Drucksache 17 / 10 976 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 17. September 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. September 2012) und Antwort Präventionsarbeit gegen den sexuellen Missbrauch an Kindern in Berlin und Bedarfe der Angebote für die Betroffenen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie beteiligt sich das Land Berlin an der Kam- pagne des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, die im Jahr 2013 starten wird? Zu 1.: Das Land Berlin wird sich an der Kampagne „Kein Raum für Missbrauch“ des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs beteiligen . Aktuell werden geeignete Möglichkeiten ausgelotet , wie sich eine konkrete Beteiligung des Landes Berlin an dieser Kampagne darstellen könnte. Daneben wird die Kampagne beispielsweise durch Verlinkung auf der Internetseite der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (www.berlin.de/gegen-sexuelle-Gewalt) unterstützt mit dem Ziel der Bekanntmachung, um eine breite Beteiligung zu erreichen. 2. Wie kooperiert das Land Berlin mit dem Unab- hängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs des Bundes? Zu 2.: Das Land Berlin wird sich künftig noch stärker für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt einsetzen und somit den Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs weiterhin darin unterstützen, der gemeinsamen Verantwortung fortlaufend gerecht zu werden. Mit dem aktuellen Aufbau einer ressort- und institutionsübergreifenden Zusammenarbeit gegen sexuelle Gewalt folgt das Land Berlin darüber hinaus einer Empfehlung des Runden Tisches, die vorhandenen Strategien zu verschiedenen Aspekten des Themenfeldes sexualisierter Gewalt insbesondere an deren Schnittstellen erneut in den Blick zu nehmen. Im Übrigen wird auf die Beantwortung zu Frage 3 verwiesen. 3. Wer ist in Berlin auf Landesebene für die Aufgaben zuständig, die der Unabhängige Beauftrage für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs des Bundes inne hat bzw. wie sehen die entsprechenden Strukturen in Berlin aus? Zu 3.: Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs als Tatbestandsmerkmal der Kindeswohlgefährdung sind in der Senatskonzeption „Netzwerk Kinderschutz“ verankert . Sie werden in den festgelegten Strukturen (Projektgruppe bzw. Lenkungsgruppe „Netzwerk Kinderschutz“) bearbeitet und beschlossen. Da sexuelle Gewalt jedoch alle Altersgruppen jeden Geschlechts betrifft, hat die Landeskommission Berlin gegen Gewalt auf ihrer 70. Sitzung am 18. Juni 2012 beschlossen, ein ressort- und institutionsübergreifendes „Berliner Netzwerk gegen sexuelle Gewalt“ einzurichten. Überdies hat die Landeskommission Berlin gegen Gewalt der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales die diesbezügliche Federführung in der Erwartung übertragen , die Belange aller Zielgruppen zu berücksichtigen, die bisher zersplitterte Bearbeitung des Themas weitgehend aufzuheben und in das Berliner Netzwerk zu integrieren. Vorrangiges Ziel ist es, in ressort- und institutionsübergreifender Zusammenarbeit, eine integrierte Maßnahmenplanung zur Realisierung des durch die Landeskommission Berlin gegen Gewalt ermittelten Handlungsbedarfs unter besonderer Berücksichtigung der Ergebnisse des Runden Tisches zu entwickeln und dem Senat zur Entscheidung vorzulegen (vgl. Anlage). Um zu einer integrierten Maßnahmenplanung zur Realisierung des identifizierten Handlungsbedarfs zu kommen, bedarf es zunächst einer ressort- und institutionsübergreifenden Struktur, die sich ebenfalls im Aufbau befindet. Konkret ist vorgesehen, nach Maßgabe des Beschlusses der Landeskommission Berlin gegen Gewalt ein fachliches Gremium (Plenum) und ein politisches Gremium (Lenkungsgremium) zur Steuerung der integrierten Maßnahmenplanung