als Apothekerin oder Apotheker. Für den Einsatz als Inspektorin oder Inspektor ist eine Qualifizierung zur GMP-Inspektorin oder zum GMP-Inspektor (Good Manufacturing Practice - GMP) vorgeschrieben. Diese Qualifizierung befähigt zur Überprüfung der Einhaltung der Richtlinien zur Qualitätssicherung der Produktionsabläufe und -umgebung bei der Produktion von Arzneimitteln und Wirkstoffen durch die entsprechenden Hersteller. Weiterhin sind diese Personen überwiegend in dem Gebiet „Öffentliches Pharmaziewesen“ weitergebildet (Fachapothekerin /Fachapotheker). Regelmäßige Fortbildung erfolgt durch Teilnahme an entsprechenden Veranstaltungen, aber auch durch Beteiligung an bundesweiten Expertenfachgruppen im Rahmen des Qualitätssicherungssystems (QS-Systems), durch Teilnahme an der jährlichen Arbeitstagung der pharmazeutischen und veterinärmedizinischen Überwachungskräfte sowie der wissenschaftlichen Beschäftigten der Arzneimitteluntersuchungsstellen der Länder (PhAT) und an der jährlichen Sitzung des Inspektionsverbundes Ost. Medizinprodukte: Das Medizinprodukterecht erfordert entsprechend dem extrem breiten Wirkungsspektrum der Medizinprodukte unterschiedliche fachliche Voraussetzungen bei den überwachenden Behördenmitarbeiterinnen und Behördenmitarbeitern . Deshalb bestehen keine so konkreten Vorgaben an die Aus-, Fort- und Weiterbildung wie im Arznei- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 867 mittelbereich. In der im Frühjahr 2012 verabschiedeten, ab 01.01.2013 bundesweit geltenden Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Medizinproduktegesetzes (Medizinprodukte-Durchführungsvorschrift - MPGVwV) sind grundsätzliche Anforderungen an die Sachkenntnis der mit der Überwachung beauftragten Personen fixiert (§ 12 MPGVwV), die an die jeweilige spezielle lokale Situation anzupassen sind. Außerdem ist die Einrichtung eines QS-Systems der Überwachung nach bundesweit einheitlichen Vorgaben vorgesehen. Im Rahmen dieses Systems liegen bereits Verfahrensanweisungen für eine bundeseinheitliche Durchführung der Überwachung vor, nach denen auch die Berliner Vollzugsbehörde tätig wird. Aufgrund der Zuordnung des Vollzugs zum Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (LAGetSi) bis zum Ende des Jahres 2011 sind derzeit im zuständigen Referat Gewerbeaufsichtsbeamtinnen und Gewerbeaufsichtsbeamte eingesetzt, die sich auf einige Fachgebiete spezialisiert und dafür auch regelmäßig an entsprechenden fachlichen Fortbildungsveranstaltungen teilgenommen haben und weiterhin teilnehmen. Mit dem Transfer dieses Referates in das LAGeSo zu Beginn des Jahres 2012 ist ein wichtiger Schritt zur stärkeren Orientierung auf den Gesundheitsschutz allgemein und insbesondere den Schutz der Patientinnen und Patienten bei der Anwendung von Medizinprodukten vorgenommen worden. 3. Wie funktioniert das Qualitätsmanagementsystem in Berlin (nach AMGVwV)? Zu 3.: Arzneimittel: Das Qualitätssystem der Arzneimittelüberwachung und -untersuchung im Land Berlin ist Teil eines bundeseinheitlich implementierten Systems der Qualitätssicherung mit dem Ziel der länderübergreifenden Harmonisierung . Die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG) übernimmt eine koordinierende Funktion bei der Durchführung des QS-Systems. Das bundeseinheitliche QSSystem wurde in den Jahren 1999/2000 im Rahmen des Mutual Recognition Agreement (MRA) der EU mit Kanada hinsichtlich seiner Äquivalenz auch in Berlin von der Kanadischen Gesundheitsbehörde inspiziert. Es dient der internationalen Akzeptanz der deutschen Arzneimittelüberwachung und soll letztlich den Warenverkehr bei Arzneimitteln erleichtern. Das QS-System der Arzneimittelüberwachung gliedert sich in drei Teile - die Qualitätspolitik, die die Zielsetzungen des QS-Systems anhand von Kernaussagen der Gesundheitsministerkonferenz vorgibt (Beschluss vom April 2000); das Qualitätsmanagementhandbuch , welches übergreifend das System im Rahmen von 17 Qualitätsleitlinien beschreibt und das Qualitätssicherungshandbuch, in dem die jeweils gültigen Verfahrensanweisungen (VAW) und Aide Memoires (AiM) in 17 Kapiteln hinterlegt sind. Die Genehmigung der Qualitätsdokumente erfolgt für das Land Berlin durch die für das Gesundheitswesen zuständige Senatsverwaltung auf Abteilungsleiterebene und die Inkraftsetzung für das Berliner Inspektorat erfolgt durch den Präsidenten des LAGeSo. 