Drucksache 17 / 10 958 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfgang Brauer (LINKE) vom 12. September 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. September 2012) und Antwort Kulturpolitik ist Beteiligungspolitik Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. In welcher Form und über welche Verfahrensweise ermöglicht der Senat die Beteiligung und Mitwirkung von Verbänden und Initiativen bei kulturellen Angelegenheiten ? Zu 1.: Die Einbindung von Expertinnen und Experten zur Vorbereitung und Qualifizierung von kulturpolitischen Entscheidungen gehört seit vielen Jahren zu den Grundpfeilern der Berliner Kulturpolitik. Bei der Besetzung von Jurys für die Förderprogramme im Bereich Stipendien und Projektförderung werden Verbände und Initiativen um Personalvorschläge gebeten. Für die Evaluation von konzeptgeförderten, privatrechtrechtlich organisierten Theatern und Theater-/Tanzgruppen werden die Fachverbände um die Benennung von Sachverständigen für die Berufung durch die Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten (Skzl – Kult) gebeten. Die Tarifverhandlungen „Normalvertrag Bühne“ werden durch den Deutschen Bühnenverein geführt. Jour fixe bestehen u.a. mit dem Netzwerk künstlerische Projekträume, dem Atelierbüro des Kulturwerks des bbk berlin und dem Tanzbüro Berlin. Hier werden aktuelle Themen besprochen darunter auch Vorschläge für Gremienbesetzungen. Bereits mit dem Symposium „be Berlin – be diverse“ hat die Skzl – Kult gemeinsam mit der gemeinnützigen Hertie-Stiftung einen strukturierten Dialog mit Akteurinnen und Akteuren aufgenommen. Aus der Initiative hat sich eine – von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern empfohlene – regelmäßige Veranstaltungsreihe zu Fragen der besseren Einbindung der Ressource kulturelle Vielfalt entwickelt. Im November 2012 ist eine Dialogveranstaltung mit Vertreterinnen und Vertretern von Verbänden, Initiativen und Institutionen der Bildenden Kunst geplant, um Stand und Perspektive der Kunststadt Berlin gemeinsam mit der Politik zu erörtern. Im Bereich der Gedenkstätten und der Zeitgeschichte sind die Verbände und Initiativen institutionell durch die beiden Berlin-Brandenburgischen Arbeitskreise der Gedenkstätten und Opferverbände/Initiativen länderübergreifend eingebunden. Dazu kommen die punktuellen Kooperationen und Konsultationen bei Einzelaktionen mit einem erweiterten oder spezifischen Kreis von Betroffenen und Beteiligten. Zudem wurden bei der Konzeptionierung des Gesamtkonzeptes mit verschiedenen Hearings, Bürgerveranstaltungen und einer Internetbeteiligung der Bürgerinnen und Bürger beste Erfahrungen gesammelt. Einen Austausch zu kulturpolitischen Fragen gibt es überdies mit Vertreterinnen und Vertretern des Rates für die Künste, der bei der Besetzung der Jury des Hauptstadtkulturfonds zudem um Vorschläge gebeten wird. 2. Wann und in welcher Form und Verfahrensweise nutzt der Senat die Möglichkeit, sich von der Akademie der Künste beraten zu lassen? Zu 2.: Gemäß Satzung berät die Akademie der Künste (AdK) die Bundesrepublik Deutschland in Angelegenheiten der Kunst und Kultur; sie kann auch andere staatliche Stellen und gesellschaftliche Kräfte beraten. Das Land Berlin berät die AdK strukturell und themenbezogen. So ist sie z.B. zu der oben erwähnten Dialogveranstaltung neben anderen Organisationen eingeladen . Für die Evaluation von konzeptgeförderten, privatrechtrechtlich organisierten Theatern und Theater-/Tanzgruppen benennt auch die AdK Sachverständige. Die Anweisung Bau des Landes Berlin räumt der Akademie ein Vorschlagsrecht für die Mitglieder des Beratungsausschuss Kunst ein. Derzeit gehören dem Beratungsausschuss, der die Skzl – Kult in Fragen von Wettbewerben zur Kunst am Bau und im Stadtraum berät, zwei Vertreterinnen bzw. Vertreter an. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 958 3. Wie werden wissenschaftliche Forschungser- gebnisse und die Potenziale von Wissenschaftseinrichtungen von der Kulturverwaltung für die Weiterentwicklung der kulturpolitischen Strategie genutzt, u.a. hinsichtlich der kulturellen Bedürfnisse der migrantischen Bevölkerung Berlins oder auf dem Gebiet der kulturellen Bildung? Zu 3.: Wissenschaftliche Forschungsergebnisse bzw. die Potenziale von Wissenschaftseinrichtungen werden selbstverständlich als Quellen für die Entwicklung kulturpolitischer Strategien genutzt. Beispiele sind die qualitativ-psychologische Studie zu den Lebenswelten von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland der Sinus Sociovision sowie die Hertie-Berlin-Studie II zum Thema Interkulturelle Kultur. Für die Weiterentwicklung des Berliner Rahmenkon- zeptes kulturelle Bildung ist aktuell die Einrichtung einer temporären „Denkwerkstatt“ in Vorbereitung, an der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Berliner Hochschulen beteiligt sein werden. Über die Ergebnisse der „Denkwerkstatt“ wird das Abgeordnetenhaus im Zuge der Berichterstattung über die Fortentwicklung des Rahmenkonzeptes kulturelle Bildung unterrichtet werden. Im Bereich der Gedenkstätten und der Zeitgeschichte ist der Bezug zur aktuellen Forschung unverzichtbar und wird sowohl über die Beteiligung bei den wissenschaftlichen Beiräten der Gedenkstätten wie auch in der Vorbereitung neuer Projekte (wie z.B. der weltweite wissenschaftliche Beraterkreis für das Zentrum Kalter Krieg im International Cold War Projekt der WoodrowWilson -Foundation in Washington) hergestellt. 4. In welchen Fällen wird die Kulturverwaltung zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert und welche Erfahrungen gibt es hinsichtlich der Berücksichtigung kultureller Belange bei der Erarbeitung von Senatsvorlagen ? Zu 4.: Eine Aufforderung zu Stellungnahmen bzw. die Einbindung in das offizielle Mitzeichnungsverfahren von Vorlagen anderer Senatsverwaltungen erfolgt in der Regel dann, wenn kulturpolitisch relevante Fragen berührt werden. Das ist z. B. beim Berliner Rahmenkonzept kulturelle Bildung der Fall, das unter der Federführung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft in enger Kooperation mit der Senatskanzlei - Kulturelle Angelegenheiten fortgeschrieben wird. Im Bereich der Zeitgeschichte erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit anderen Verwaltungen und Institutionen; z.B. bei der historischen Markierung des Tempelhofer Feldes oder der ehemaligen Haftanstalt in Rummelsburg wird wie auch bei einschlägigen Wettbewerben mit zeitgeschichtlichem Bezug die Expertise der Skzl – Kult abgerufen. 5. Welche Erfahrungen der ressortübergreifenden Zusammenarbeit aus den vergangenen Jahren lassen sich auf künftige Projekte übertragen? Zu 5.: Als erfolgreich kann die Zusammenarbeit zwischen der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft und der Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten auf dem Gebiet der kulturellen Bildung bezeichnet werden. Bedingungen für das Gelingen einer zielgerichteten ressortübergreifenden Kooperation sind die eindeutige Auftrags- und Aufgabenklärung und die Schaffung von geregelten und partnerschaftlichen Kommunikationsstrukturen (z. B. Einrichtung der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe auf Arbeitsebene). Erwähnenswert sind aber auch die ausgezeichneten Erfahrungen bei der Erarbeitung und Umsetzung des Gesamtkonzeptes Berliner Mauer hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen der Skzl – Kult, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, der Senatsverwaltung für Finanzen sowie verschiedensten bezirklichen Dienststellen. Im Bereich der Zusammenarbeit von Haupt- und Bezirksverwaltungen wäre z.B. auf das Ballhaus Naunynstraße hinzuweisen. Dank konzertierten Handelns von Skzl – Kult und dem Bezirksamt FriedrichshainKreuzberg konnte ein wichtiger Impuls in das Quartier gesetzt und zugleich ein nationales und internationales Referenzprojekt initiiert werden. Berlin, den 30. September 2012 In Vertretung André Schmitz Der Regierende Bürgermeister von Berlin Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Okt. 2012) 2