einzurichten. Zudem sollen Ad-Hoc-Arbeitsgruppen bedarfsgerecht eingesetzt werden und fachlich begründet aufzeigen, wie der Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 976 ermittelte Handlungsbedarf in Berlin realisiert werden kann. Darüber hinaus wurde in der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales eine Geschäftsstelle (Telefon 90 28 29 30) eingerichtet, die die ressort- und institutionsübergreifende Arbeit koordiniert. Bei der strukturellen Zusammensetzung des „Berliner Netzwerk gegen sexuelle Gewalt“ wurde vor allem darauf geachtet, dass neben den bereits vorhandenen Kompetenzen und Ressourcen der einschlägigen Verwaltungen auch diejenigen der in Berlin zu diesem Themenbereich seit langem aktiven Freien Trägern und bereits vorhandener Netzwerke wie etwa das Berliner „Netzwerk Kinderschutz “ genutzt werden. Erste Ergebnisse der Einrichtung des Berliner Netz- werkes können beispielsweise dem Newsletter „Berliner Netzwerk gegen sexuelle Gewalt“ Nr. 2 oder der Internetseite www.berlin.de/gegen-sexuelle-Gewalt entnommen werden, die sich in ständiger Entwicklung und Erweiterung befindet. 4. Gibt es aus Sicht des Berliner Senates Weiterent- wicklungsbedarfe im Bereich der Prävention und der Arbeit mit und für die Betroffenen, wenn ja, welche Aktivitäten wird der Berliner Senat dazu ergreifen bzw. welche Maßnahmen hat er seit Beginn der 17. Legislaturperiode unternommen vor allem, um die Forderungen des Runden Tisches auf Landesebene umzusetzen? Zu 4.: Siehe Beantwortung zu Frage 3. Die in ressort- und institutionsübergreifender Zusammenarbeit vorgesehene Entwicklung einer integrierten Maßnahmenplanung berücksichtigt den bereits ermittelten Handlungsbedarfs insbesondere mit Blick auf die a) spezifischen Zielgruppen, b) Aus-, Fort- und Weiterbildung, Qualitätsstan- dards und Kooperationserfordernisse, c) Erreichbarkeit und die Wahrnehmung von An- geboten, d) Öffentlichkeitsarbeit (u. a. Kampagnen), e) Breitstellung neuer bzw. dem Bedarf ange- messener Angebote, sowie weitere Maßnahmen der Prävention, die der Empfehlung des Runden Tisches entsprechen. Im Übrigen wird auf die ausführliche Beantwortung der Kleinen Anfragen Nr. 17/10646 vom 20. Juni 2012 über Sexualisierte Gewalt I und Nr. 17/10647 vom 20. Juni 2012 über sexuelle Gewalt II verwiesen. 5. Wenn der Berliner Senat keinen Handlungsbedarf sieht, warum nicht? 6. Decken aus Sicht des Berliner Senates die Ange- bote des Landes Berlins die Bedürfnisse der Betroffenen auf Beratung, Vernetzung und Hilfe ab? Wenn nein, was wird getan, um diese Bedarfe besser abzudecken, wenn ja, auf Grund welcher Tatsachen kommt der Berliner Senat zu dieser Einschätzung? Zu 5. und 6.: Siehe Beantwortung zu Frage 4. Berlin, den 17. Oktober 2012 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Okt. 2012) 2 Anlage 6a/Teil 2 zu TOP 6 der 70. Sitzung der Landeskommission Berlin gegen Gewalt am 18.06.2012 Weiterentwicklung der ressort- und institutionenübergreifenden Arbeit zum Themen- komplex Sexuelle Gewalt in Berlin Die Landeskommission Berlin gegen Gewalt hat in ihrer 68. Sitzung am 24.02.11 folgenden Beschluss gefasst: „Die Landeskommission Berlin gegen Gewalt beauftragt ihre Geschäftsstelle, eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Vertreter/innen der Senatsverwaltungen für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft, Technologie und Frauen, für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz sowie ggf. wei- teren Senatsverwaltungen einzuberufen, deren Auftrag es ist, unter besonderer Berücksichtigung ver- schiedener Zielgruppen und mit Blick auf die Fragestellungen in der Dialogveranstaltung der Landes- kommission Berlin gegen Gewalt zum Thema sexuelle Gewalt der Kommission bis zum 30.6.2011 einen Vorschlag zu unterbreiten, wie im Land Berlin künftig die Arbeit an dem Thema sexuelle Ge- walt (Intervention und Prävention) weiter entwickelt und ressort- und institutionenübergreifend gestal- tet werden soll.