Drucksache 17 / 10 949 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Alexander J. Herrmann (CDU) vom 10. September 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. September 2012) und Antwort Kleine und mittlere Betriebe durch Bürokratieabbau entlasten Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Ist dem Senat bekannt, dass die aktuell geltenden Aufbewahrungsfristen von Rechnungen und anderen Belegen im Steuer-, Sozial- sowie Handelsrecht mit jährlichen Mehrbelastungen in Milliardenhöhe insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen sowie gleichwohl für die Gesamtwirtschaft des Landes Berlin verbunden sind? Zu 1.: Im Beschluss des Bundeskabinetts „Eckpunkte zur weiteren Entlastung der Wirtschaft von Bürokratiekosten “ vom 14.12.2011 werden die Kosten für Archivierung und Aufbewahrung von Rechnungen und anderen Belegen bei der Wirtschaft in einer Höhe von mehreren Milliarden Euro pro Jahr angegeben. Die Bundesregierung hat daher im Rahmen des Gesetzentwurfs eines Jahressteuergesetzes 2013 (JStG 2013 -Bundesratsdrucksache 302/12) vorgeschlagen, dass die Aufbewahrungsfristen nach der Abgabenordnung im Interesse des Bürokratieabbaus ab 2013 zunächst auf acht Jahre und in einem weiteren Schritt ab 2015 auf sieben Jahre verkürzt werden sollen. In den parlamentarischen Beratungen werden sogar weitergehende Forderungen erhoben (Verkürzung auf fünf Jahre). In der Gesetzesbegründung zum JStG 2013 geht die Bundesregierung auf Grund einer Befragung von 105 Unternehmen unterschiedlicher Unternehmensgröße durch das Statistische Bundesamt von einem bisherigen Erfüllungsaufwand auf Seiten der Wirtschaft von 24 Mrd. Euro aus. Durch die im Gesetzentwurf beabsichtigte Verringerung der Aufbewahrungsfristen auf acht Jahre könne von einem Einsparpotenzial von rund 1,68 Mrd Euro und bei der Verkürzung auf sieben Jahre von einem Einsparpotenzial von rund 2,5 Mrd. Euro ausgegangen werden. Veränderungen bei den Aufbewahrungsfristen wirken sich nach allgemeiner Ansicht auf das Aufkommen von Steuern und Abgaben aus. Nach Untersuchungen der Bundesregierung im Rahmen des Projekts „Harmonisierung und Verkürzung der Aufbewahrungs- und Prüfungsfristen nach Handels-, Steuer- und Sozialrecht“, das in enger Zusammenarbeit zwischen dem Bundesministerium der Finanzen, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dem Bundesministerium der Justiz, der Geschäftsstelle Bürokratieabbau im Bundeskanzleramt und dem Statistischen Bundesamt durchgeführt und vom Nationalen Normenkontrollrat unter methodischen Gesichtspunkten begleitet wurde, müsste bei einer Verkürzung der Aufbewahrungsfristen auf fünf Jahre bundesweit mit Steuermindereinnahmen in Höhe von 3 Mrd. Euro jährlich gerechnet werden. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat zwischen- zeitlich Zahlen vorgelegt, die den voraussichtlichen Ausfall mit 1,5 Mrd. Euro jährlich beziffern. Die genauen Berechnungsgrundlagen für diese Angaben sind dem Senat nicht bekannt. 