Drucksache 17 / 11 154 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN) vom 31. Oktober 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. November 2012) und Antwort Verhalten des Senats und der GroKo gegenüber dem SondAWV beim Rückkauf der RWE- Anteile Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Teilprivatisierungsverträge und Konsortialvertrag waren ersichtlich darauf ausgelegt, die parlamentarische Kontrolle zu verhindern. Warum setzt der Senat trotz des eindeutigen Volksentscheids diese Politik fort? Zu 1.: Der Konsortialvertrag zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe wurde dem Abgeordnetenhaus im Jahr 1999 im Rahmen einer Beschlussvorlage zur Ent- scheidung vorgelegt. Alle Abgeordneten hatten die Mög- lichkeit der Einsichtnahme in das damals noch vertrauli- che Vertragswerk. Es war somit die volle parlamentari- sche Kontrolle in dem für Vermögensgeschäfte vorgese- henen Verfahren gewährleistet. Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen des Erwerbs des Geschäftsanteils von RWE an der RWE- Veolia Berlinwasser Beteiligungs GmbH (RVB) wurden dem Abgeordnetenhaus sämtliche angeforderten Unterla- gen vorgelegt und alle gestellten Fragen beantwortet. Ei- nige dieser Unterlagen - auf die die Frage 2 Bezug nimmt - dürfen nicht bzw. nicht vollständig ohne die Zustim- mung von Veolia offengelegt werden. Aus diesem Grund war eine Einsichtnahme nur im vertraulichen Datenraum des Abgeordnetenhauses möglich. 2. Parlamentarische Prozesse müssen öffentlich sein. Wie will der Senat dies unter den Bedingungen der Ge- heimhaltung von drei wichtigen im Rückkaufvertrag er- wähnten Dokumenten gewährleisten? Zu 2.: Das parlamentarische Verfahren verlief so, wie es in §§ 38 und 53 der Geschäftsordnung des Abgeordne- tenhauses vorgesehen ist, d.h. mit Erörterung und Vorbe- reitung im vertraulich tagenden Unterausschuss Vermö- gensverwaltung. Darüber hinaus - und abweichend zu den Bestimmungen über die Behandlung von Vermögensge- schäften - wurden Einzelheiten des Rückkaufs auch im öffentlich tagenden Sonderausschuss „Wasserverträge “ und im Unterausschuss Beteiligungsmanagement und -controlling besprochen. Veolia teilte mit Schreiben vom 12.10.2012 an den Vorsitzenden des Sonderausschusses Wasserverträge mit, dass einer Veröffentlichung des Shareholders’ Agreement derzeit nicht zugestimmt werde. Die Senatsverwaltung für Finanzen musste diesen Wunsch von Veolia aus rechtli- chen Gründen akzeptieren. Hinsichtlich der Darlehensver- träge mit der RVB erklärte sich Veolia unter der Voraus- setzung einer Schwärzung der Zinskonditionen zu einer Veröffentlichung bereit. 3. Die Verfassungsmäßigkeit der Verträge wurde schon von Juristen im Sonderausschuss Wasserverträge angezweifelt. Warum wird die durch das Volksgesetz geforderte Überprüfung der Verträge nicht abgewartet, bevor neue Verträge angestrebt werden? Zu 3.: Der Senat hält den Konsortialvertrag zur Teil- privatisierung der BWB und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen für wirksam. Nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund laufender und drohender Schiedsverfahren geht der Senat davon aus, dass der Erwerb des Geschäfts- anteils von RWE an der RVB GmbH die wirtschaftlichste Lösung auf dem Weg einer Neuausrichtung der Berlin- wasser-Gruppe war. 4. Wie ist es mit § 1 des Volksgesetzes vom 