Drucksache 17 / 11 102 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Thomas Birk (GRÜNE) vom 19. Oktober 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Oktober 2012) und Antwort Neue Ausführungsvorschriften über Honorare der Musikschulen und die Folgen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Liegt dem Senat eine schriftliche Bestätigung der Deutschen Rentenversicherung vor, dass sie die neuen Ausführungsvorschriften über Honorare der Musikschu- len (AV Honorare MuS) insbesondere bezüglich der ar- beitnehmerähnlichen Lehrkräfte an Musikschulen akzep- tiert und damit die Anforderungen aus ihrem Schreiben an das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf vom März 2011 als erfüllt ansieht? Wenn ja, wie lautet der Wortlaut des Schreibens der Deutschen Rentenversicherung? Zu 1.: Die Deutsche Rentenversicherung hat mit Schreiben vom 22.12.2011 erklärt, dass mit Inkraftsetzen der neuen Ausführungsvorschriften über Honorare der Musikschulen und bei Verwendung des gemeinsam mit den Bezirken entwickelten Muster-Honorarvertrages, der den Ausführungsvorschriften als Empfehlung beiliegt, die "Auflagen" aus dem Betriebsprüfungsbescheid vom 10.03.2011 erfüllt sind und nicht beabsichtigt ist, auf- grund dieses Bescheides Nachforderungen zu erheben. Gleichzeitig hat sie erklärt, dass die „nunmehr vorliegende Ausgestaltung der Ausführungsvorschriften und des Muster-Honorarvertrages für Musikschullehrerinnen und Musikschullehrer an den bezirklichen Musikschulen des Landes Berlin keine Aspekte enthalten, die einer Beurtei- lung dieses Personenkreises als selbständig Tätige entge- genstehen“. Im Rahmen des Mitzeichnungsverfahrens über die Ausführungsvorschriften über Honorare der Musikschu- len wurden die Honorarregelungen durch die Senatsver- waltung für Finanzen arbeits- und sozialrechtlich geprüft. In einem Gespräch mit dem Leiter der Grundsatzabteilung der Deutschen Rentenversicherung wurde die Rechtslage unter Beteiligung der zuständigen Referatsleitungen der Senatsverwaltungen für Bildung, Jugend und Wissen- schaft sowie der Senatsverwaltung für Finanzen erörtert und seitens der Deutschen Rentenversicherung die bereits schriftlich mitgeteilten Aussagen zum versicherungsrecht- lichen Status bekräftigt. Das Gesprächsergebnis wurde nochmals mit Schrei- ben der Deutschen Rentenversicherung vom 02.03.2012 bestätigt. Es wurde mitgeteilt, dass „die Ausführungsvorschriften und der Muster-Honorarvertrag trotz der vorge- nommenen Ergänzungen und Änderungen weiterhin keine Aspekte enthalten, die einer Beurteilung der Musikschul- lehrer als selbstständig Tätige entgegenstehen“. Eine abweichende Wertung der vertraglichen Grundlagen könne sich allerdings „sachlogisch dann ergeben, wenn Musikschulen der empfohlenen Benutzung des Muster- Honorarvertrages nicht folgen und gegebenenfalls abwei- chende vertragliche Vereinbarungen treffen.“ Auf entsprechende Anfrage der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft zur sozialversiche- rungsrechtlichen Einschätzung der Deutschen Rentenver- sicherung zum Abschnitt 6 bis 6.6 (Kooperationen mit allgemeinbildenden Schulen) des von einer überbezirkli- chen Arbeitsgemeinschaft erarbeiteten Leitfadens, wurde mit Schreiben vom 06. 08.2012 bestätigt, dass die „Ausführungen der vorliegenden Abschnitte 6 bis 6.6 des Leit- fadens aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht keinen Bedenken begegnen.“ Aus Sicht der Deutschen Rentenversicherung „enthält der Leitfaden zu denjenigen Kooperationsvarianten , bei denen eine Eingliederung der freibe- ruflichen Musikschullehrkraft in den Schulbetrieb denk- bar ist bzw. die allein mit einer Eingliederung der freibe- ruflichen Musikschullehrkraft in den Schulbetrieb reali- sierbar sind, entsprechende Hinweise auf die erforderliche Statusklärung im Einzelfall (Abschnitt 6.5.) bzw. die so- zialversicherungsrechtliche Qualifizierung der Zusam- menarbeit (Abschnitt 6.6.)“. 