Drucksache 17 / 10 984 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Oliver Höfinghoff (PIRATEN) vom 19. September 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. September 2012) und Antwort Tödliche Unfälle auf der BER-Baustelle Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Die zuständige Behörde für Sicherheit und Gesund- heitsschutz bei der Arbeit ist das Landesamt für Arbeits- schutz (LAS) des Landes Brandenburg. Auf dem Wege der Amtshilfe hat das LAS der Senatsverwaltung für Ar- beit, Integration und Frauen folgende Antworten mitge- teilt. 1. Wie viele tödliche Unfälle ereigneten sich seit Baubeginn auf der Baustelle des Flughafens Berlin- Brandenburg (BER)? Zu 1.: Auf der Baustelle des Flughafens Berlin- Brandenburg (BER) ereigneten sich vier tödliche Arbeits- unfälle. 2. Was waren die Ursachen für den jeweiligen Unfall ? Zu 2.: Unfall 1 Ein Beschäftigter wurde von einer Gummiradwalze, die von einem anderen Beschäftigten bedient wurde, über- fahren und dabei tödlich verletzt. Der Verunfallte war der Vorgesetzte des Walzenfahrers und auf dem Baufeld die einzige Person im Umkreis von ca. 200m. Die Unfallursache wurde vorrangig im persönlichen Fehlverhalten des Betroffenen gesehen. Er hat sich entge- gen der Unterweisung unnötig und ohne sich vorher beim Walzenfahrer anzumelden im Gefahrenbereich der Walze aufgehalten. Daneben hatte die Unachtsamkeit des Walzenfahrers Einfluss auf das Geschehen. Unfall 2 Ein Beschäftigter wurde von einer Baggerschaufel, die von einem angemieteten Bagger mit hydraulischer Schnellwechseleinrichtung abfiel, tödlich am Kopf getrof- fen. Der betroffene Beschäftigte hielt sich ohne Schutz- helm im Schwenkbereich des Baggers auf. Der Bagger- fahrer bediente den Bagger, obwohl sich der betroffene Beschäftigte im Schwenkbereich aufhielt. Somit liegt ein Fehlverhalten beider direkt am Unfall beteiligten Beschäf- tigten vor. Aber auch Verstöße gegen Arbeitgeberpflichten wur- den festgestellt. Hierzu zählen die mangelhafte Überprü- fung des vom Verleiher übernommenen Baggers vor des- sen Bereitstellung an den Beschäftigten, die fehlende Einweisung und Unterweisung der Beschäftigten, die den Bagger bedienen sollten. Die Ursache dafür, dass die Verriegelungsbolzen des Schnellwechslers nicht ausgefahren waren und somit die Baggerschaufel nicht kraftschlüssig mit dem Schnell- wechsler verbunden war, konnte nicht ermittelt werden. Unfall 3 Ein Beschäftigter stürzte bei Betonschneidearbeiten im Zusammenhang mit Abbrucharbeiten ca. 8 m in die Tiefe. Die persönliche Schutzausrüstung (PSA) gegen Ab- sturz, die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wurde und auf Grund der Abbruchsituation auch geeignet und ausreichend war, wurde vom Beschäftigten zum Unfall- zeitpunkt nicht verwendet. Unfall 4 Ein Beschäftigter stürzte bei Ausschalarbeiten ca. 10 m in die Tiefe. Unfallursächlich waren eine ungesicherte Bodenöff- nung an der Schalung und fehlende PSA gegen Absturz. Die Unfallursache lag nicht allein darin begründet, dass der betroffene Beschäftigte keinen Sicherheitsgurt (Anseilschutz) verwendet hat. Hier waren unzureichende Gefährdungsbeurteilung, mangelhafte Festlegung von Anschlagpunkten, ungenügende Bauüberwachung sowie die unvollständige und fehlerhafte Rückbauplanung der Schaltürme weitere Ursachen für den Unfall. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 984 2 3. Welche Maßnahmen wurden, ergriffen um weitere Unfälle zu verhindern? Zu 3.: Unfall 1 Durch das LAS wurden Anordnungen getroffen, die zu nachfolgenden Maßnahmen führten. Die Walze wurde vom betroffenen Unternehmen solange außer Betrieb ge- nommen, bis Maßnahmen zur Verbesserung der Sicht eingeleitet wurden. Zu diesen Maßnahmen zählte die Op- timierung der Sichtverhältnisse über die Rückblickspie- gel. Eine anlassbezogene Unterweisung aller Beschäftig- ten und die Überarbeitung / Anpassung der Gefährdungs- beurteilung erfolgten. Vom Bauherrn wurde über den übergeordneten Si- cherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator nach Bau- stellenverordnung (üSiGeKo) der Unfall ausgewertet und die anderen Gewerke informiert. Eine Infoveranstaltung zum Thema „Sehen und Gesehen werden“ beim Einsatz von Baumaschinen wurde gemeinsam mit der Berufsge- nossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) durchgeführt. Unfall 2 Die Anordnungen des LAS führten zu nachfolgenden Maßnahmen. Die Beschäftigten wurden vom Arbeitgeber anlassbezogen unterwiesen. Die Gefährdungsbeurteilung und die Betriebsanweisung zum Bagger wurden überar- beitet. Der Bagger wurde vom Unternehmen durch einen Bagger mit mechanischem Schnellwechsler ausgetauscht. Der Bauherr hat den Unfall über den üSiGeKo ausge- wertet und die anderen Gewerke informiert. Es wurde ermittelt, bei welchen Unternehmen Bagger mit Schnell- wechseleinrichtungen im Einsatz waren. Diese wurde dann gezielt aufgesucht und zur sicheren Benutzung überprüft. Unfall 3 Den Anordnungen des LAS folgend wurde die Ge- fährdungsbeurteilung durch den Arbeitgeber überarbeitet, wurden die Beschäftigten anlassbezogen unterwiesen und verantwortliche Beschäftigte benannt, die die konsequente Benutzung der PSA gegen Absturz vor Ort kontrollieren. Der üSiGeKo der Baustelle BER hat im Auftrag des Bauherrn in einer Rundmail alle Generalunternehmer auf der Baustelle BER über den Unfall informiert und die Verantwortlichen aufgefordert, die Gefährdungsbeurtei- lung zu überprüfen und falls PSA gegen Absturz erforder- lich wird, die Beschäftigten nachweislich zu unterweisen und Anschlagpunkte und Baustellenorganisation (Ver- antwortlichkeiten vor Ort) zu überprüfen. Unfall 4 Gemäß der Anordnungen des LAS waren in Auswer- tung dieses Unfalles vor Fortführung der Arbeiten ver- schiedene Maßnahmen erforderlich. Hierzu gehörten die Durchführung / Überarbeitung der Gefährdungsbeurtei- lung, die Einsetzung eines täglich anwesenden Bauleiters, die Erarbeitung einer Montage-/ Arbeitsanweisung zu den Schaltürmen, Festlegungen zur Benutzung von PSA ge- gen Absturz und deren Anschlagpunkte und eine Unter- weisung der Beschäftigten. Durch den üSiGeKo wurden alle am Bau beteiligten Unternehmen zum Unfall informiert und dazu aufgefor- dert, die vorhandenen Schutzmaßnahmen zu überprüfen. Durch den objektbezogenen SiGeKo wurden in Zu- sammenarbeit mit dem Bauherrn Sanktionen gegen Un- ternehmen festgelegt, die wiederholt bei Verstößen zu arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen angetroffen wer- den. Des Weiteren erfolgten verstärkte Kontrollen durch den SiGeKo. Berlin, den 15. November 2012 In Vertretung Farhad D i l m a g h a n i Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Nov. 2012)