“ Die Geschäftsstelle der Landeskommission Berlin gegen Gewalt hat in Umsetzung dieses Beschlusses eine Arbeitsgruppe einberufen, der Vertreter/innen der Senatsverwaltungen für Bildung, Wissenschaft und Forschung, für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz und für Wirtschaft, Technologie und Frauen sowie der Geschäftsstelle selbst angehören. Mit einem Schreiben des Vorsitzenden der Kom- mission, Herrn Staatssekretär Härtel, wurde die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales gebeten, an der AG teilzunehmen. Eine regelmäßige Teilnahme wurde von Seiten des Staatsekretärs Herrn Fritsch abgelehnt. Die Arbeitsgruppe hat viermal getagt. Sie hat sich zunächst mit der Frage befasst, welche Handlungs- bedarfe sie im Zusammenhang mit dem Themenkomplex „Sexuelle Gewalt“ in Berlin sieht und in einem zweiten Schritt mit der Frage, wie die Arbeit zu diesem Themenkomplex künftig im Land Ber- lin ressort- und instuitutionenübergreifend gestaltet werden könnte. A. Handlungsbedarfe im Zusammenhang mit dem Themenkomplex Sexuelle Gewalt Bezüglich der Handlungsbedarfe war es der Arbeitsgruppe in der Kürze der Zeit und auch angesichts ihrer Zusammensetzung nicht möglich, eine detaillierte Analyse der Bedarfe zum Themenkomplex sexuelle Gewalt durchzuführen und diese mit den vorhandenen Angeboten abzugleichen. Entspre- chende Informationen liegen für Berlin in allgemein akzeptierter Form nicht vor. Vor diesem Hinter- grund musste die AG auf bisher vorliegende Informationen aus den einzelnen Verwaltungen, aus der Schnittstellenanalyse zum Themenkomplex sexuelle Gewalt, aus dem Dialog der Landeskommission Berlin gegen Gewalt zum Themenkomplex sexuelle Gewalt und aus den Debatten z.B. zu den von der Kommission in Kooperation mit anderen durchgeführten Veranstaltungen zum Themenkomplex sexu- elle Gewalt zurückgreifen. Vor diesem Hintergrund stellen die Mitglieder der Arbeitsgruppe aus fachlicher Sicht in folgenden Bereichen Handlungsbedarfe zum Thema „Sexuelle Gewalt“ fest: Mit Blick auf spezifische Zielgruppen:  Schutz von Minderjährigen vor sexueller Gewalt in Einrichtungen (Sensibilisierung und Fortbildung )  Maßnahmen für die Zielgruppe behinderter Frauen  Beratung von Männern, die in der Kindheit Opfer sexueller Gewalt geworden sind 2  Bezüglich der Zielgruppe „Jungen“ ist das Verhältnis von Bedarf und Angebot auch im Hinblick auf die Prävention zu prüfen.  Die Communities der Migrant/innen in Berlin sollen für das Thema „Sexuelle Gewalt“ sensibilisiert werden – entsprechende Infomaterialien sollen erstellt werden  Paarberatung für Frauen und Männer, die in ihrer Kindheit sexuelle Gewalt erfahren haben und bei denen in diesem Zusammenhang Probleme in der Partnerschaft auftreten  Entwicklung passgenauer Hilfeangebote für die Zielgruppe straffällig gewordener junger Menschen  Begleitung und Information von Angehörigen und Institutionen in Fällen von sexuellem Missbrauch . Mit Blick auf Aus-, Fort- und Weiterbildung, Qualitätsstandards und Kooperationserfordernis- se  Weitere Qualifizierung von Fachkräften im Rahmen von (interdisziplinären) Fort- und Weiterbildungen  Weitere Qualifizierung von Ärzten und Therapeuten  Weiterentwicklung von Qualitätsstandards  Im Bereich des Sports (Vereine und Verbände) sind weiterhin Kinderschutzbeauftragte zu qualifizieren  Stärkere Verankerung des Themas in den verschiedenen Ausbildungsgängen  Weiterentwicklung von bestehenden Kooperationen auf Landesebene und Weiterentwicklung und Koordination von regionalen Netzwerken (Runde Tische, Kinderschutzkonferenzen) Mit Blick auf die