Drucksache 17 / 11 149 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 30. Oktober 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Oktober 2012) und Antwort JVA Heidering: Was kosten die Teilprivatisierungsphantasien das Land Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Kosten sind dem Land Berlin insgesamt für die Prüfung der letztendlich nicht umgesetzten Pläne ent- standen, in der JVA Heidering Leistungen der Bereiche Beschäftigung, Versorgung und Verpflegung, medizini- sche Versorgung, Freizeitgestaltung und Bildung von Privaten erbringen zu lassen? 2. Welche Kosten entfielen davon auf Gutachten, Vorbereitung der Ausschreibung, Durchführung des Aus- schreibungsverfahrens, Erstellung von Vertragsentwürfen, sonstige Kosten (es wird um Einzelauflistung gebeten)? 3. Welche Kosten davon waren Personal- und Sach- kosten der Verwaltung, welche Kosten gingen an welche externen Dienstleister? Zu 1. bis 3.: Die Gesamtkosten des Vorhabens, das viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Senatsverwal- tung für Justiz und Verbraucherschutz und der Justizvoll- zugsanstalten seit 2006 beschäftigt, lassen sich nicht be- ziffern, weil eine monetäre Erfassung des staatlichen Per- sonaleinsatzes nicht möglich ist. Denn mit den komplexen und ganz unterschiedlichen Aufgabenstellungen waren Beschäftigte des Landes Berlin nie ausschließlich befasst. Vielmehr haben insbesondere Mitarbeiterinnen und Mit- arbeiter der Justizvollzugsanstalten neben ihrer Tätigkeit in den Justizvollzugsanstalten zeitweise an Arbeitsgrup- pen/Projektgruppen mitgewirkt und den Prozess durch ihre Sach- und Fachkunde unterstützt. Durch den regel- mäßigen anstaltsübergreifenden Austausch in den Ar- beitsgruppen/Projektgruppen haben alle Beteiligten zu- dem Innovationsideen für das tägliche Arbeitsfeld entwi- ckeln können, so dass die Gruppenarbeit an sich auch zu Entwicklungen im gesamten Berliner Justizvollzug beige- tragen hat. Beziffern lassen sich die Kosten für die externe Be- gleitung: So wurden für die betriebswirtschaftliche Begleitung des Prozesses von 2009 bis zum heutigen Tage 316.717,85 € gezahlt. Die hierdurch vergütete Dienstleistung umfasste die Erstellung einer Machbarkeitsstudie zum Thema ob und unter welchen Voraussetzungen sich durch die verstärkte Einbeziehung Dritter im Betrieb der Justizvollzugsanstalt (JVA) Heidering qualitative und wirtschaftliche Vorteile erzielen ließen. Es wurde in die- sem Zusammenhang eine Marktbeobachtung zur Vorbe- reitung von Vergabeverfahren durchgeführt. Die Mach- barkeitsstudie und die sich aus ihr ergebende Empfehlung, die Einbeziehung Dritter wegen zu erwartender Effizien- zen voranzutreiben, wurden dem Hauptausschuss zur Kenntnis gegeben. Die Vorlage und die aus ihr resultie- rende Absicht, Verpflichtungsermächtigungen für fünf Jahre zu erteilen, sind am 22. Juni 2011 zustimmend zur Kenntnis genommen worden. Nicht zuletzt wurden für die sich anschließenden Vergabeverfahren die Leistungsbe- schreibungen erstellt und eigene Service Level Agree- ments entwickelt, um die beschriebenen und erwarteten Leistungen messbar zu machen und bei Nichterreichen auch sanktionieren zu können. Schließlich erfolgten alle inhaltlichen Abstimmungen in den Vergabeverfahren un- ter der Leitung dieses externen Dienstleisters (Ernst & Young Real Estate GmbH), der letztendlich auch die fina- len Angebote wirtschaftlich bewertete und damit die Ent- scheidung, keine Verträge zu schließen, vorbereitete. Das gesamte Verfahren wurde zudem rechtlich beglei- tet. Hierfür sind an die Wirtschaftskanzlei Noerr LLP seit 2009 bis heute 99.680,01 € gezahlt worden. Die rechtliche Begleitung beinhaltete neben der Klärung einzelner Rechtsfragen die Einrichtung einer Kontaktstelle in den Vergabeverfahren bei Noerr LLP sowie die rechtliche Vertretung im gesamten Abstimmungs- und Verhand- lungsprozess, die Fertigung der Vertragsentwürfe und die rechtliche Bewertung des Gesamtkomplexes. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 149 2 Die Finanzierung der externen Begleitung erfolgte im Rahmen des hierfür mit Beschluss des Hauptausschusses des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 10. September 2008 zur Verfügung gestellten finanziellen Rahmens von 500.000 €. Die tatsächlichen Zahlungen belaufen sich bis dato auf insgesamt 416.397,86 €. 4. In welcher Höhe werden nun Mehrkosten erwartet, da das Land Berlin die Aufgaben in Eigenleistung er- füllen muss? Zu 4.: Es werden keine Mehrkosten erwartet, weil die Mittel für die Einbeziehung Dritter in den Betrieb der JVA Heidering in den Haushalt aufgenommen worden sind. Dieses Finanzierungsvolumen wird nicht überschrit- ten werden. Der Kalkulation dieser Mittel lag das Modell „Betrieb in Eigenregie“ zu Grunde. 