4. März 2011 zu vereinbaren, dass weiter Bestandteile des Rück- kaufvertrags geheim bleiben sollen? Zu 4.: Bei dem Shareholders`Agreement und den Dar- lehensverträgen handelt es sich nicht um Verträge, die entsprechend § 1 Abs. 1 Offenlegungsgesetz zwischen dem Land Berlin und den privaten Anteilseignern ge- schlossen wurden. Das Land Berlin ist erst nach dem Er- werb des Geschäftsanteils von RWE an der RVB GmbH Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 154 2 den Verträgen beigetreten. Eine Veröffentlichung kann erfolgen, sofern Veolia dem zustimmt. 5. Aus welchem Anlass wurde das Shareholders‘ Agreement 2001 als Vertrag geschlossen? Zu 5.: Ein konkreter Anlass für die Vereinbarung des Shareholders’ Agreement ist dem Senat nicht bekannt. 6. Was war der Zweck des Shareholders‘ Agreement? Zu 6.: Zweck der Gesellschaftervereinbarung zwi- schen Veolia und RWE war es, die Prinzipien der gesell- schaftsrechtlichen Struktur der RVB zu konkretisieren und die Bedingungen der Zusammenarbeit festzulegen. Insbesondere sollte die Koordinierung von finanzwirt- schaftlich relevanten Fragen auf eine klare Grundlage gestellt werden. 7. Warum gab es eine Änderung des Sharehol- ders‘ Agreement im Jahr 2008? Zu 7.: Weshalb bzw. aus welchem Anlass das Share- holders’ Agreement 2008 überarbeitet wurde, ist dem Senat nicht bekannt. 8. Ist das Shareholder‘s Agreement von 2008 ein Ausgleich für die ebenfalls 2008 erfolgten gesetzlichen und satzungsmäßigen Änderungen zur Ausweitung der Rechte des Aufsichtsratsvorsitzenden der BWB im Be- reich der zustimmungspflichtigen Geschäfte? Zu 8.: Siehe Antwort zu 7. 9. Wie wurde die betriebliche Führung der BWB im Shareholders’ Agreement von 2008 durchgesetzt bzw. organisiert? Zu 9.: Das Shareholders’ Agreement soll unter anderem sicherstellen, dass Veolia und RWE einheitlich in der Berlinwasser-Gruppe auftreten und etwaige Divergenzen zwischen den Gesellschaftern auf Ebene der RVB im Vorfeld ausgeräumt werden. Nach dem Shareholders’ Agreement haben beide Parteien dafür Sorge zu tragen, dass im Vorstand der Holding und der BWB der Vorstandsvorsitzende und das für Fi- nanzen zuständige Vorstandsmitglied Vertreter der Par- teien sind. 10. Warum ist die konkrete Rechtsform für die Stille Gesellschaft für den Betriebsteil Abwasser im StG II- Vertrag offengelassen? (wird weder als typisch noch als atypisch qualifiziert) Zu 10.: Eine konkrete Bezeichnung als „typische “ Stille Gesellschaft ist nicht notwendig. Ohne eine vertragliche Qualifizierung liegt die Grundform des Rechtsinstituts der „typisch“ Stillen Gesellschaft vor. 11. Ist 2008 vereinbart worden, die Beteiligung der Privaten im Abwasserbereich als atypische Stille Gesell- schaft zu führen? Zu 11.: Nein. 12. In allen öffentlich zugänglichen Dokumenten wird die Stille Gesellschaft für den Abwasserteil immer als typische Stille Gesellschaft angegeben. Existiert diese Festlegung auch im Shareholders‘ Agreement? Wenn nein, warum nicht? Zu 12.: Im Shareholders‘ Agreement haben Veolia und RWE die Regeln zur Ausübung ihrer Gesellschafter- rechte in der RVB und deren Beteiligungen geregelt. Das Shareholders‘ Agreement definiert nicht die Ausgestaltung der Stillen Gesellschaften und hat auch keine Aus- wirkungen auf die Rechtsnatur der Stillen Gesellschaften. Definition und Ausgestaltung der Stillen Gesellschaften richten sich nach den Teilprivatisierungsverträgen, durch die sie begründet wurden. Diese Verträge sind öffentlich zugänglich. 