2. Wie geht der Senat mit der Unsicherheit der Bezir- ke und der Honorarkräfte um, die in den neuen Ausfüh- rungsvorschriften keine Rechtssicherheit zur Vermeidung von Scheinselbstständigkeit sehen? Zu 2.: Der Senat hat im Beteiligungsverfahren zu den Ausführungsvorschriften über Honorare der Musikschu- len sehr ausführlich zu den von den Bezirken geäußerten Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 102 2 rechtlichen Bedenken gegen die Ausführungsvorschriften Stellung genommen und dargelegt, dass er keinen Anlass zu der Vermutung sieht, dass der mit der vorliegenden Honorarregelung getroffene Gestaltungsrahmen in über- wiegendem Maße Indizien für eine sozialversicherungs- pflichtige Beschäftigung oder für ein Arbeitsverhältnis schafft. Die Bezirke können sich zur eigenen Absicherung auf diese, vom Senat in Abstimmung mit den sozialversiche- rungsrechtlichen Experten der Deutschen Rentenversiche- rung erarbeitete Rechtsauffassung beziehen. Sie können aber nicht verpflichtet werden, sich dieser Auffassung anzuschließen. 3. Bis wann sollen die Bezirke neue Verträge auf Ba- sis der neuen Ausführungsvorschriften abgeschlossen haben? Zu 3.: Die Bezirke haben die zum 01.08.2012 in Kraft getretenen Ausführungsvorschriften sobald wie möglich umzusetzen. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft erwartet, dass die Anpassung der Ver- tragsverhältnisse zum 01.04.2013 erfolgt. 4. Was passiert, wenn Bezirke oder Honorarkräfte sich weigern, Honorarverträge im Sinne der neuen Aus- führungsvorschriften abzuschließen? Zu 4.: Bei Verwendung des gemeinsam mit den Be- zirken erarbeiteten und von der Deutschen Rentenversi- cherung sozialversicherungsrechtlich für unbedenklich eingestuften Vertragsmusters und entsprechender Gestal- tung der Vertragsverhältnisse können die Bezirke und Lehrkräfte für die Vergangenheit und die Zukunft davon ausgehen, dass keine Nachversicherungspflichten entste- hen. Ohne entsprechende Umstellung der Verträge ver- bleibt es bei der bestehenden Rechtsunsicherheit. 5. Welche Folgen haben unterschiedliche Honorarverträge nach alter und neuer Ausführungsvorschrift an einer Musikschule z. B. für Absageregelungen der SchülerIn- nen? Wie werden die SchülerInnen und Eltern über diese Situation informiert? Zu 5.: Die Folge, die die Absage eines Unterrichtster- mins für die Schülerin oder den Schüler hat, richtet sich wie bisher nach dem Schülervertrag. Da sich der Schüler- vertrag nicht ändert, ist eine besondere Information nicht erforderlich. 6. Welchen bürokratischen Mehraufwand sieht der Senat für die Honorarkräfte und die Verwaltungen der Musikschulen, wenn zukünftig alle Einzelleistungen der Honorarkräfte extra ausgewiesen und abgerechnet werden müssen und alle neu erforderlichen Nachweise für die Erlangung eines Ausgleichshonorars für ausgefallene Stunden erbracht und geprüft werden müssen? Sieht der Senat die Notwendigkeit, dass dieser Mehraufwand für die Verwaltung personell ausgeglichen werden muss? Zu 6.: Ob und in welchem Umfang Mehraufwand für die Verwaltung der Musikschulen bei den Bezirken ent- steht, ist gegenwärtig nicht absehbar. Die Entscheidung, ob und wie möglicher Mehraufwand personell auszuglei- chen sein würde, obliegt den Bezirken. Mit der geplanten Einführung eines neuen IT- Fachverfahrens für die Musikschulen im Jahr 2013 wer- den die Prozesse der Beauftragung und Abrechnung um- fassende IT-Unter-stützung erfahren. Es ist vorgesehen, den Honorarkräften Standardformulare zur periodischen Leistungserfassung und Abrechnung zur Verfügung zu stellen, die die Belegführung für die Honorarkräfte und die Verarbeitung in der Musikschulverwaltung erleichtern sollen. 7. Wie soll eine Musikschule ein gemeinsames Leitbild und pädagogische Konzepte verfolgen und die Zu- sammenarbeit mit allgemeinbildenden Schulen bewerk- stelligen, wenn über 90 Prozent der Musikschul- lehrerInnen auf Honorarbasis arbeiten und damit z. B. nur auf freiwilliger Basis in Fachkonferenzen und feste Stun- denpläne eingebunden werden können und nicht wei- sungsgebunden sind? Zu 7.: Die Wahrnehmung der in § 124 Schulgesetz formulierten Aufgaben durch die Musikschulen setzt eine Grundausstattung mit festangestellten Musikschullehre- rinnen und Musikschullehrern voraus, die im pädago- gisch-planenden Bereich Funktionen übernehmen. Die Personalbemessung für die Durchführung dieser Aufga- ben erfolgt in bezirklicher Verantwortung. Mit freiberuflichen Lehrkräften kann die Entwicklung pädagogischer Konzepte für Kooperationen, die Teilnah- me an Fachkonferenzen oder die Durchführung des Un- terrichtsangebots zu einem bestimmten Termin durch entsprechende Aufträge vereinbart werden. Mit Abschluss der Vereinbarung verpflichtet sich die freiberufliche Lehrkraft vertraglich, die vereinbarten Leistungen auch zu erbringen. Berlin, den 11. November 2012 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Nov. 2012)