4. Wie viele Inspektionen fanden in 2010/2011/2012 statt? Und welche Ergebnisse sind bei den Inspektionen festgestellt worden? Zu 4.: Arzneimittel: Die folgenden Mengen an GMP-Inspektionen wurden 2010-2012 durchgeführt: 2010: 31 2011: 39 2012: 23 (Stand 28.08.2012) Die genannten Zahlen erfassen GMP-Inspektionen bei Arzneimittelherstellern mit einer Erlaubnis gemäß § 13 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz – AMG). Nach einer Inspektion werden regelmäßig Berichte erstellt, die u. a. die festgestellten Mängel und Beobachtungen wiedergeben. Die festgestellten Mängel betreffen beispielsweise folgende Themenbereiche : Qualitätssicherung, Kennzeichnung, Räumlichkeiten , Personal, Produktionsabläufe und Prüfung von Arzneimitteln. Bei Feststellung der GMP-Konformität werden im Anschluss an die Inspektionen GMP-Zertifikate erstellt. Unberücksichtigt bleiben alle Nicht-GMPInspektionen , u. a. Inspektionen von Gewebeeinrichtungen mit Erlaubnissen gemäß §§ 20b und 20c AMG, von pharmazeutischen Großhändlern mit einer Erlaubnis nach § 52a AMG, von klinischen Prüfungen, von erlaubnisfreien Arzneimittelherstellungen durch Ärztinnen und Ärzte nach § 13 Abs. 2b AMG und von Apotheken mit Erlaubnis nach § 2 des Apothekengesetzes, für deren Überwachung das Inspektorat gem. § 64 AMG gleichfalls zuständig ist. Medizinprodukte: Die Überwachungstätigkeiten (einschl. Inspektionen) werden im elektronischen Informations- und Erfassungssystem im Arbeitsschutz (IFAS) erfasst, wobei nicht unterschieden wird, ob die Besichtigung bei einem Hersteller , einem Vertreiber oder einer Anwenderin und einem Anwender von Medizinprodukten durchgeführt wurde. Nach jeder Inspektion werden die Ergebnisse mittels Revisionsschreiben der Verantwortlichen und dem Verantwortlichen zur Kenntnis gegeben. Bei nicht vollständig erfüllten Forderungen ergibt sich u. U. mehrfacher Schriftverkehr. Die folgenden Mengen an Inspektionen wurden 2010- 2012 durchgeführt: 2010: 159 2011: 196 2012: 121 (Stand 31.05.2012) Bei Betreiberinnen und Betreibern bzw. Anwende- rinnen und Anwendern sind als Mängel die Aufbereitung der Medizinprodukte, die Einweisung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und die nicht durchgeführten Wartungen oder sicherheitstechnischen Kontrollen zu nennen. Bei Herstellern sind unkonkrete Angaben in der Gebrauchsanweisung und die Kennzeichnung der Medizinprodukte die häufigsten Mängel. 5. Gab es in den letzten Jahren Drittlandinspektionen in Berlin bzw. aus Berlin veranlasst? Wenn ja, mit welchen Resultaten? Welche standen in Zusammenhang mit Verlagerung der Arzneimittelherstellung? 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 867 Zu 5.: Arzneimittel: Über Inspektionen von EU-ausländischen Behörden bei Berliner Arzneimittelherstellern liegen keine Kenntnisse vor. In den letzten Jahren wurden auf Antrag von Berliner Firmen Inspektionen im Ausland durchgeführt. Überwiegend handelte es sich um die Inspektion von Wirkstoffherstellern , aber auch von einigen Arzneimittelherstellern in Ländern, die nicht Mitgliedstaat der EU oder Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind. 2010: 4 Arzneimittel- und 7 Wirkstoffhersteller 2011: 1 Arzneimittel- und 1 Wirkstoffhersteller 2012: 1 Arzneimittel- und 6 Wirkstoffhersteller (Stand 28.08.2012) Auch nach diesen Inspektionen wurden Berichte er- stellt, die u. a. die festgestellten Mängel und Beobachtungen wiedergeben. Sofern GMP-Konformität festgestellt werden konnte, sind Zertifikate gemäß § 72a AMG erstellt worden. Die hier genannten Inspektionen standen aus Sicht des Berliner Inspektorates in keinem Zusammenhang mit einer Verlagerung von Herstelltätigkeiten ins Ausland. 6. Wie lange dauert ein Arzneimittel-Zulassungsver- fahren in Berlin durchschnittlich? Sieht der Senat Handlungsbedarf ? Zu 6.: Arzneimittel: In Einrichtungen und Behörden des Landes Berlin finden keine Arzneimittelzulassungsverfahren statt. Fertigarzneimittel zur Anwendung am Menschen und am Tier werden entsprechend dem AMG in der Bundesrepublik Deutschland allein von den zuständigen Bundesoberbehörden (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und Paul-Ehrlich-Institut bzw. Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) zugelassen . Darüber hinaus werden Arzneimittel für alle EUMitgliedstaaten zentral von der Europäischen Kommission zugelassen. Über die Dauer von Zulassungsverfahren liegen im Senat daher keine Kenntnisse vor und ein Handlungsbedarf für das Land Berlin besteht nicht. 7. Wie weit ist die Novellierung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Arzneimittelgesetzes fortgeschritten? Und welche Veränderungen sind geplant? Zu 7.: Arzneimittel: Die AMGVwV wurde zuletzt im Jahr 2006 über- arbeitet und von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats erlassen. Über eine geplante oder laufende Novellierung liegen keine Kenntnisse vor. 8. Wurden in 2010/2011/2012 in Berlin länderüber- greifende Audits zur Überprüfung der Übereinstimmung mit dem QM System gemäß der VAW 111102 „Durchführung von internen Audits“ durchgeführt? Und wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Zu 8.: Arzneimittel: Für das 4. Quartal 2012 ist ein länderübergreifendes Audit bei der Berliner Überwachungsbehörde (LAGeSo) und bei der Obersten Landesgesundheitsbehörde (Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales) geplant. 9. Wie viele Hersteller, Einfuhrunternehmen und Großhändler (bitte einzeln aufführen) unterliegen den Berliner Behörden? Zu 9.: Arzneimittel: In Berlin verfügen 140 Betriebsstätten über eine Er- laubnis zur Herstellung von Arzneimitteln gemäß § 13 AMG. Davon werden in 128 Betrieben ausschließlich Humanarzneimittel und in 12 Betrieben Human- und Veterinärarzneimittel hergestellt. 17 Firmen verfügen über eine Einfuhrerlaubnis gemäß § 72 AMG und 111 über eine Großhandelserlaubnis gemäß § 52a AMG. Unberücksichtigt bleiben Gewerbeeinrichtungen mit Erlaubnissen gemäß §§ 20b und 20c AMG, für deren Überwachung das Inspektorat gleichfalls zuständig ist. Medizinprodukte: In Berlin sind 302 Hersteller/Bevollmächtigte regis- triert (Stand 27.08.2012, Recherche bei der beim Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) geführten Datenbank). Einfuhrunternehmen und Großhändler unterliegen keinen besonderen Bestimmungen des MPG und werden daher nicht gesondert erfasst. 10. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in den Berliner Behörden (aufgeschlüsselt nach Oberster Landesbehörde, Überwachungsbehörde und Untersuchungsstelle ) mit der Überwachung beauftragt (in Vollzeitäquivalenten )? Zu 10.: Arzneimittel: Die Oberste Landesgesundheitsbehörde (Senatsver- waltung für Gesundheit und Soziales) nimmt keine Überwachungsaufgaben , sondern ausschließlich ministerielle Aufgaben wahr. In der Berliner Überwachungsbehörde LAGeSo sind zurzeit 7,5 (in Vollzeitäquivalenten) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter u. a. auch mit der GMP-Überwachung beauftragt . Medizinprodukte: Die Oberste Landesgesundheitsbehörde (Senatsver- waltung für Gesundheit und Soziales) nimmt keine Überwachungsaufgaben , sondern ministerielle Aufgaben wahr. In der Berliner Überwachungsbehörde LAGeSo sind zurzeit 6,6 (in Vollzeitäquivalenten) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Überwachung beauftragt. Arzneimittel und Medizinprodukte: Im Landeslabor Berlin-Brandenburg (LLBB) sind zurzeit 17,87 (in Vollzeitäquivalenten) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Untersuchung von Arzneimitteln 3 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 867 und Medizinprodukten, die als amtliche Proben von Überwachungsbehörden gezogen werden, beauftragt. Das LLBB bearbeitet mit diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Proben der beiden Trägerländer Berlin und Brandenburg, als auch auf vertraglicher Basis der Freistaaten Sachsen und Thüringen. Die Zahl umfasst Apothekerinnen und Apotheker, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie technische Assistentinnen und Assistenten einschließlich der Hilfskräfte. 11. Wie viel Verlagerung der Arzneimittelherstellung nach bzw. aus Berlin gab es seit 2010? Zu 11.: Arzneimittel: Eine Verlagerung von kompletten Produktionsstätten von Arzneimittelherstellern von Berlin weg oder nach Berlin ist seit 2010 nicht festzustellen. Über nicht auszuschließende Verlagerungen einzelner Produktionslinien ist eine Aussage nicht möglich. Berlin, den 21. September 2012 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Sep. 2012) 4