Drucksache 17 / 11 069 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Özcan Mutlu (GRÜNE) vom 08. Oktober 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Oktober 2012) und Antwort LehrerInnen nicht-deutscher Herkunft im Berliner Schuldienst Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat den Einsatz von LehrerInnen nicht-deutscher Herkunft an Berliner Schulen im All- gemeinen? Zu 1.: Die vorliegenden Erfahrungen bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Lehrerinnen und Lehrern deut- scher Herkunft und den Lehrerinnen und Lehrern mit nichtdeutscher Herkunft sind sehr positiv. Zum einen werden wertvolle fachliche Aspekte in die Unterrichtsprozesse eingebracht. Zum anderen nehmen Lehrerinnen und Lehrer mit nichtdeutscher Herkunft gleichzeitig eine wichtige Vor- bildrolle für Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunft ein. Sie wirken dadurch motivierend, können den anderen Lehrerinnen und Lehrern bezüglich der Be- sonderheiten anderer Länder und Kulturen beratend zur Seite stehen und sind wichtige schulische Ansprechpart- nerinnen/Ansprechpartner für die Eltern nichtdeutscher Schülerinnen und Schüler. Diese besonderen Kompetenzen werden von den ge- mischten Kollegien wahrgenommen und zielgerichtet für die pädagogische Arbeit eingesetzt. 2. Wie viele LehrerInnen nichtdeutscher Herkunftssprache bzw. mit Migrationshintergrund sind aktuell im Berliner Schuldienst tätig und wie hat sich diese Zahl in den letzten fünf Jahren entwickelt? (sortiert nach Einsatz- art, Herkunftssprache und Jahr) Zu 2.: Auswertungen zu den beschäftigten Lehrkräften sind diesbezüglich nicht möglich, da die Merkmale Mig- rationshintergrund oder nichtdeutsche Herkunftssprache nicht erfasst werden. Die Staatsangehörigkeit wird erfasst, bei vielen der eingestellten Bewerberinnen und Bewerber, bei denen ein Migrationshintergrund vermutet werden kann, liegt jedoch die deutsche Staatsangehörigkeit vor. Der Senat setzt sich im Berliner Partizipations- und Integrationsgesetz § 4 Abs. 4 dafür ein, dass vermehrt Beschäftigte mit Migrationshintergrund im Öffentlichen Dienst eingestellt werden. Dies gilt auch für Lehrkräfte mit Migrationshintergrund im Schuldienst. Aus diesem Grund fordert der Senat in seinen Ausschreibungen Men- schen mit Migrationshintergrund, die die Voraussetzun- gen der Stellenausschreibungen erfüllen, ausdrücklich auf, sich zu bewerben. In der Kampagne „Berlin braucht dich!“ wendet sich der Senat an Jugendliche mit Migrationshintergrund und informiert hier auch über die Mög- lichkeit, den Lehrerberuf anzustreben. Siehe hierzu auch die Antwort zu Frage 6. 3. Wie viele LehrerInnen nicht-deutscher Herkunft haben sich in den vergangenen fünf Jahren für den Vorbe- reitungsdienst und eine Einstellung in Berlin beworben? (sortiert nach Jahr und Herkunftsland) Zu 3.: Für das Auswahl- und Zulassungsverfahren für die Einstellungen in den Vorbereitungsdienst für ein Lehramt ist die Herkunft der Bewerberinnen und Bewer- ber kein Auswahlkriterium. Entsprechende Daten liegen daher nicht vor. 4. Welche konkreten Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit LehrerInnen mit einer nicht-deutschen Lehrbefähigung eingestellt werden können? Zu 4.: a) Sie müssen über eine Lehrerausbildung nach Recht des Heimatlandes verfügen, um an den Staatlichen Europa-Schulen eingesetzt werden zu können. b) Sie müssen über einen ausländischen Lehrerabschluss verfügen, der auf der Grundlage der Richt- linie 2005/36/EG und deren Umsetzung in Landes- recht (EG-Richtliniengesetz für Lehrkräfte vom 17.09.2008) einem Berliner Lehramt gleichgesetzt wurde. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 069 2 5. Gelten diese Voraussetzungen (Frage 3) auch für Neueinstellungen für die Staatlichen Europa-Schulen Ber- lin? Zu 5.: Einstellungsvoraussetzungen an Staatlichen Eu- ropa-Schulen sind die 1. und 2. Staatsprüfung für das je- weils in der Stellenausschreibung genannte Lehramt oder eine abgeschlossene Lehramtsausbildung nach Recht des Herkunftslandes bei Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift. 6. Welche konkreten Bemühungen und Maßnahmen hat der Senat bisher ergriffen und plant er zu ergreifen, um unter Abiturienten mit Migrationshintergrund ver- stärkt für den Lehrberuf zu werben? Zu 6.: Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft hat im Jahr 2010 ein ehrenamtlich arbeiten- des Netzwerk für Lehrkräfte mit Migrationshintergrund initiiert und für die Koordination des Netzwerks, die Or- ganisation von Projekten sowie die Koordinierung der Zusammenarbeit mit den Universitäten und den unterstüt- zenden Stiftungen eine Lehrkraft mit Migrationshinter- grund abgeordnet. Im Netzwerk sind Lehrkräfte, Lehr- amtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter und Studieren- de mit Migrationshintergrund aktiv. Ziel des Netzwerkes ist es vor allem, bei Schülerinnen und Schülern mit Mig- rationshintergrund für den Lehrerberuf zu werben und hierfür als Informationsveranstaltung jährlich zusammen mit den Universitäten einen Schülercampus für jeweils 30 Schülerinnen und Schüler durchzuführen, um sie mit allen Facetten der Lehrerausbildung und des Lehrerberufs be- kanntzumachen. Der Schülercampus „Mehr Migranten werden Lehrer“ wurde bisher zweimal zusammen mit der Freien Universität Berlin (FU) und der Humboldt- Universität zu Berlin (HU) veranstaltet und von der ZEIT- Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius (Initiatorin des Schü- lercampus „Mehr Migranten werden Lehrer“), der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung sowie der Sir Peter Ustinov- Stiftung gefördert. An den Schülercampus schließt sich für die am Leh- rerberuf interessierten Schülerinnen und Schüler eine Be- gleitung durch Netzwerk-Mitglieder an, die von der Be- rufszielwahl über die Ausbildung bis zur Berufseingangs- phase andauern kann. Die Netzwerk-Mitglieder durchlau- fen hierfür ein Mentoren-Qualifzierungsprogramm, das von der HU angeboten und betreut wird. Die o.g. Universitäten engagieren sich in ihren mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderten MigraMentor-Projekten (550.000 € ESF-Mittel für drei Jahre bei gleichzeitiger Gegenfinanzierung durch die Universitäten) in besonderem Maße bei der Gewinnung von jungen Migrantinnen und Migranten für den Lehrer- beruf und unterstützen hierbei die Zielsetzungen des Netzwerkes. Die MigraMentor-Projekte der Universitäten sehen außerunterrichtliche Angebote für Schülerinnen und Schüler an Schulen (HU), Brückenangebote für den Übergang Schule-Universität (HU) sowie Tuto- rien/Mentorien zur Unterstützung von Studierenden mit Migrationshintergrund in lehramtsbezogenen Studiengän- gen (FU und HU) vor. Die FU ist Trägerin des Netzwerks und für die Organisation sowie Durchführung des Schü- lercampus verantwortlich. In diesem Zusammenhang hat die FU die Evaluation der Maßnahmen des Netzwerks übernommen. Die Resonanz auf den Schülercampus und die weiteren Informationsangebote des Netzwerks und der Univer- sitäten, die sich besonders an Personen mit Migrationshin- tergrund wenden, ist gut. Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer des ersten Schülercampus im Jahr 2011 haben bereits ein lehramtsoptiertes Studium aufgenommen. 7. Wie viele LehrerInnen türkischer Herkunft mit einer Ausbildung nach türkischem Recht haben sich in den vergangenen fünf Jahren für eine Einstellung an Berliner Schulen beworben? Zu 7.: Entsprechende Auswertungen sind nicht mög- lich, diese Angaben werden nicht standardisiert erfasst. 