Drucksache 17 / 10 922 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 05. September 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. September 2012) und Antwort Finanzierung des RWE-Anteils an den Berliner Wasserbetrieben Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Auf welcher gesetzlichen Grundlage will der Senat von Berlin die Kreditaufnahme in dreistelliger Millionenhöhe für das Rückkaufgeschäft Berlins an den RWEAnteilen durch eine vom Land Berlin eigens zu gründende und beherrschte Finanzierungsgesellschaft ermöglichen ? 2. Teilt der Senat die Einschätzung, dass es jenseits der gesetzlichen Ermächtigung zur Übernahme von „Bürgschaften und Garantien zur Absicherung von Krediten im Zusammenhang mit öffentlichen Infrastrukturmaßnahmen bis zu 700.000.000 Euro“ (§ 3 Abs. 10 Haushaltsgesetz 2012/2013, GVBl. S. 173) für die Kreditaufnahme durch vom Land beherrschte Unternehmen einer selbstständigen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf (vgl. Pfennig/Neumann, VvB Kommentar, Berlin und New York 2000, S. 584 – Normzweck: keine Flucht aus der Budgetkontrolle in das Privatrecht)? Wenn nein: welche Expertise wurde hierzu herangezogen? Zu 1. und 2.: Die für den Rückerwerb der RWEAnteile zu gründende Erwerbs- und Finanzierungsgesellschaft ist ein Beteiligungsunternehmen des Landes gemäß § 65 Landeshaushaltsordnung (LHO). Für die Kreditaufnahme durch ein Beteiligungsunternehmen bedarf es keiner gesetzlichen Grundlage. Mit der Abgeordnetenhausvorlage zum Rückerwerb der RWE-Anteile wird von den Abgeordneten die Zustimmung zur Gründung der Finanzierungsgesellschaft gemäß § 65 Abs. 6 LHO erbeten. Aus dem zur Zustimmung vorzulegenden Gesellschaftsvertrag ergibt sich, dass die Gesellschaft zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt sein soll, die geeignet sind, dem Geschäftszweck (Erwerb und Verwaltung von Beteiligungen an den Berliner Wasserbetrieben) zu dienen, also auch zur Kreditaufnahme. Die Bürgschaftsgewährung an die Erwerbs- und Finanzierungsgesellschaft zur Sicherung des IBB-Kredits an die Gesellschaft wiederum bedarf einer gesetzlichen Ermächtigung. Diese liegt in § 3 (10) Haushaltsgesetz (HG) 2012/13 mit Hauptausschuss-Vorbehalt vor. Mit der Abgeordnetenhausvorlage zum Rückerwerb der RWEAnteile wird auch die Hauptausschuss-Zustimmung zur Bürgschaft eingeholt. Den parlamentarischen Rechten wird mithin durch den Einwilligungsvorbehalt nach § 65 Abs. 6 LHO in Verbindung mit dem Zustimmungsvorbehalt des Hauptausschusses zur Gewährleistungsermächtigung in § 3 Abs. 10 Satz 1 HG 12/13 vollständig Rechnung getragen. Einer selbständigen Ermächtigungsgrundlage für die Kreditaufnahme durch vom Land beherrschte Unternehmen bedarf es daher nicht. Für die rechtliche Unterstützung zum Anteilskauf wurde die Rechtsanwaltskanzlei Luther beauftragt. Diese hat neben juristischen Einzelfragen maßgeblich die Vertragsverhandlungen und die Vertragsausarbeitungen des nunmehr vorliegenden Anteilskaufvertrages begleitet. 3. Hat der Senat für das geplante Rückkaufgeschäft noch andere Finanzierungswege (z.B. Kreditaufnahme unmittelbar durch das Land, nicht genutzte Deckungskreditermächtigungen bzw. direkt über die IBB), mit Blick auf die Finanzierungskonditionen ihre Auswirkungen auf die Haushalts- bzw. Wasserpreisentwicklung, geprüft? Wenn ja, welche und mit welchen Vorzügen bzw. Nachteilen gegenüber der nunmehr geplanten Variante über eine Finanzierungsgesellschaft? Zu 3.: Der Senat hat selbstverständlich alle in Frage kommenden Finanzierungswege geprüft: Bei einem Direktkauf müsste das Land Berlin in die Vertragsverhältnisse zwischen der RWE-Veolia Berlinwasser Beteiligungs GmbH (RVB) und der RWE Aqua GmbH eintreten (z.B. in einen Vertrag über eine Betriebsmittelkreditlinie mit im Zeitablauf schwankender Inanspruchnahme), Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 922 so dass aus Gründen der finanziellen Flexibilität die