Drucksache 17 / 10 974 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Özcan Mutlu (GRÜNE) vom 12. September 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. September 2012) und Antwort Sprachstanderhebungen in Berliner Schulen II Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Funktionieren die Sprachstanderhebungsinstru- mente auch als Diagnoseinstrument und werden Sprachfehler oder generelle Lernschwächen bei den Sprachtests berücksichtigt? Zu 1.: Das Sprachstandserhebungsinstrument für Kinder, die im Jahr vor Eintritt in die Schule noch nicht in einer Einrichtung der Jugendhilfe waren, ist Deutsch Plus 4. Deutsch Plus 4 ist ein Screening-Verfahren. Als Ergebnis kann nur festgestellt werden, ob das Kind Sprachförderbedarf hat oder nicht. Sprachfehler oder generelle Lernschwächen ermittelt das Diagnoseinstrument nicht. 2. Inwieweit werden die Ergebnisse zum Entwick- lungsstand eines Kindes aus der Sprachstanderhebung und der ärztlichen Schulanfangsuntersuchung miteinander verglichen? Zu 2.: Die Ergebnisse des Sprachstandsfeststellungs- verfahrens werden nicht mit der schulärztlichen Untersuchung verglichen. Gleichwohl ist mit der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales abgestimmt worden, wonach die Eltern gebeten werden, das Ergebnis des Sprachstandsfeststellungsverfahrens bei der schulärztlichen Untersuchung vorzulegen. 3. Wie sichert der Senat, dass alle Kinder, die keine Kita besuchen, rechtzeitig ein Jahr vor der Einschulung den Sprachstanderhebungstest absolvieren? Zu 3.: Gemäß § 55 Absatz 1 Schulgesetz wird bis zum 31. Mai eines jeden Kalenderjahres bei allen Kindern, die im folgenden Kalenderjahr regelmäßig schulpflichtig werden, festgestellt, ob die deutschen Sprachkenntnisse für eine erfolgreiche Teilnahme am Schulunterricht ausreichen. Erziehungsberechtigte von Kindern, die keine Tageseinrichtung der Jugendhilfe besuchen, erhalten gemäß § 6 Absatz 1 Satz 3 Grundschulverordnung vom zuständigen bezirklichen Schulamt eine schriftliche Mitteilung über Ort und Zeitraum, in dem sie einen Termin zur Sprachstandsfeststellung ihres Kindes vereinbaren müssen. Bei dieser Aufforderung zur Teilnahme an der Sprachstandsfeststellung handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetzes in Verbindung mit § 1 Absatz 1 des Berliner Verwaltungsverfahrensgesetzes (BlnVwVfG), dessen Regelungsinhalt wie bei jedem anderen Verwaltungsakt einer Behörde mit den Instrumentarien des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VwVG) erzwungen werden kann. Dabei wird zunächst das Zwangsmittel - in diesem Fall das Zwangsgeld in Höhe von bis zu 50.000,- Euro (§ 11 VwVG i.V.m. § 5a BlnVwVfG) - gemäß § 13 VwVG angedroht und schließlich festgesetzt. Gegebenenfalls kann unter den Voraussetzungen des § 16 VwVG sogar Ersatzhaft angeordnet werden. Die Durchsetzung der Verpflichtung zur Teilnahme an der Sprachstandsfeststellung liegt in der Verantwortung der bezirklichen Schulämter. 4. Wie oft haben ErzieherInnen und Lehrkräfte Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich Sprachförderung seit 1999 besucht? (sortiert nach Schultyp und Jahr ) Zu 4.: Das pädagogische Personal des Landes Berlin bildet sich auf der Grundlage einer allgemeinen Fortbildungsverpflichtung eigenverantwortlich bedarfsgerecht fort. Es wird nicht erhoben, in welchem Umfang sich die Pädagoginnen und Pädagogen fortbilden. 5. Inwieweit werden den ErzieherInnen und Lehr- kräften, die die Sprachstanderhebungen durchführen, diagnostische Fähigkeiten in der Ausbildung oder in Fortbildungen vermittelt? Zu 5.: Lehrkräfte führen keine Sprachstandserhe- bungen vor Schuleintritt durch. Erziehrinnen und Erzieher werden von den regionalen Sprachberaterteams zum Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 974 Umgang mit dem Erhebungsinstrument Deutsch Plus 4 fortgebildet. Das standardisierte Instrument entspricht den Gütekriterien eines Testinstruments. Den Erzieherinnen und Erziehern wird daher insbesondere mit dem Blick auf das Gütekriterium „Durchführungsobjektivität“ Beratung angeboten. In der Ausbildung oder Fortbildung erworbene Kompetenzen in pädagogischer Diagnostik finden erst nach der Feststellung des Sprachförderbedarfs Anwendung . 6. Wird der Sprachförderunterricht an den Kitas und den Grundschulen wissenschaftlich evaluiert? a) Wenn ja, wie lauten die Ergebnisse? b) Wenn nein, wieso nicht? 7. Wie bewertet der Senat den Sprachförderunterricht in den Kitas und den Grundschulen insgesamt? Zu 6. und 7.: Das Berliner Bildungsprogramm in allen Berliner Kitas und die Rahmenlehrpläne des Landes Berlin für die Grundschule stellen die individuelle integrative sprachliche Förderung in allen Bildungsbreichen als Querschnittsaufgabe dar. Weder in der Kita noch in der Schule wird ein Sprachförderunterricht für Kinder mit Sprachförderbedarf durchgeführt. Daher kann dieser auch nicht wissenschaftlich evaluiert werden. 