Erreichbarkeit und die Wahrnehmung von Angeboten  Ausbau der Niedrigschwelligkeit und Barrierefreiheit der vorhandenen Angebote Mit Blick auf die Öffentlichkeitsarbeit  Weiterentwicklung und Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit zum Thema „Sexuelle Gewalt“  Erstellung von Infomaterialien in verschiedenen Sprachen und barrierefreie Veröffentlichung im Internet Mit Blick auf die Bereitstellung neuer bzw. dem Bedarf angemessener Angebote  Einrichtung einer Gewaltopferambulanz zur medizinischen Erstversorgung aller Opfer von sexualisierter Gewalt und zur Dokumentation der Spuren, auch im Sinne einer Anlaufstelle für von sexuel- ler Gewalt betroffene Menschen  Ausbau der Beratung für Männer, die in ihrer Kindheit von sexueller Gewalt betroffen waren  Ausbau der Möglichkeiten, zeitnah Therapien bzw. eine Traumatherapie zu erhalten  Erarbeitung eines Maßnahmeplans im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Themas Sexuelle Gewalt in Berlin  Schaffung eines ressort- und institutionenübergreifenden Netzwerkes zur Bearbeitung des Themas Sexuelle Gewalt. 1 1 In der Schnittstellenanalyse von Frau Prof. Dr. Kavemann werden folgende Themenbereiche als vorrangig bearbeitungsbedürftig dargestellt: 1. Sexuelle Gewalt und Menschen mit Beeinträchtigungen ( auch: geeignete Information, Therapie, Täterschaft, sichere Unterbringung, Missbrauch im institutionellen Kontext usw.) 3 Den Ausbau von geschlechtsspezifisch orientierten Präventionsmaßnahmen im Bereich sexueller Gewalt hält die Arbeitsgruppe für notwendig und wünschenswert. Zu prüfen sind darüber hinaus die Hilfe- und Unterstützungsleistungen für junge Menschen mit Behinderungen. Bezüglich der Frage von Forschungsbedarfen im Zusammenhang mit sexueller Gewalt empfiehlt die Arbeitsgruppe, die Er- gebnisse des Runden Tisches der Bundesregierung abzuwarten, in die sicherlich auch die entsprechen- den Empfehlungen der Unabhängigen Beauftragten zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmiss- brauchs, Frau Dr. Bergmann, eingehen werden. Diese hat inzwischen ihren Abschlussbericht vorgelegt. Die Empfehlungen dieses Berichts decken sich in Teilen mit den hier dargestellten Überlegungen zu den Handlungsbedarfen zum Themenkom- plex sexuelle Gewalt. Die Unabhängige Beauftragte sieht Handlungsbedarf  in Bezug auf die Öffentlichkeitsarbeit (u.a. Kampagnen) bzgl. des Themas sexueller Kindesmissbrauch ,  in Bezug auf die Aus-, Fort- und Weiterbildung für Psychotherapeut/innen und für die Ärzteschaft.  Sie empfiehlt zur Verbesserung der Diagnostik und der Versorgung von von sexuellem Missbrauch betroffener Kinder, Jugendlicher und Erwachsener ein psychotherapeutische Gesamtkonzept (the- rapeutisches Ambulanzmodell),  für effektive Hilfe und Behandlung im Bereich der Therapie misst sie Niedrigschwelligkeit, Transparenz und Vernetzung herausragende Bedeutung zu,  sie empfiehlt eine Erweiterung und Flexibilisierung therapeutischer Maßnahmen (hier spielen auch Traumatherapien eine Rolle),  die Schließung von Versorgungslücken für betroffene Jungen und Männer, ältere Erwachsene und Betroffene mit Migrationshintergrund im Bereich der therapeutischen Angebote  sie empfiehlt im Zusammenhang mit der Prävention „die Selbstverpflichtung von Institutionen …mit dem Ziel einer wirksamen Strafverfolgung im Einklang mit Anliegen des Kinderschutzes , die Schaffung von Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche, die grundsätzliche Pflicht zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses für Ehrenamtliche sowie öffentlich zugängliche In- formationen zum Thema sexueller Kindesmissbrauch“ (Zusammenfassung des Abschlussberichts S. 18). Weiteren Handlungsbedarf sieht sie unter anderem auch bezüglich  sexueller Übergriffe unter Kindern und Jugendlichen  