13. Wie sind die steuerlichen Auswirkungen, wenn man entgegen den in der Öffentlichkeit zugänglichen Do- kumenten für den Abwasserteil eine atypische Stille Ge- sellschaft vorsieht? Zu 13.: Die Abwasserbeseitigung wird steuerlich als ein Hoheitsbetrieb behandelt, während die Wasserversor- gung steuerlich als Betrieb gewerblicher Art qualifiziert wird. Atypische Stille Beteiligungen können nicht an Ho- heitsbetrieben (Abwasser) begründet werden. Eine Ver- einbarung über die Begründung einer atypisch stillen Be- teiligung an dem Betriebsteil Abwasserbeseitigung wäre steuerlich unbeachtlich. 14. Hat die Geheimhaltung etwas mit bewusster Steu- erhinterziehung zu tun? Zu 14.: Nein. 15. Warum wurde das Shareholders‘ Agreement zum konstitutiven Bestandteil des Rückkaufvertrags, obwohl es 2011 nicht als Teil der Nebenabreden zum Konsortial- vertrag veröffentlicht wurde und obwohl es schon seit 2001 existierte? Zu 15.: Das Shareholders’ Agreement ist ein gesellschaftsrechtlicher Vertrag zwischen RWE und Veolia. Das Land trat erst nach Erwerb des Geschäftsanteils an der RVB bei. Das Land Berlin war in den Vertragsschluss nicht involviert, eine Veröffentlichungspflicht bestand mithin nicht. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 154 3 16. Warum ist das Shareholders’ Agreement erst vor ca. einer Woche in der Parlamentssprache deutsch im Datenraum ausgelegt worden, obwohl es beim Gerichts- verfahren zwischen RWE und Veolia in deutscher Spra- che vorlag? Zu 16.: Veolia hatte anlässlich des Rechtsstreites mit RWE eine (vollständige oder teilweise) Übersetzung an- fertigen lassen. Diese wurde dem Land Berlin jedoch nicht zur Verfügung gestellt. Die Senatsverwaltung für Finanzen hat daher als Lesehilfe selbst eine Übertragung ins Deutsche vorgenommen, wobei aber betont werden muss, dass ausschließlich die englische Fassung maßgeb- lich ist. Eine amtliche Übersetzung liegt dem Senat nicht vor. 17. Laut Rückkaufsvertrag wurde zwischen RWE und RVB ein Eigenkapital-Darlehensvertrag geschlossen. Wa- rum geschah dies drei Tage nach dem erfolgreichen Volksentscheid? Zu 17.: Hintergründe hierzu sind dem Senat nicht be- kannt. 18. Warum wird über den Rückkaufvertrag die bishe- rige Vertragskonstruktion fortgesetzt, obwohl diese un- übersichtlicher ist als es zur Erfüllung der Aufgabe der Wasserver- und -entsorgung notwendig wäre? Zu 18.: Mit dem Vollzug des Kaufs des RVB- Geschäftsanteils wurde ein erster Schritt im Rahmen einer Neuordnung der Berlinwasser-Gruppe umgesetzt. Die weiteren Schritte müssen im Einvernehmen mit Veolia abgestimmt werden. Bei einem eventuellen Ausscheiden von Veolia könnte die bisherige Vertragskonstruktion aufgelöst werden. 19. Inwieweit ist die Kartellamtsverfügung bereits in die Kaufpreisgestaltung eingeflossen? Nach höchstrichter- licher Rechtsprechung (Bananenmarkturteil BVerfG 2 BvL 1/97 v. 07.06.2000) ist sie zu berücksichtigen. Zu 19.: Die Kartellamtsverfügung ist in die Kauf- preisgestaltung eingeflossen. Der Senat ist darauf in sei- ner Vorlage an das Abgeordnetenhaus zum Vermögens- geschäft eingegangen. Berlin, den 14. November 2012 In Vertretung Dr. Margaretha Sudhof Senatsverwaltung für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Nov. 2012)