Drucksache 17/ 10 875 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Wolfgang Albers (LINKE) vom 22. August 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. August 2012) und Antwort Hat der Forschungsreaktor in Berlin-Wannsee noch eine Zukunft? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie sieht der Senat die Zukunft des vom Helm- holtz-Zentrum Berlin in Berlin Wannsee betriebenen Forschungsreaktors? Zu 1.: Der Forschungsreaktor am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) ist für die wissenschaftlichen Nutzerinnen und Nutzer aus aller Welt eine aktuell unersetzliche Forschungsinfrastruktur. Alternativen zu dieser Form einer kontinuierlichen Neutronenquelle gibt es derzeit nicht. Bis diese, ggf. in Form von geeigneten Spallationsquellen verfügbar werden, ist der Weiterbetrieb des Forschungsreaktors vorgesehen. 2. Auch die Verantwortlichen im Helmholtz- Zentrum Berlin betrachten diesen Forschungsreaktor technologisch und wissenschaftspolitisch als ein Auslaufmodell . Gibt es Bestrebungen, diese „kalte Neutronenquelle “ durch eine sogenannte „Spallationsquelle“ am gleichen Standort zu ersetzen? Zu 2.: Gegenwärtig wird in Pilotprojekten weltweit, u.a. im Rahmen des europäischen Infrastrukturprojektes ESS (European Spallation Source) in Lund (Schweden) getestet, inwieweit Forschungsreaktoren als Neutronenquellen durch Spallationsquellen ersetzt werden können. Erst wenn die technischen Voraussetzungen für den Bau und den Betrieb geeigneter Spallationsquellen vorliegen, wird der Senat zu dieser Frage tätig werden können. Die Möglichkeit, eine Spallationsquelle am HZB in Berlin zu errichten, kann ebenfalls erst erwogen werden, wenn belastbare Kostenschätzungen für diese Technologie verfügbar werden. 3. Welche Maßnahmen hat der Senat eingeleitet, die Zukunft dieses wichtigen Forschungsstandorts in Berlin zu sichern? Zu 3.: Der Senat ist als Zuwendungsgeber in den Aufsichtsgremien des Helmholtz-Zentrums Berlin vertreten und unterstützt dort nach Kräften die strategische Entwicklung dieses Wissenschaftsstandortes maßgeblich und nachhaltig. Da die Realisierbarkeit einer Spallationsquelle am HZB in Berlin gegenwärtig weder technisch noch finanziell abgeschätzt werden kann, setzt der Senat zusammen mit dem Zuwendungsgeber Bund derzeit auf die Unterstützung der Beteiligung der HZB-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Entwicklung der Spallationsquellen-Technologie zusammen mit europäischen und internationalen Partnern. Die so auch unmittelbar für die Forschung am HZB gesammelten Erfahrungen gewährleisten den Anschluss an die internationalen Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Neutronenquellen und stärken so den Forschungsstandort in Berlin langfristig und nachhaltig. 4. Hat der Senat diesbezüglich bereits Initiativen er- griffen und steht er dazu mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung im Gespräch? Zu 4.: Der Zuwendungsgeber Bund wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung in den Aufsichtsgremien des Helmholtz-Zentrums Berlin vertreten . Bund und Land stehen im Rahmen ihrer Aufgaben als Zuwendungsgeber fortlaufend im Gespräch, u.a. zu Fragen des zukünftigen Zugangs zu geeigneten Neutronenquellen für die Wissenschaftler des HZB. Bund und Land engagieren sich dazu aktuell gemeinsam für die Beteiligung des HZB am Design und an der Nutzung der zukünftigen Spallationsquelle in Lund (Schweden), deren Bau als übergreifendes europäisches Infrastrukturprojekt ESS (European Spallation Source) von insgesamt 17 Europäischen Ländern vorangetrieben wird. 5. Welche Haltung nimmt das zuständige Bundes- ministerium in dieser Frage ein? Zu 5.: Siehe Antwort zu 3. und 4. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 875 6. Wie viel Vorlaufzeit bräuchten entsprechende Vorbereitungen zur Errichtung einer BeschleunigerAnlage als Alternative zum bisherigen Reaktorbetrieb? Zu 6. Eine Vorlaufzeit von mehr als fünf Jahren scheint wahrscheinlich. Über diese grobe Schätzung hinaus gibt es jedoch hierzu noch keine belastbaren Aussagen , da derzeit viele technische Details noch entwickelt werden müssen. 7. Wie hoch wäre der Investitionsbedarf beim Bau einer solchen Anlage? Zu 7.: Dazu gibt es derzeit noch keine belastbaren Aussagen, da viele technische Details noch entwickelt werden müssen. 8. Welche Haltung nimmt die „Helmholtz-Gemein- schaft Deutscher Forschungszentren“ in dieser Frage ein? Zu 8.: Die unter 3. und 4. erläuterte Strategie der Zu- wendungsgeber basiert auf der eng abgestimmten Strategieplanung des HZB selbst und der „HelmholtzGemeinschaft Deutscher Forschungszentren“ insgesamt. Generell ist die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung als Zuwendungsgeber Berlin in den Strategieprozess der „Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren“ durch die Beteiligung in mehreren Gremien eingebunden, z.B. der Ausschuss der Zuwendungsgeber (AZG) und die Dialogplattformen „Energie“ und „Struktur der Materie“. 9. Sind andere Standorte in der Bundesrepublik für die Errichtung einer Spallationsquelle im Gespräch? Zu 9.: Soweit bekannt, sind keine Standorte in der Bundesrepublik für die Errichtung einer Spallationsquelle im Gespräch. 10. Wie viele Arbeitsplätze am Helmholtz-Zentrum Berlin sind unmittelbar von dem Betrieb des Forschungsreaktors abhängig? Zu 10.: Derzeit erfordert der unmittelbare Betrieb und die Nutzung des Forschungsreaktors die Tätigkeit von insgesamt 137 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Weiteres Personal wird im mittelbaren Umfeld und für die Infrastruktur im Zentrum benötigt, so dass insgesamt derzeit rund 200 Arbeitsplätze mit dem Betrieb des Forschungsreaktors verbunden sind. Kaum abschätzbar, jedoch zweifellos sehr groß, ist die Zahl der weltweit vom Betrieb des Forschungsreaktors abhängigen Arbeitsplätze für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Sie realisieren z.B. am Forschungsreaktor jedes Jahr in ca. 2500 Messtagen rd. 300 Experimente , welche in unzählig mehr Stunden vorbereitet und ausgewertet werden. Berlin, den 13. September 2012 In Vertretung Nicolas Z i m m e r ................................................................. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Sep. 2012) 2