Kindern und Jugendlichen mit Behinderung  Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und  Kinderpornographie. In Ihrem Vortrag „Ergebnisse der Arbeit der Unabhängigen Beauftragten zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs“ anlässlich des 16. Deutschen Präventionstages im Mai 2011 hat Frau Dr. Bergmann im Übrigen ausdrücklich noch einmal darauf hingewiesen, dass es zur Frage des sexuellen Missbrauchs dringend einer Bestands- und Bedarfsermittlung bedürfe, die immer noch fehle. Die Arbeitsgruppe ist sich bewusst darüber, dass zum Themenkomplex sexuelle Gewalt noch weit mehr Facetten gehören, als von ihr bearbeitet wurden. Hierzu zählen unter anderem: Sexuelle Gewalt am Arbeitsplatz, sexuelle Gewalt und Medien, Prostitution, Frauenhandel, Zwangsheirat, Genitalver- 2. Sexuelle Gewalt als Thema der (Integrations)Angebote und Gesundheitsversorgung für Migrantinnen und Migranten (auch: Zugangsfragen klären, mehrsprachige Information, muttersprachliche Beratung und Thera- pie usw.) 3. Sexuelle Gewalt und Menschen mit psychischen Erkrankungen (auch: Versorgungslage, Verhältnis von Krisenintervention und Bearbeitung der Gewalterlebnisse, Therapieangebote usw.) 4. Prävention (schulische und außerschulische Strategien, Information für junge Eltern und Paare, Informationsmaterialien und gezielte Informationswege entwickeln usw.) 5. Struktur und Information in Berlin (Wege zum Informationsaustausch zwischen bezirklichen Einrichtungen und denen auf Landesebene, Wege der Delegation bezirklicher Einrichtungen mit einem Mandat in die lan- desweiten Fachgruppen, Rückmeldungsverfahren usw.) 6. Recht (Fragen der gelingenden Strafverfolgung, sozialpädagogische Prozessbegleitung, Begutachtung, die Problematik sehr kleiner Kinder, Umgangsrecht usw.) 7. Fortbildung (Konzeption und Durchführung multiprofessioneller Fortbildungen) 4 stümmlung und rechtliche Fragen. Zu der Frage, wie diese Probleme künftig in Berlin behandelt wer- den, sollte sich das im Folgenden vorgeschlagene Berliner Netzwerk gegen sexuelle Gewalt positio- nieren. B Gestaltung der ressort- und institutionenübergreifenden Arbeit zum Thema Sexuelle Gewalt Berlin verfügt – wie oben im Zusammenhang mit den Handlungsbedarfen bereits aufgeführt – über keine integrierte Maßnahmenplanung im Zusammenhang mit dem Thema „Sexuelle Gewalt“, die die unterschiedlichen Zielgruppen und weit gefächerten inhaltlichen Aspekte des Themas und deren Schnittstellen insgesamt im Blick hat. Damit ist nicht gewährleistet, dass das Thema sexuelle Gewalt auf der Grundlage eines von allen Verantwortlichen gemeinsam festgestellten Bedarfs ressort- und institutionenübergreifend bearbeitet wird. Vielmehr werden unterschiedliche Aspekte des Themas von mehreren Senatsverwaltungen sowie von von diesen jeweils geförderten freien Trägern und anderen bearbeitet. Dies führt dazu, dass abgestimmte und konsensfähige Handlungsperspektiven fehlen und dem Themenkomplex „Sexuelle Gewalt“ nicht die öffentliche Bedeutung beigemessen wird, die er insbesondere angesichts der vielen Opfer jeden Alters und der mit der Opferwerdung verbundenen Folgen verdient hätte. Die beschriebene Situation geht darüber hinaus damit einher, dass es in Berlin eine ganze Reihe von Vernetzungsgremien gibt 2 , die sich ebenfalls mit unterschiedlichen Aspekten des Themas befassen und dafür erhebliche Ressourcen benötigen, ohne dabei insgesamt in einen abge- stimmten Maßnahmeplan einbezogen zu sein. Die Feststellung von Bedarfen im Bereich sexueller Gewalt bleibt damit in aller Regel partikularen Interessen und zersplittertem Verwaltungshandeln überlassen, genauso wie die Weiterentwicklung von Maßnahmen in diesem Bereich. Vor diesem Hintergrund ist es aus fachlicher Sicht nicht nur notwendig zu einer integrierten