8. Welche Mittel werden für die Sprachförderung in Kitas und Schulen aufgestellt und wie haben sich diese Mittel in den letzten fünf Jahren entwickelt? Zu 8.: Die Zuweisung der Mittel für die Sprach- förderung an Schulen erfolgt für das jeweilige Schuljahr für die Lehrkräfte auf der Grundlage der „Verwaltungsvorschriften für die Zumessung von Lehrkräften an öffentlichen Berliner Schulen“ und für die Erzieherinnen und Erzieher in der Ganztagsbetreuung auf der Grundlage der „Verwaltungsvorschriften für die Zumessung von Erzieher/-innen und Sozialarbeiter/-innen, Pädagogischen Unterrichtshilfen und Betreuer/-innen (sonstiges pädagogisches Personal) an öffentlichen allgemein bildenden Schulen und Internaten“. Die alltagsintegrierte Sprachbildung und Sprachför- derung in den Kindertagesstätten ist Aufgabe aller Erzieherinnen und Erzieher und ist somit als Teil im allgemeinen Personalschlüssel enthalten. Zusätzlich erhalten Kitas mit mehr als 40 % Kindern nichtdeutscher Herkunftssprache den Personalzuschlag gemäß § 11, Abs. 3 b Kindertagesförderungsgesetz (KitaFöG). Darüber hinaus stellt der Senat finanzielle Mittel für Fortbildung, Evaluation und Materialien zur Sprachförderung zur Verfügung. Die Entwicklung der Personalausgaben für die Sprachförderung ab dem Jahr 2008 an öffentlichen Schulen und Kitas (ohne anteilige Verwaltungs- und Sachkosten) bitte ich der Übersicht in der Anlage 1 zu entnehmen. 9. Welche Erfahrungen wurden bisher mit dem Sprachlerntagebuch gemacht und ist zwischenzeitlich gewährleistet, dass alle Kitas das Instrument des Sprachlerntagebuchs nutzen? Zu 9.: Die Erfahrungen der Arbeit mit dem Sprach- lerntagebuch fließen in die Aktualisierung des Sprachlerntagebuchs in Verbindung mit der Überarbeitung des Berliner Bildungsprogramms ein und sind Bestandteil der internen und externen Evaluationen. Allen Kitas wird regelmäßig das Sprachlerntagebuch für jedes Kind zur Verfügung gestellt. Das Sprachlerntagebuch ist verbindliches Sprachdokumentationssystem gemäß der „Qualitätsvereinbarung Tageseinrichtungen – QVTAG“ auf der Basis § 13 KitaFöG. Es ist Bestandteil der Weiterentwicklung der Qualität der pädagogischen Arbeit und steht somit in Verknüpfung mit der „Rahmenvereinbarung über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen - RV Tag - “. 10. Wird das Sprachlerntagebuch wissenschaftlich evaluiert? a) Wenn ja, wie sehen die Ergebnisse aus und wie bewertet der Senat diese? b) Wenn nein, warum nicht? Zu 10.: Das Sprachlerntagebuch ist ein prozess- orientiertes Instrument zur zielgerichteten Beobachtung und Dokumentation der individuellen sprachlichen Entwicklung jedes Kindes. Erforderliche Fördermaßnahmen können so zu jeder Zeit erkannt und eingeleitet bzw. umgesetzt werden. In wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Expertisen wird das Berliner Sprachlerntagebuch sehr positiv bewertet und fließt in die wissenschaftliche Evaluation des Bundesprogramms „Offensive Frühe Chancen – Schwerpunktkitas Sprache & Integration“ ein. Das Sprachlerntagebuch ist Bestandteil der Evaluationen zum Berliner Bildungsprogramm. Berlin, den 02. November 2012 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Nov. 2012) 2 Entwicklung, der für Sprachförderung eingesetzten Personalmittel in Kitas und Öffentlichen Schulen ab dem Jahr 2008 (ohne anteilige Verwaltungs- und Sachkosten) 2008 2009 2010 2011 Prognose 2012 Vollzeiteinheiten (VZE) Betrag ***) (Mio.€) Vollzeiteinheiten (VZE) Betrag ***) (Mio.€) Vollzeiteinheiten (VZE) Betrag ***) (Mio.€) Vollzeiteinheiten (VZE) Betrag ***) (Mio.€) Vollzeiteinheiten (VZE) Betrag ***) (Mio.€) Schule Lehrkräfte *) 1.225 79,6 1.196 77,7 1.201 78,1 1.213 78,9 1.205 78,3 Erzieherinnen und Erzieher in der Ganztagsbetreuung **) 304 12,2 321 13,2 351 15,7 403 19,5 429 21,6 Zwischensumme Schule 91,8 90,9 93,7 98,4 100,0 Kindertagesstätten (Basis: ISBJ-Daten - Stand Dezemeber) 14,1 14,8 15,9 16,6 17,4 Insgesamt 105,9 105,7 109,6 115,0 117,4 *) Stellenangaben lt. Zumessungsrichtlienen für Lehrerinnen und Lehrer (Schuljahresangaben umgerechnet aufs Kalenderjahr) **) festgestellter Erzieherinnenstellenbedarf Erzieherstellenbedarf lt. Verwaltungsvorschrift (Schuljahresbedarf umgerechnet aufs Kalenderjahr) ***) Durchschnittssatz für Lehrkräfte: 65.000 €/Jahr; für die Erzieher/innen wurde der gemittelte Durchschnittsatz West/Ost des jeweiligen Jahres angesetzt ISBJ – Integrierte Software Berliner Jugendhilfe ka17-10974 ka17-10974Anlage