2. Wie bewertet der Senat vor dem Hintergrund die- ser nachweislich negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft im Ganzen, insbesondere jedoch auf die kleinen und mittleren Berliner Betriebe den Vorstoß der Bundesregierung , die Aufbewahrungsfristen auf 5 Jahre zu reduzieren und zu vereinheitlichen, um so einen Beitrag zum Bürokratieabbau sowie zur deutlichen Entlastung auch der Berliner Unternehmen zu leisten? Zu 2.: Der Bundesrat hat sich – mit der Stimme Berlins – in seiner Stellungnahme zum Entwurf des JStG 2013 dafür ausgesprochen, keine Verkürzung der derzeitigen Aufbewahrungsfristen von zehn Jahren um zwei bzw. drei Jahre vorzunehmen. Als Begründung dieser Meinungsäußerung wird vom Bundesrat u. a. ausgeführt (Ziff. 50 BR-Drs.: 302/12 (B)): Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 949 „Die Finanzbehörden sind gesetzlich verpflichtet, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts findet diese Verpflichtung insbesondere im sog. Verifikationsprinzip ihren Niederschlag. Danach muss die Finanzverwaltung in der Lage sein, die Angaben in den Steuererklärungen anhand von Belegen, Buchführungsunterlagen und anderen steuerlich relevanten Unterlagen effektiv auf ihre Richtigkeit überprüfen zu können. Hierbei kommt den Außenprüfungsdiensten eine besondere Verantwortung zu. Die beabsichtigte Verkürzung der derzeit 10jährigen Aufbewahrungsfrist um 2 bzw. 3 Jahre wirkt dieser Aufgabenstellung strukturell entgegen. Sie führt gerade in Betriebs- und Steuerfahndungsprüfungen, in denen wegen einer leichtfertigen Steuerverkürzung oder vorsätzlichen Steuerhinterziehung die Überprüfungsmöglichkeiten der Steuerverwaltung wegen der Verlängerung der Festsetzungsfrist auf 5 bzw. 10 Jahre (§ 169 Absatz 2 Satz 2 AO) zeitlich umfangreicher ausgestaltet sind, zu einer inhaltlich eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit und damit de facto zu einer Verkürzung der Festsetzungsfrist. Zudem würden in derartigen Fällen strafrechtliche Ermittlungen unnötig erschwert, da die erforderlichen Beweismittel mangels gesetzlicher Aufbewahrungspflicht vielfach nicht mehr vorhanden wären. Schätzungen von Besteuerungsgrundlagen für Jahre, für die keine beweiskräftigen Unterlagen mehr vorliegen, haben strafrechtlich nur eingeschränkten Aussagegehalt und unterliegen nach der Rechtsprechung verschärften Voraussetzungen.“ 3. Sind dem Senat die Positionen anderer Bundeslän- der zu diesem Vorhaben bekannt, wenn ja, welche? Zu 3.: Die vorgenannte Stellungnahme zum JStG 2013 ist vom Bundesrat mit Mehrheit beschlossen worden. Aufzeichnungen zum Abstimmungsverhalten anderer Länder zu einzelnen Ziffern der den Beratungen zu Grunde liegenden Empfehlungsdrucksache liegen dem Senat nicht vor. 4. Wird der Senat insbesondere im Interesse der klei- nen und mittleren Berliner Unternehmen die Initiative zur Reduzierung und Vereinheitlichung der Aufbewahrungsfristen im Bundesrat unterstützen und gegebenenfalls in den anderen Bundesländern für dieses Anliegen aktiv werben? Zu 4.: Der Senat wird die Diskussion zwischen Bund und Ländern zur Verkürzung der Aufbewahrungsfristen auch vor dem Hintergrund der Interessen der Berliner Wirtschaft weiterhin aktiv begleiten. Der Senat wird sein Stimmverhalten im Bundesrat im zweiten Durchgang zum Jahressteuergesetz 2013 in Würdigung der Gesamtwirkungen des Gesetzesbeschlusses zu gegebener Zeit festlegen. Dabei werden Überlegungen zum Konsolidierungserfordernis des Berliner Haushalts und zum Ziel einer gerechten Besteuerung sowie die berechtigten Anliegen der Wirtschaft, Verbraucher und der Verwaltung von wesentlicher Bedeutung sein. Berlin, den 04. Oktober 2012 In Vertretung Klaus Feiler Senatsverwaltung für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Okt. 2012) 2