Maßnah- meplanung im Bereich des Themenkomplexes Sexuelle Gewalt zu kommen, sondern den politischen Willen zu entwickeln, das Thema Sexuelle Gewalt deutlicher als bisher auf der politischen Agenda sichtbar werden zu lassen. Es bedarf der Entwicklung einer ressort- und institutionenübergreifenden Struktur, um zu einer entsprechenden Maßnahmeplanung zu kommen. Eine solche Struktur bzw. ein  2 Expert/innengremium sexueller Missbrauch (LK, freie Träger, SenWTF, Expert/innen). Diese Runde ist zur Vorbereitung der damaligen Veranstaltungsreihe zum Thema sexuelle Gewalt entstanden und hat die Arbeit an der Schnittstellenanalyse begleitet.  Fachrunde sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen in Kooperation mit SenBWF (Freie Träger, Bezirke, SenBWF (Abteilung Jugend und Schule)). Diese Runde dient dem fachlichen Austausch zwi- schen den von SenBWF geförderten Freien Trägern, SenBWF und Bezriken und bezieht sich aus- schließlich auf die Zielgruppe von Kindern und Jugendlichen beiderlei Geschlechts.  Netzwerk Kinderschutz (SenBWF, SenGUV, Bezirke, Landesjugendhilfeausschuss, Freie Täger, Spitzenverbände , Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, Landeskommission Ber- lin gegen Gewalt.). Das Netzwerk Kinderschutz befasst sich mit der Umsetzung des Senatsbeschlusses über ein integriertes Konzept zur Prävention, Beratung, Früherkennung, Krisenintervention und recht- zeitigen Hilfegewährung zur Stärkung des Kinderschutzes mit dem Ziel, der Gewaltanwendung gegen Kinder entgegenzuwirken. Sexueller Missbrauch ist eine Form der Kindeswohlgefährdung neben Ver- nachlässigung, Misshandlung und Gewalt zwischen den Eltern. Das Thema sexueller Missbrauch wird daher eher im Gesamtkontext Kindeswohlgefährdung bearbeitet. Zielgruppen sind Kinder, Jugendliche beiderlei Geschlechts und ihre Familien.  AG Sexuelle Gewalt im Rahmen des Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms (SenWTF, SenGUV , SenJust, Polizei). Die Arbeit bezieht sich auf die Zielgruppe der erwachsenen Frauen.  S.I.G.N.A.L – gefördert von SenGuV. S.I.G.N.A.L koordiniert im Gesundheitsbereich zu den Themen Häusliche Gewalt und sexuelle Gewalt (hier mit Blick auf die Zielgruppe der erwachsenen Frauen).  Fachkommission Frauenhandel: Sie setzt sich dafür ein, die Situation der Opfer im Bereich des Frauenhandels zu verbessern, ihren Schutz zu gewährleisten und gleichzeitig die Strafverfolgung zu effektivie- ren. Vorsitz SenWTF, weitere Senatsverwaltungen, Landeskriminalamt, freie Träger, Brandenburg, Ge- schäftsstelle der LK)  BIG  Hinzu kommen noch das Netzwerk behinderter Frauen und das Netzwerk Frauen und Gesundheit, die sich mit dem Thema sexuelle Gewalt ebenfalls befassen. 5 Modell zu entwickeln, bedarf eines entsprechenden politischen Willens und wäre selbst durch eine politische Entscheidung zu legitimieren. Anforderungen an die zu entwickelnde Arbeitsstruktur Aus der Sicht der Arbeitsgruppe sollte diese  erstens so gestaltet sein, dass für dessen Implementation kein Geld fließen muss  und zweitens so, dass bislang vorhandene Netzwerke möglichst weit in dieses Modell integriert werden können. Die Arbeitsstruktur sollte darüber hinaus so angelegt sein, dass die Bereitschaft und der Wille Berlins sehr deutlich dokumentiert wird, sich intensiv darum zu kümmern, sexuelle Gewalt in Berlin zu mini- mieren – u.a. durch verstärkte Prävention - und zugleich den Opfern sexueller Gewalt eine optimale Unterstützung zukommen zu lassen. Das Modell muss eine produktive und zielorientierte Zusammen- arbeit von Verwaltungen und freien Trägern bzw. NGO’s ermöglichen. Die Arbeitsstruktur ist ressort- und institutionenübergreifend so zu entwickeln, dass in seinem Rahmen Bedarfe im Zusammenhang mit dem Themenkomplex Sexuelle Gewalt konsensual