Zwischenschaltung einer Erwerbs- und Finanzierungsgesellschaft vorteilhaft ist. Dadurch wird gewährleistet, dass die landeseigene Erwerbs- und Finanzierungsgesellschaft bei Ausscheiden der RWE Aqua GmbH nahtlos in die Geschäftsabläufe zwischen der RWE Aqua GmbH und der RVB eintreten kann. Die für die öffentliche Hand bestehende beschränkte Körperschaftsteuerpflicht für Ausschüttungen von Beteiligungsunternehmen (hier der RVB) wird durch die Rechtsformwahl der Finanzierungsgesellschaft auch bei einer mittelbaren Beteiligung des Landes Berlin an der RVB gewahrt, d.h. steuerliche Vor- oder Nachteile ergeben sich nicht. Vorteil der Zwischenfinanzierung über die Erwerbs- und Finanzierungsgesellschaft respektive einer Langfristfinanzierung im Wege der Kapitalherabsetzung bei den Berliner Wasserbetrieben (BWB) gegenüber einer Kreditfinanzierung aus dem Haushalt ist, dass die Rekommunalisierung unmittelbar aus den BWB selbst finanziert und somit eine Belastung des Landeshaushalts vermieden wird. Da Fremdkapitalzinsen und Kredittilgung nach der Berliner Wassertarifverordnung (WTVO) nicht in die Wassertarife eingehen dürfen, gehen die entsprechenden Belastungen zu Lasten der Eigentümer der BWB und damit auch zu Lasten von Veolia. Veolia muss einer Kapitalherabsetzung zustimmen und würde dann zu 25% partizipieren. Bei einer direkten Finanzierung über den Landes- haushalt wäre eine Zinskostenersparnis von lediglich ca. 0,7 Mio. € p.a. bzw. von ca. 10 Basispunkten zu erwarten. Diese marginalen Mehrkosten in Bezug auf das Transaktionsvolumen verbleiben bei der Refinanzierung der Finanzierungsgesellschaft über die landeseigene IBB jedoch ohnehin weitgehend im „Konzern“ Land Berlin. 4. Welche Folgen hätte eine geplante, spätere Eigenkapitalherabsetzung der BWB auf die Geldabflüsse hin zum verbleibenden Anteilseigner der BWB in der RVB, Veolia, und über die Refinanzierung des entnommenen Eigenkapitals für die Wasserpreisentwicklung ? Zu 4.: Die geplante, spätere Eigenkapitalherabsetzung in Höhe von 850 Mio. € bei den BWB führt dazu, dass der verbleibende Anteilseigner Veolia davon rd. 212 Mio. € erhielte. Auf das Land Berlin entfielen rd. 638 Mio. € zur Ablösung der Übergangsfinanzierung. Die Kapitalherabsetzung wird durch eine Kreditaufnahme der BWB finanziert werden. Nach der WTVO dürfen Zins- und Tilgungszahlungen nicht in die Wasserpreise einkalkuliert werden. Die entsprechenden Belastungen infolge der Kapitalherabsetzung sind mithin von den Eigentümern der Berlinwasser Gruppe zu tragen, nicht jedoch von den Wasserkundinnen und Wasserkunden. Pro Jahr werden über einen Zeitraum von 30 Jahren rd. 41 Mio. € Zins- und Tilgungsleistungen aufzubringen sein; Veolia wären davon 25% zuzurechnen. Die Refinanzierung des Rückkaufs der RWE-Anteile an den Berliner Wasserbetrieben kann auch mit den durch das Bundeskartellamt verfügten Wasserpreissenkungen aus den zusätzlichen Gewinnen der übernommenen Anteile sichergestellt werden, ohne den Landeshaushalt zu belasten. Die Transaktion wurde dahingehend einem Stresstest unterzogen. Hierzu wurde als Stress-Szenario die Verfügung des Bundeskartellamtes vom 05.06.2012 zugrunde gelegt. Danach wären die abgabenbereinigten Frischwasserpreise (nicht Abwasser- oder Gesamtwasserpreise ) im Jahr 2012 durchschnittlich um 17% bezogen auf den aktuellen Frischwasserpreis von 2,25 €/m³ abzusenken . Das Ergebnis des Stresstests bestätigt, dass der Kauf- preis unter den zuvor genannten Rahmenbedingungen zu finanzieren ist. Der Geschäftsanteilskauf erweist sich im Rahmen des unterstellten Stress-Szenarios als wirtschaftlich . Selbst wenn die Wasserpreise so gesenkt werden, wie es das Bundeskartellamt fordert, reichen die Gewinne aus dem 25%igen Anteil, um Zins und Tilgung ohne Einsatz von Haushaltsmitteln bedienen zu können. Berlin, den 02. Oktober 2012 In Vertretung Klaus Feiler Senatsverwaltung für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Okt. 2012) 2