8. Wie viele LehrerInnen türkischer Herkunft wurden in den vergangenen fünf Jahren für die Berliner Schule – ausgenommen die deutsch-türkische Europaschule – eingestellt ? Zu 8.: Bei der Bewerbung bzw. Einstellung von Lehr- kräften wird der Migrationshintergrund bzw. die nichtdeutsche Herkunft bislang nicht erfasst. Die Einstellungen von Lehrkräften erfolgen nach Eig- nung, Befähigung und fachlicher Leistung - Artikel 33 Grundgesetz (Gebot der Bestenauslese). Das "Merkmal Migrationshintergrund" ist kein allein- stehendes Qualifikationsmerkmal. Vielmehr geht es um interkulturelle Kompetenzen und Sprachkompetenzen. Hier besteht natürlich eine Verbindung zum Migrations- hintergrund, allerdings geht es um die nichtdeutsche Her- kunfts- oder Muttersprache als Kriterium. Das Merkmal "Sprache auf muttersprachlichem Niveau" und damit auch interkulturelle Kompetenz wird bei den Bewerbungen von Lehrkräften in den Schuldienst erfasst und kann von den auswählenden Schulleiterinnen und Schulleitern bei ei- nem Auswahlverfahren berücksichtigt werden (durch die Aufnahme in das Anforderungsprofil für die Einstellung). Bei den Einstellungen wird diese interkulturelle Kom- petenz (insbesondere Türkisch und Arabisch) auch grund- sätzlich berücksichtigt, insbesondere an Schulen mit ei- nem hohen Anteil von Schülerinnen und Schülern mit nichtdeutscher Herkunftssprache. Entsprechende Bewerberinnen und Bewerber werden von den Schulen ausge- wählt. Diesbezügliche Auswertungen zur Anzahl sind aller- dings nicht möglich, diese Angaben werden nach der Ein- stellung nicht standardisiert erfasst. 9. Wie viele Personen mit einer im Ausland erworbenen Lehrbefähigung haben in den letzten fünf Jahren eine Anerkennung ihrer Ausbildung beantragt? (sortiert nach Jahr, Herkunftsland und Fach) Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 069 3 Zu 9.: Die Anzahl der in den Jahren 2007 bis 2011 ge- stellten Anträge auf Anerkennung ausländischer Lehrbe- fähigung stellt sich wie folgt dar: Land 2007 2008 2009 2010 2011 EU 79 69 139 142 200 Drittstaaten 151 133 199 230 266 SUMME 230 202 338 372 466 Die Erhebung der Anträge unterteilt nach Land des Abschlusses erfolgt erst ab 2012. Eine statistische Erhe- bung nach Fächern erfolgt nicht. 10. Wie viele dieser Anträge (gemäß Frage 8) wurden in den letzten fünf Jahren angenommen und positiv be- schieden, damit die AntragsstellerInnen in den Berliner Schuldienst aufgenommen werden könnten? (sortiert nach Jahr, Herkunftsland und Fach) Zu 10.: Vgl. Antwort zu 8. 11. Wie viele Anträge (gemäß Frage 8) wurden aus welchen Gründen abgelehnt? Zu 11.: Vgl. Antwort zu 8. 12. Wie viele Personen und welche Stellen sind bei der Senatsverwaltung für Bildung für die Anerkennung von ausländischen Lehrbefähigungen verantwortlich und wie schaut dabei das Widerspruchsverfahren aus? Zu 12.: In der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft bearbeiten 2 Personen die Anträge auf Anerkennung ausländischer Lehrbefähigungen. Das Widerspruchsverfahren wird entsprechend den Regelungen der §§ 68 ff. Verwaltungsgerichtsordnung (VWGO) durchgeführt. 13. Wer prüft und entscheidet über die Widersprü- che/Einsprüche? Zu 13.: Die Bearbeitung der Widersprüche erfolgt gemäß §§ 72, 73 VWGO durch die zuständigen Sachbe- arbeiterinnen und Sachbearbeiter in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. 14. Inwiefern hat sich die Verfahrensweise zur Anerkennung von einer ausländischen Lehrbefähigung nach den jüngsten bundesgesetzlichen Reformen zur Anerken- nung ausländischer Ausbildungen/Diplome/ Hochschul- abschlüsse verändert und weiterentwickelt? Zu 14.: Die Anerkennung ausländischer Lehrerab- schlüsse ist im Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG für Lehrkräfte und Sozialberufe vom 17.09.2008 (veröffentlicht im Gesetz- und Verordnungs- blatt vom 27.09.2008) abschließend geregelt. Insofern sind derzeit keine weiteren Änderungen erforderlich. Berlin, den 10. Dezember 2012 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Dez. 2012)