festgestellt werden und ein darauf basierender und kontinuierlich fortzuschreibender Maßnahmeplan entwickelt und um- gesetzt werden kann. Aufgaben  Erstellung einer Bestandsanalyse auf Grundlage der vorhandenen Materialien  Erstellung einer Bedarfsanalyse  Erstellung eines Maßnahmeplans zur Realisierung der ermittelten Bedarfe  Einbringen einer Senatsvorlage zur Umsetzung des Maßnahmeplans  Koordinierung der Umsetzung des Maßnahmeplans – Controlling  Fortschreibung des Maßnahmeplans. Berliner Netzwerk gegen sexuelle Gewalt Ziel des Berliner Netzwerkes gegen sexuelle Gewalt ist die ressort- und institutionenübergreifende Erarbeitung, Umsetzung und Fortschreibung eines integrierten Maßnahmeplans zum Themenbereich sexueller Gewalt. Das Netzwerk wird z.B. auf Beschluss der Landeskommission Berlin gegen Gewalt implementiert und damit politisch legitimiert. Dies setzt die Einbindung der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz in die entsprechenden Entscheidungsprozesse voraus. Alternativ könnte dies durch eine Entscheidung des Senats geschehen. Zu dem Netzwerk gehören ein Lenkungsgremium auf Staatssekretär/innenebene, das Plenum und Ad-hoc - Arbeitsgruppen zu den Themen „Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ und „Sexuelle Gewalt gegen Erwachsene“. Das Lenkungsgremium (z.B. die Landeskommission Berlin gegen Gewalt unter Einbindung von SenGUV oder ein eigens eingerichtetes Staatssekretärsgremium) hat die Aufgabe, die Entwicklung einer integrierten Maßnahmeplanung im Bereich des Themenkomplexes Sexuelle Gewalt politisch zu begleiten und entsprechende Impulse zu geben. Sie kann Aufträge an das Plenum des Netzwerks (s.u.) erteilen und wird zugleich von dessen Arbeitsergebnissen regelmäßig unterrichtet. Das Plenum des Berliner Netzwerkes gegen sexuelle Gewalt – die Federführung hat eine noch zu bestimmende Senatsverwaltung – hat die Aufgabe eine integrierte Maßnahmeplanung im Bereich des 6 Themenkomplexes sexuelle Gewalt zu entwickeln und den entsprechenden Arbeitsprozess fachlich zu steuern. Dabei ist zu gewährleisten, dass die Themenbereiche „sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ und „sexuelle Gewalt gegen Erwachsene“ nicht nur isoliert voneinander, sondern auch in ihrer Verschränkung miteinander gesehen und bei Bedarf auch bearbeitet werden. Insgesamt ist eine Bestands- und Bedarfsanalyse zum Themenkomplex Sexuelle Gewalt zu erarbeiten. Der integrierte Maßnahmeplan ist von der federführenden Verwaltung als Vorlage in den Senat einzubringen. Das Plenum des Netzwerkes koordiniert die Umsetzung des Maßnahmeplans und stellt ein entsprechendes Controlling ebenso sicher wie die Fortschreibung des Maßnahmeplans. Zur konkreten Umsetzung einzelner Arbeitsaufträge setzt das Plenum nach Bedarf Ad - Hoc - Arbeitsgruppen zu den o.g. Themen ein. Insbesondere bzgl. des Themas „Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ kooperiert das Netzwerk Sexuelle Gewalt eng mit dem Netzwerk Kinderschutz. Bei der Zusammensetzung des Plenums des Berliner Netzwerkes gegen sexuelle Gewalt ist darauf zu achten, dass neben den Kompetenzen und Ressourcen der einschlägigen Senatsverwaltungen, der Bezirke und der Berliner Polizei auch diejenigen der in der Stadt zu diesem Themenbereich seit lan- gem aktiven Freien Träger und bereits vorhandener Netzwerke genutzt werden. Darüber hinaus sind wegen der Bedeutung des Themas für Menschen mit Migrationshintergrund und für die Angehörigen verschiedener Religionen, Vertreter/innen von diesen in das Netzwerk genauso einzubeziehen, wie der Landessportbund für den Bereich des Sports und Vertreter/innen des Gesundheitswesens. Durch die Etablierung des „Berliner Netzwerkes gegen sexuelle Gewalt“ können Arbeitsressourcen entweder eingespart oder optimaler eingesetzt