Drucksache 17 / 10 891 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Evrim Sommer (LINKE) vom 29. August 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. August 2012) und Antwort Unzureichende ÖPNV-Anbindung des Nibelungenviertels nach Einstellung der Buslinie 193? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Die Kleine Anfrage betrifft teilweise Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Frage zukommen zu lassen und hat daher die BVG AöR um eine Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Sie wird nachfolgend gekennzeichnet wiedergegeben. Frage 1: Die Buslinie 193 war mit ihren Haltestellen Kinderkrankenhaus Lindenhof und Gotlinde-straße/Siegfriedstraße eine wichtige und gern benutzte Strecke für die Bewohner der Gotlinde- und der Ortliebstraße, aber auch zunehmend für die Einwohner des neuentstandenen Eigenheimgebietes in der Kriemhildstraße. Wie bewertet der Senat auch vor dem Hintergrund des höheren Alters größerer Teile der betroffenen Wohnbevölkerung die Einstellung der Buslinie 193? Antwort zu 1.: Die Entscheidung zur Einstellung der Buslinie 193 beruht auf folgenden Planungsgrundsätzen des Aufgabenträgers: Aufgrund der nur begrenzt verfügbaren öffentlichen finanziellen Mittel zur Bestellung von ÖPNV-Leistungen muss das ÖPNV-Angebot der vorhandenen Fahrgastnachfrage möglichst gut entsprechen , denn es gilt, die begrenzten Mittel effektiv einzusetzen . Das vorhandene Angebot wird daher vom Aufgabenträger gemeinsam mit der BVG AöR regelmäßig überprüft, um gegebenenfalls schwach nachgefragte Leistungen auf Strecken und Zeiten mit hoher Nachfrage und einem Bedarf an Angebotsausweitungen zu verlagern . Sinnvolle beziehungsweise notwendige Ausweitungen an einer Stelle müssen dabei leider mit Einsparungen an anderer Stelle kompensiert werden. Die Mittel werden jedoch so umverteilt, dass sie erheblich mehr Fahrgästen zu Gute kommen als zuvor. Hierbei wird stets geprüft, ob die Stadtgebiete weiterhin entsprechend den Vorgaben der Eckpunkte des Nahverkehrsplanes mit dem öffentlichen Nahverkehr erschlossen werden. Die Ringbuslinie 193 erfüllte in ihrer Hauptfunktion die Anbindung der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Lindenhof in der Gotlindestraße 2 an den öffentlichen Personennahverkehr. Das Betriebsprogramm der Linie 193 war aufgrund der geringen Nachfrage auf den Zeitraum Montag bis Freitag von ca. 6:00 bis 18:00 Uhr beschränkt. Mit der Schließung des Krankenhauses im März 2012 verlor die Linie 193 ihre Hauptfunktion, weshalb der weitere Fortbestand der Linie unter Berücksichtigung der geringeren Nachfrage gegenüber einem Einsatz der Mittel für andere Angebote mit höherer Fahrgastnachfrage abzuwägen war. Die BVG AöR entschied sich gemeinsam mit dem Land Berlin als Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs für eine Einstellung der Linie 193 bei gleichzeitiger Verlängerung der Linie 256 vom bisherigen Endpunkt S+U Lichtenberg/Siegfriedstraße zum neuen Endpunkt Zentralfriedhof im Rahmen der bisherigen Bedienzeiten der Linie 193. Hierdurch werden mit Ausnahme der Haltestelle Kinderkrankenhaus Lindenhof alle bisher durch die Linie 193 bedienten Haltestellen von den Buslinien 240 und 256 oder den Straßenbahnlinien 21 und 37 bedient. Die bestehende Wohnbebauung im Bereich der einzigen entfallenen Haltesstelle Kinderkrankenhaus Lindenhof ist weiterhin durch die aufgeführten Linien 240, 256, 21 und 37 erreichbar. Die durch die aktuellen Eckpunkte des Nahverkehrsplanes des Landes Berlin vorgegebenen Erschließungsstandards werden wie bisher eingehalten. Die frei gewordenen Mittel konnten unter anderem für eine Ausweitung des 10-Minuten-Taktes auf der Linie 296 zwischen S- und UBahnhof Lichtenberg und U-Bahnhof Tierpark genutzt werden. Vor dem Hintergrund der benannten Rahmenbedin- gungen bewertet der Senat die vorgenommene Maßnahme als angemessen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 891 Frage 2: Wie genau, mit welchen Untersuchungs- und Bewertungsinstrumenten wurde die Entscheidung der Einstellung der Buslinie 193 in der BVG aus welchen Gründen getroffen? Antwort zu 2.: Die BVG AöR teilt hierzu mit: „Die Linie 193 verzeichnete täglich bei 31 Fahrten lediglich 345 einsteigende Fahrgäste an allen Haltestellen, davon alleine 147 am S- und U-Bhf. Lichtenberg sowie 142 am Kinderkrankenhaus Lindenhof. Daraus wird deutlich, dass die Linie überwiegend der Anbindung des Kinderkrankenhauses an den Bahnhof Lichtenberg diente. Durch die Schließung des Kinderkrankenhauses und dem daraus resultierenden Wegfall eines Großteils der Fahrgäste war ein wirtschaftlicher Betrieb der Linie nicht mehr darstellbar . Durch den Wegfall der Linie 193 wurde nur die Haltestelle am nicht mehr existierenden Kinderkrankenhaus aufgegeben. Alle anderen Haltestellen werden durch die im Gegenzug bis zur Rüdigerstraße / Kriemhildstraße verlängerte Linie 256 bzw. durch die Straßenbahn bedient.