5. Wie viele Personalstellen werden in welchen Berei- chen (AVD, Sozialarbeit/psychologische Betreuung, Ärz- te/Ärztinnen und sonstiges medizinisches Personal etc.) für die Erfüllung dieser Aufgaben in Eigenregie zusätz- lich benötigt und eingeplant? Welche davon sind stellen- planmäßig abgesichert bzw. welche müssen stellenplan- mäßig abgesichert werden? 6. Plant der Senat, andere Leistungen in der JVA Hei- dering durch Externe erbringen zu lassen? Wenn ja, wel- che und in welchem Umfang (bitte auflisten)? Zu 5. und 6.: Die Planungen für den Betrieb der JVA Heidering werden zurzeit überarbeitet und der neuen Si- tuation angepasst. Es wird gegenwärtig geprüft, welche Aufgaben mit eigenem Personal wahrgenommen werden und ob es einzelne Leistungen gibt, die von Freien Trä- gern oder anderen Externen wahrgenommen werden soll- ten. Im Hinblick auf einige Aufgaben ist bereits die Ent- scheidung getroffen worden, dass Bedienstete des Landes eingesetzt werden sollen. So wird die JVA Heidering ex- ternen Service für Ihre Aufgabenerfüllung nicht in An- spruch nehmen, sondern z. B. ihre Lagerhaltung, die Ver- sorgung der Gefangenen mit Dingen des täglichen Be- darfs und mit Wäsche selbst vornehmen. Diese Entschei- dung führt dazu, dass für den Betrieb der Hauskammer und des Briefamtes der JVA Heidering weitere Stellen im Allgemeinen Vollzugsdienst (AVD) erforderlich werden. In der JVA Heidering wird zudem eine staatliche Ar- beitsverwaltung implementiert, die weitere Beschäftigte im Verwaltungsdienst vor Ort erforderlich macht. Auch zur Durchführung von Sportangeboten wird nunmehr Personal im AVD benötigt und der Sozialpäda- gogische Dienst der JVA Heidering muss anders zusam- mengesetzt werden, um die veränderten Aufgaben zu er- füllen, d. h. den Aspekt der Freizeitgestaltung der Gefan- genen komplett betreuen zu können. Um Missverständ- nissen vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, dass die so- zialpädagogischen Aufgaben in der Gefangenenbetreuung nie an private Dienstleisterinnen und Dienstleister über- tragen werden sollten, sondern stets staatlichem Personal vorbehalten waren. Die medizinische Versorgung der JVA Heidering wird unter der Fach- und Dienstaufsicht des Justizvollzugs- krankenhauses Berlin erfolgen, dem das Personal zuge- ordnet bleibt. Der hierfür erforderliche Personalbedarf wird mit 1 1/2 Stellen für Anstaltsärztinnen und Anstalts- ärzte sowie zwölf Stellen für Krankenpflegedienst ange- geben. In anderen Aufgabenbereichen reduziert sich durch die Entscheidung, die Vergabeverfahren ohne Vertrags- schluss zu beenden, der Personalbedarf der JVA Heide- ring, z. B. durch Wegfall des Vertragscontrollings, das bei Einbeziehung Dritter in den Betrieb der JVA Heidering erforderlich geworden wäre. Der Mehrbedarf der JVA Heidering beträgt daher ak- tuell sieben Stellen insgesamt. Er ist mit 217 statt bislang 210 Vollzeitäquivalenten bemessen. Hinzu kommt der dargestellte Bedarf des Justizvollzugskrankenhauses Ber- lin im medizinischen Bereich. Ob und ggf. in welchem Umfang die Beschäftigung, Bildung und Qualifizierung der Gefangenen in der JVA Heidering die Verlagerung von weiteren Dienstposten anderer Justizvollzugsanstalten erfordert oder Leistungen an Dritte bzw. an Freie Träger vergeben werden sollen, kann derzeit noch nicht mit Bestimmtheit mitgeteilt wer- den. Die Implementierung zeitgemäßer Planungen in die- sem Bereich ist derzeit noch nicht abgeschlossen. So wird z. B. derzeit geprüft, ob der Betrieb der Küche und Kantine der JVA Heidering noch einmal gesondert ausgeschrieben werden sollte, da sich in dem Vergabever- fahren zur Einbeziehung Dritter für diesen Bereich wirt- schaftliche und qualitative Vorteile gezeigt haben, die jedoch im Verhältnis zu wirtschaftlichen Nachteilen in anderen Versorgungsbereichen eine Gesamtvergabe die- ses Leistungspaketes nicht getragen haben. Der personelle Mehrbedarf der JVA Heidering muss aus dem Stellenbestand des Berliner Justizvollzuges fi- nanziert werden. Dies ist möglich, da die Inbetriebnahme der JVA Heidering wegen konstanter Gefangenenzahlen durch Bereichsschließungen in anderen Justizvollzugsein- richtungen flankiert wird. Der Bedarf der JVA Heidering ist damit stellenplan- mäßig abgesichert. Stellenverschiebungen werden in der Dienstkräfteanmeldung 2014/2015 bereinigt werden. Berlin, den 05. Dezember 2012 Thomas Heilmann Senator für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Dez. 2012)