werden. Es besteht die Möglichkeit das Ex- pert/innengremium sexueller Missbrauch (vgl. Seite 4, Fußnote 2 – (LK, freie Träger, SenWTF, Expert /innen)) aufzulösen. Die AG Sexuelle Gewalt im Rahmen des Gleichstellungspolitischen Rahmen- programms (vgl. Seite 4, Fußnote 2 – SenWTF, SenGUV, SenJust, Polizei) kann ebenfalls aufgelöst bzw. in das Netzwerk integriert werden. Die Kompetenzen und Erfahrungen des Netzwerkes Kinder- schutz (vgl. Seite 4, Fußnote 2) können für die Arbeit des Netzwerkes sexuelle Gewalt genutzt wer- den, ohne dass Doppelstrukturen geschaffen werden. Darüber hinaus könnten – das Einverständnis der Berliner Fachrunde gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen (vgl. Seite 4, Fußnote 2) vorausgesetzt – deren Arbeitsgruppen „Prävention“, „Recht“ und „Therapie und Beratung“ in das Berliner Netzwerk bei entsprechendem Bedarf integriert werden. Ob auch bzgl. des Projekts BIG, der Netzwerke behinderter Frauen und Frauen und Gesundheit (vgl. für alle Seite 4, Fußnote 2) ggf. AG’s entfallen oder aber in das Netzwerk sexuelle Gewalt integriert werden können, ist noch zu prüfen. Insgesamt gewährleistet das Netzwerk eine Bündelung der bisher nebeneinander existierenden vielfäl- tigen Vernetzungsstrukturen und ist in der Lage diese zielorientiert in die Entwicklung eines integrier- ten Maßnahmeplans zum Themenkomplex sexuelle Gewalt einzubeziehen. Die Mitglieder des Berliner Netzwerkes sexuelle Gewalt sind aus dem Organigramm auf Seite 8 zu ersehen. Das Plenum des Netzwerkes entscheidet selbst über die Details seiner Arbeitsweise. Die federführen- de Verwaltung entwickelt vor der konstituierenden Sitzung des Plenums hierzu einen Vorschlag. Die Ad-hoc – Arbeitsgruppen werden nach Bedarf zusammengestellt und eingesetzt. Deren Mitglieder rekrutieren sich im Wesentlichen aus den im Plenum vertretenen Verwaltungen, Institutionen und Organisationen. Die Arbeitsgruppen arbeiten zeitlich befristet an konkreten Arbeitsaufträgen im Zusammenhang mit der Entwicklung und Umsetzung eines integrierten Maßnahmeplans zum The- menkomplex sexuelle Gewalt. Zeitlicher Rahmen Das Berliner Netzwerk gegen sexuelle Gewalt nimmt im ersten Quartal 2012 seine Arbeit auf. Es wird angestrebt den Maßnahmeplan bis Ende des 1. Quartals 2013 zu entwickeln. Danach soll dieser dem Senat zur Entscheidung vorgelegt werden. Ein diesbezüglicher Senatsbeschluss wird vom Netzwerk unter der Federführung der verantwortlichen Senatsverwaltung umgesetzt. 8 Berliner Netzwerk gegen sexuelle Gewalt Plenum des Netzwerks  Senatsverwaltungen für o Gesundheit, Umwelt und Verbrau- cherschutz o Bildung, Wissenschaft und Forschung Jugend (einschließlich Netzwerk Kinderschutz) und Schule o Wirtschaft, Technologie und Frauen o Justiz o Inneres und Sport o Integration, Arbeit und Soziales  Landeskommission Berlin gegen Gewalt  Der Polizeipräsident in Berlin  Jugendamt (Vertretung der Jugendämter)  Gesundheitsamt (Vertretung der Ge- sundheitsämter)  Kind im Zentrum, Wildwasser, Strohhalm , HilfeFürJungs  LARA, BIG, Tauwetter, Signal  Vertreter/in des Netzwerkes behinderter Frauen  Vertreterin des Netzwerkes Frauen und Gesundheit  Landessportbund  Vertreter/in der Fachkommission Frau- enhandel  Vertreter/innen der evangelischen und katholischen Kirche  Vertreter/in des Islamforums und Vertreter /in des Landesbeirats für Integration und Migration  Spitzenverband der Liga (Vertretung der Verbände)  Vertreter/in der Charité  Vertreter/innen der Berliner Ärztekam- mer und der Psychotherapeutenkammer Lenkungsgremium Ad - hoc Arbeitsgruppen Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche Besetzung nach Bedarf Feder- führende Verwal- tung(en) Ad - Hoc Arbeitsgruppen Sexuelle Gewalt gegen Erwachsene Besetzung nach Bedarf ka17-10976 ka17-10976