“ Frage 3: Wurden im Rahmen des Entscheidungs- prozesses Vertreter der Wohnbevölkerung, das zuständige Stadtteilzentrum, das Bezirksamt, die Bezirksverordnetenversammlung oder der Senat einbezogen? Wenn ja, wann und in welcher Art und Weise? Wenn nein, warum nicht? Frage 4: Hat insbesondere das Bezirksamt versucht, und wenn ja, mit welchen Mitteln, eine Einstellung der Buslinie 193 zu vermeiden, bzw. welche Alternativvorschläge für eine gleichwertige ÖPNV-Anbindung hat das Bezirksamt wann und durch wen gegenüber dem Senat oder der BVG vorgetragen? Antwort zu 3. und 4.: Die BVG AöR, die für die Abstimmung mit den Bezirken federführend zuständig ist, teilt hierzu mit: „Die BVG AöR hat die genannten Maßnahmen beim Aufgabenträger beantragt und die Genehmigung erhalten. Diesem Verfahren war im Jahr 2011 eine einvernehmliche Entscheidungsfindung in der AG ÖPNV des Bezirks Lichtenberg vorausgegangen. An der regelmäßig stattfindenden AG ÖPNV nehmen die zuständigen Vertreter der BVG AöR, der Bezirksverwaltung und des Senats sowie der zuständige Stadtrat teil. Frage 5: Haben der Senat und die BVG Kenntnis von der Gründung einer Bürgerinitiative, die sich für eine gleichwertige ÖPNV-Anbindung des entsprechenden Wohngebietes einsetzt, und wie bewerten der Senat und die BVG die Änderungsvorschläge der Initiative? Antwort zu 5.: Dem Senat ist die Gründung einer Bürgerinitiative aus Presseartikeln bekannt. Die Änderungsvorschläge der Bürgerinitiative beziehen sich nach Kenntnis des Aufgabenträgers auf eine Ausweitung der Betriebszeiten durch Führung aller Fahrten der Linie 256 bis Zentralfriedhof. Des Weiteren soll die bisherige Straßenbahnhaltestelle Gotlindestraße auch von den Buslinien 240 und 256 bedient werden. Zudem wird eine veränderte Linienführung der Linie 256 durch die Hagenstraße und die Rüdigerstraße vorgeschlagen. Für die Ausweitung der Betriebszeiten der Linie 256 würden sich im Vergleich zum derzeit bestehenden Angebot deutliche Mehrkosten ergeben. Angesichts der Aufrechterhaltung der bisherigen Betriebszeiten der Linie 193 und der gesunkenen Nachfrage durch die Schließung des Kinderkrankenhauses Lindenhof beurteilt auch der Senat diese Maßnahme aktuell als nicht sinnvoll. Die Einrichtung einer Haltestelle für die Buslinien 240 und 256 im Bereich Siegfriedstraße/Gotlindestraße wird der Aufgabenträger gemeinsam mit der BVG AöR prüfen. Eine Linienführung über die Hagenstraße und die Rüdigerstraße scheitert an einer ungenügenden Befahrbarkeit, da die relativ schmalen Straßen einen Begegnungsverkehr mit Bussen in bestimmten Abschnitten nicht ermöglichen. Darüber hinaus sind die als Tempo-30-Zone ausgewiesenen Wohngebietsstraßen, die teilweise Kopfsteinpflaster aufweisen und die mit Rechts-vor-Links-Vorfahrt versehenen Kreuzungen aufgrund geringer Durchfahrtsgeschwindigkeiten und der resultierenden Lärmbelastung nur sehr eingeschränkt für einen regelmäßigen öffentlichen Linienverkehr geeignet. Auch der BVG AöR ist die Gründung einer Bür- gerinitiative durch eine Anfrage der Presse bekannt. Hinsichtlich der Änderungsvorschläge der Bürgerinitiative teilt die BVG AöR mit: „Nach Kenntnisstand der BVG AöR verlangt die Bürgerinitiative eine verlängerte Betriebszeit der Linie 256. Dies ist aus Sicht der BVG AöR nicht sinnvoll, da die Linie 256 zu denselben Zeiten angeboten wird, zu denen die Linie 193 entfiel. Angesichts der mit Schließung des Kinderkrankenhauses stark gesunkenen Nachfrage ist eine Ausdehnung der Betriebszeiten wirtschaftlich nicht darstellbar, zumal sie durch Leistungsreduzierung an anderer Stelle ausgeglichen werden müsste. Auch ein Einwohnerzuwachs in der Kriemhildstraße gleicht die Fahrgast-Verluste durch die Schließung des Krankenhauses bisher nicht aus.“ Der Aufgabenträger wird jedoch gemeinsam mit der BVG die zukünftige Nachfrageentwicklung im Wohngebiet auch vor dem Hintergrund der geplanten Neubauprojekte weiterhin beobachten. Bei steigendem Bedarf werden Angebotsanpassungen in Form von Fahrplanbzw . Linienänderungen geprüft. Berlin, den 17. September 2012 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Sep. 2012) 2