Drucksache 17 / 11 093 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Claudia Hämmerling (GRÜNE) vom 17. Oktober 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Oktober 2012) und Antwort Planmäßige Giraffen-Inzest-Zucht ist eine Tierschutzverletzung – warum sehen die zuständigen Behörden tatenlos zu? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat aus Tierschutzgründen den Umstand, dass der Zoochef seit mehr als 20 Jahren eine gezielte Inzest-Zucht des Giraffen-Hybrid-Bullen Ale- xander mit seinen Töchtern und Enkeltöchtern betreibt? 2. Wie bewertet der Senat, dass ein sehr großer Teil der Nachkommen nicht überlebt hat? Zu 1. und 2.: Der Tierpark sowie das Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt Lichtenberg (VetLeb) können nicht bestätigen, dass seit 20 Jahren eine gezielte Inzucht des Bullen Alexander mit seinen Töchtern betrieben wird. Ab 1994 wurde mit Alexander und den mit ihm nicht verwandten Giraffenweibchen „Elli“ und „Püppi“ gezüchtet . Das erste lebende Jungtier aus einer Nachzucht von Alexander mit einer Tochter wurde erst 2002 geboren. Der Senat weist darauf hin, dass Verpaarungen zwi- schen nahen Verwandten gerade bei Huftieren auch in der Natur nicht ungewöhnlich sind. Tierschutzrelevanz be- steht dann, wenn nachgewiesen wird, dass bei der Inzucht mit in der Obhut des Menschen befindlichen Tieren Erb- krankheiten oder Letalfaktoren vererbt werden und der Nachwuchs dadurch geschädigt werden könnte. Nach Einschätzung des zuständigen VetLeb bewegt sich die Mortalitätsrate der Giraffennachkommen des Tierparks im Normalbereich. Sie ist geringer als in der freien Wild- bahn. Das zuständige VetLeb kam aufgrund der bisher vorliegenden Informationen insgesamt zu dem Schluss, dass die Grenze zur Tierschutzrelevanz nicht überschrit- ten ist. Seit wenigen Tagen verfügt der Senat jedoch über zusätzliche Informationen zur Giraffenzucht, die dem VetLeb zur Auswertung übermittelt werden. Unabhängig von der tierschutzrechtlichen Bewertung sollte der Tierpark das Haltungs- und Zuchtmanagement generell so gestalten, dass Inzucht unter sehr nah ver- wandten Tieren weitgehend vermieden wird. 3. Welche Anordnungen haben die zuständigen Be- hörden im Bezirk gegen diese Tierschutzverletzungen bisher unternommen? 4. Für den Fall, dass die zuständigen Behörden des Bezirks Lichtenberg noch nicht tätig geworden sind, wel- che Gründe gibt es für dieses von den Behörden des Be- zirks Mitte abweichende Verhalten, das in einem ver- gleichbaren Fall gegen die Löwen-Inzest-Zucht des Dr. B. vorgeht? Zu 3. und 4.: Da es nach momentanem Kenntnisstand des Vetleb Lichtenberg nicht zu ahndungswürdigen Ver- stößen gegen das Tierschutzrecht gekommen ist, wurden keine behördlichen Anordnungen getroffen. Den „vergleichbaren Fall“ aus dem Zoo Berlin kann das Vetleb Lichtenberg mangels genauerer Kenntnis des Sachver- halts nicht bewerten. 5. Wie bewertet der Senat den Umstand, dass die über- lebenden Inzest-Jungbullen nicht an verantwortungsvoll handelnde europäische Zoos vermittelt werden konnten und deshalb vom Zoochef wiederholt ein Tierhändler ein- geschaltet werden musste? Zu 5.: Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass die verantwortungsvolle Vermittlung von Tieren des Zoos und Tierparks durch Tierhändler grundsätzlich ausge- schlossen sein soll. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass eine Inanspruchnahme von vertrauenswürdigen Tier- händlern- und Tiertransporteuren auch bei anderen tier- gärtnerischen Einrichtungen nicht unüblich ist. 6. Vor dem Hintergrund, dass der Berliner Zoochef am 14.04.2008 in der Sitzung des Gesundheitsausschus- ses zur Frage nach dem Verbleib überzähliger Zootiere zu Protokoll gab: "Es ist kein einziges Tier aus Zoo und Tierpark verschwunden. Alle Tiere, alle Individuen - viel- leicht nicht jede Ameise und jede Honigbiene - bis hin Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 093 2 zum Fisch und zu den wirbellosen Krebsen und Korallen sind in den Bestandsbüchern des Zoologischen Gartens und Tierparks verzeichnet." frage ich, weshalb dem Zoochef der Verbleib des Giraffenjungbullen Ede (vgl. Beitrag BZ vom 01.08.2012), der unstrittig größer als Honigbienen und Ameisen ist, unbekannt ist? Zu 6.: Der Senat ist naturgemäß nicht in der Lage zu beurteilen, ob und warum dem Zoochef der Verbleib von Ede unbekannt war. 7. Welche Maßnahmen will der Senat ergreifen, damit der Zoochef als Zuwendungsempfänger des Landes Berlin künftig ethisch korrekt handelt sowie seinen Verpflich- tungen zur Einhaltung des Tierschutzgesetzes und der wahrheitsgemäßen Berichterstattung gegenüber den Par- lamentariern nachkommt? Zu 7.: Der Senat gewährt der Tierpark Berlin- Friedrichsfelde GmbH einen Festzuschuss als institutio- nelle Förderung mit dem Ziel, die Leistungsfähigkeit und Attraktivität der Einrichtung zu sichern und die Wirt- schaftlichkeit zu steigern. Es gibt bisher keine Beanstan- dungen hinsichtlich der zweckentsprechenden Verwen- dung der zugewiesenen Mittel. Zur Frage nach der Durch- setzung tierschutzrechtlicher Vorgaben wird auf die Ant- worten zu den Fragen 1 bis 5 verwiesen. Berlin, den 13. November 2012 Thomas Heilmann Senator für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Nov. 2012)