Drucksache 17 / 11 081 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Michels (LINKE) vom 15. Oktober 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Oktober 2012) und Antwort Stand der Umsetzung des Projekts zur Entwicklung des „Friedhofs der Märzgefallenen“ im Volkspark Friedrichshain als nationaler Gedenkstätte Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie ist der aktuelle Stand bei der Umsetzung der Konzeption zur Umgestaltung der Gedenkstätte „Friedhof der Märzgefallenen“ im Volkspark Friedrichshain? Zu 1.: Bis heute fehlt ein repräsentativer authentischer Ort der Erinnerung an die Märzgefallenen von 1848 in der deutschen Hauptstadt, obwohl Berlin unbestritten einer der zentralen und entscheidenden Orte des deutschen und europäischen Revolutionsgeschehens war. Der historische Ort, der sich dafür anbietet, ist der „Friedhof der Märzgefallenen “ im Volkspark Friedrichshain. Bei dem von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin (DKLB) geförderten Projekt geht es darum, den Friedhof der Märzgefallenen würdig zu gestalten, bekannt zu machen und zu einem Ort demokratischen Lernens zu entwickeln. Es geht nicht um eine Umgestaltung! Mit der politischen Unterstützung des Senats von Berlin (Senat) und des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg und sowie der finanziellen Unterstützung durch die DKLB ist der Friedhof so wiederhergestellt worden, dass er zumindest für eine Übergangszeit der historischen Bedeutung des Ortes gerecht wird. Dazu gehören auch die Neubepflanzung und die Einzäunung des Geländes zum Schutz vor Vandalismus. Erarbeitet wurde die seit Ende Mai 2011 gezeigte temporäre multimediale Ausstellung „Am Grundstein der Demokratie“, die aus zwei Teilen besteht. Im eigens dafür aufgestellten 24m langen Seecontainer wird die Geschichte der Berliner Märzrevolution dargestellt. Er dient zugleich als Informationszentrum. Auf einer Rotunde im Außenraum auf dem historischen Friedhofsgelände wird die Geschichte des Ortes erzählt. Im Innern der Rotunde ist Platz für Ideen der Besucherinnen und Besucher und die Dokumentation von Workshops für Schülerinnen und Schüler. Auch ein Audioguide und eine Gruppenführungsanlage sind vorhanden. Die Betriebskosten sind für 30 Monate bis Ende 2013 abgesichert. Ein Kuratorium mit 20 ausgewiesenen Expertinnen und Experten aus den Feldern Geschichte, Politik, Gestaltung und Denkmalpflege begleitet ehrenamtlich den weiteren Prozess zu einem nationalen Denkmal. Der Friedhof der Märzgefallenen nimmt an den großen Berliner Kulturveranstaltungen wie Lange Nacht der Museen und am Tag des offenen Denkmals teil. Zwei Konferenzen zu 1848 hat das Projekt bisher initiiert, 2010 in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung; 2012 in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung und der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Außerdem gibt es seit Februar 2012 eine eigene Veranstaltungsreihe „Revolution revisited“ mit monatlichen Vorträgen. Eine Ideenwerkstatt mit Berliner Schulen hat stattgefunden, bei der Schülerinnen und Schüler eigene Ideen zum künftigen Umgang mit diesem Ort entwickeln konnten. Das Landesdenkmalamt ist in das Vorhaben involviert und hat zuletzt bei einem Ortstermin darauf hingewiesen, dass die beiden betroffenen Gartendenkmale „Friedhof der Märzgefallenen“ und „Volkspark Friedrichshain“ dauerhaft keine zusätzliche Bebauung zulassen, ohne sie erheblich zu beeinträchtigen. Die Denkmalpflege plädiert hinsichtlich der Etablierung einer dauerhaften nationalen Gedenkstätte für die Prüfung vor Ort vorhandener Gebäude -Ressourcen. 2. Wofür sind die bisher bereitgestellten Finanzmittel verwendet worden? Zu 2.: Die durch die DKLB zur Verfügung gestellten Mittel sind für die unter 1. dargestellten Maßnahmen verwendet worden. Rund zwei Drittel der Fördersumme entfallen dabei auf die bauliche Instandsetzung, die Einrichtung und den Betrieb des Ausstellungscontainers und Infozentrums. Rund 14 Prozent auf Honorarmittel. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 081 2 3. Inwieweit ist das Projekt der Entwicklung zu einer nationalen Gedenkstätte auch nach dem Auslaufen der derzeitigen Projektförderung finanziell abgesichert? Zu 3.: Nach dem Auslaufen der Projektförderung Ende 2013 ist die Finanzierung nicht gesichert, auch nicht die Fortsetzung des Ausstellungsbetriebes. Im Übrigen verweise ich auf meine Ausführungen zu Frage 5. 4. Wie viele Mitarbeiter/innen sind gegenwärtig in diesem Projekt (einschließlich der Betreuung der Dauerausstellung im Container) beschäftigt, wie viele davon in geringfügigem Beschäftigungsverhältnis zu welchen Konditionen ? Zu 4.: Die Personalmittel für das Projekt sind knapp bemessen. Planstellen oder Beschäftigungspositionen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es nicht, auch keine geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse. Die Durchführung des Projektes erfolgt durch Mittel für Honorarkräfte und durch Werkverträge: Aus den Mitteln der DKLB stehen 2012 rd. 12.000 Euro Honorarmittel zur Verfügung. Daraus werden die Projektleitung und Teile der Wochenendbetreuung der Ausstellung finanziert. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg unterstützt das Projekt durch die Übernahme von Tätigkeiten in Höhe von bis zu 33.000 € / Jahr. Auf diese Weise werden Museumspädagogik, Ausstellungskoordination und Teile der Ausstellungsbetreuung finanziert. Unterstützt wurde das Projekt bisher außerdem vom JobCenter Friedrichshain-Kreuzberg. Eine zusätzliche Betreuung der Ausstellung konnte von März bis Dezember 2011 und April bis Oktober 2012 durch eine Beschäftigungsmaßnahme erfolgen. Außerdem konnten für die museumspädagogische Arbeit bzw. Workshops für Schülerinnen und Schüler Drittmittel eingeworben werden, u.a. beim Verein Respectabel und der Jugendund Familienstiftung. 5. Welche inhaltlichen Ansätze verfolgt der Senat bei der Weiterentwicklung des Friedhofs zu einer nationalen Gedenkstätte? Zu 5.: Der Senat unterstützt die inhaltlichen Ansätze und die Arbeit des Paul Singer-Vereins für soziale, politische und kulturelle Bildung bzw. des Projektbüros Friedhof der Märzgefallenen und bemüht sich um eine Perspektive für ein dauerhaftes Angebot nach der Startfinanzierung aus Berliner Lottomitteln auf der nationalen Ebene. In diesem Sinne begleitet der Senat die Bemühungen , unterstützende Personen und Partnerinstitutionen auf der Bundesebene und bei Bundeseinrichtungen zu finden. Das Landesdenkmalamt weist jedoch darauf hin, dass die derzeitigen Informationsangebote und des Informations -Containers nur unter dem Vorbehalt einer befristeten Aufstellung zugelassen wurden. Für eine dauerhafte Installation des Informationsangebotes müssen garten- denkmalpflegerisch verträgliche Lösungen gesucht werden. (Siehe auch zu 1.) 6. Wie gestalten sich die Besucherzahlen der der- zeitigen Dauerausstellung im Container, vor allem im Hinblick auf Schulklassen? Zu 6.: Das Provisorium hat sich in den ersten eineinhalb Jahren seines Bestehens als sehr erfolgreich erwiesen . Die vorläufige Gestaltung des Friedhofsgeländes, die Ausstellungen, die Führungen und andere Bildungsangebote sind eindeutig positiv aufgenommen worden, das zeigen u.a. die Rückmeldungen im Gästebuch. Seit der Eröffnung vor knapp eineinhalb Jahren haben insgesamt rd. 20.000 Menschen die Ausstellung besucht bzw. an vom Projekt initiierten Veranstaltungen teilgenommen , darunter viele Schulkassen. Das sind zehnmal so viele Besucherinnen und Besucher wie vor der Ausstellungseröffnung , Tendenz steigend. Zunehmend auch aus dem Ausland. Insbesondere bei der begleitenden Bildungsarbeit stehen rein quantitative Besucherzahlen weniger im Focus als Besuchsintensität und Lernerfolg, also das Bildungserlebnis . Trotz geringer Ressourcen wurden verschiedene innovative Konzepte für Schul-Workshops – teilweise kofinanziert durch Drittmittel – entwickelt: Ziel ist es, diesen Lernort der Demokratie als positives Identitätsangebot aus der deutschen Geschichte zu vermitteln. Zentral ist dabei die Frage, wie Jugendliche sich heute für die Stärkung und Verteidigung unserer Demokratie einsetzen können. Dieser Ansatz, der bei Schülerinnen, Schülern, Lehrerinnen und Lehrern gleichermaßen gut ankommt, ist – auch durch die Entwicklung eigener Konzepte - sehr personalintensiv. Bisher konnten – dank der eingeworbenen Drittmittel immerhin rd. 1000 Schülerinnen und Schülern an Workshops und speziellen Klassenführungen teilnehmen. 7. Was wird unternommen, um die geschichtliche Dimension dieser zu entwickelnden nationalen Gedenkstätte im Rahmen des Geschichtsunterrichts an Berliner Schulen zu vermitteln? Zu 7.: Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft unterstützt den Aufbau des Friedhofs der Märzgefallenen zu einer Nationalen Gedenkstätte. Sie ist durch einen Vertreter des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) im Kuratorium dieser Gedenkstätte (im Aufbau) vertreten. Dieser berät die Initiatoren bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Gedenk- und Lernortes sowie bei der Ausgestaltung von Bildungsprogrammen. Alle Berliner Schulen sind durch den Fachbrief Nr. 12 für die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer ausführlich auf die Eröffnung der Gedenkstätte hingewiesen worden. Fachlich profilierte Lehrkräfte waren zudem zur Eröffnung der Gedenkstätte eingeladen. In einem Rundschreiben wurden alle Fachmultiplikatorinnen und Fachmultiplikatoren der gesellschaftswissenschaftlichen Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 081 3 Fächer durch das LISUM auf die Gedenkstätte und wiederholt auf geeignet erscheinende Veranstaltungen hingewiesen, zudem wurden an die Leitung der Gedenkstätte Fachseminarleiterinnen und Fachleiter aus der zweiten Ausbildungsphase sowie deren Referendarinnen und Referendare für eine weitere Zusammenarbeit vermittelt sowie Anregungen für die Erstellung von Unterrichtsmaterialien gegeben. Berlin, den 05. November 2012 In Vertretung André Schmitz Der Regierende Bürgermeister von Berlin Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Nov. 2012)