Drucksache 17 / 11 160 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Jasenka Villbrandt, Martin Beck und Heiko Thomas (GRÜNE) vom 29. Oktober 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. November 2012) und Antwort LIGA-Verträge und Kontrolle von Trägern sozialer Leistungen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Kleine Anfrage zielt sowohl auf den Rahmenfördervertrag mit der LIGA der Wohlfahrts- verbände und seine in ihm geregelten zuwendungsfinan- zierten Förderprogramme Integriertes Förderprogramm (IGP), Infrastrukturförderprogramm Stadtteilzentren (IFP Stz) und Integriertes Sozialprogramm (ISP), als auch den entgeltfinanzierten Bereich ab. Im Interesse einer für die Fragesteller nachvollziehba- ren und dem gewählten parlamentarischen Kontrol- linstrument unter Aufwandsgesichtspunkten angemesse- nen Beantwortung konzentrieren sich die Antworten bei den Fragen zu 1.-6. sowie 8.-9. auf den entgeltfinanzierten und bei den übrigen Fragen auf den zuwendungsfinanzier- ten Bereich. 1. Bereits mehrfach hat der Senat eine bessere Kon- trolle von Trägern sozialer Leistungen angekündigt. Wie soll eine bessere Kontrolle erfolgen? Welche Aufgaben- teilung gibt es dabei zwischen der Senatsverwaltung für Finanzen und der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales? 4. Soll bei der Kontrolle freier Träger externer Sach- verstand herangezogen werden? Wenn ja aus welchen Berufsgruppen setzt er sich zusammen? 5. Wie hoch sind die zu erwartenden Kosten für die evtl. zu erteilenden Aufträge? Zu 1., 4. und 5.: Zur besseren Kontrolle von Trägern sozialer Leistungen wurde von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales eine Gesetzesinitiative (Bundes- ratsdrucksache 394/10) zur Verbesserung des Prüfrechts des Trägers der Sozialhilfe eingebracht. Der Gesetzent- wurf hat den Bundesrat 2010 mit einer 16-Länder- Zustimmung passiert und ist in die aktuell in einer Bund- Länder-Arbeitsgruppe diskutierte Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe eingeflossen. Da nicht absehbar ist, ob und wann eine Reform des Prüfrechts erfolgt, wurde der Berliner Rahmenvertrag Soziales durch die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales und die Senatsverwaltung für Finanzen gemein- sam in Hinblick auf mehr Transparenz und bessere Kon- trollmöglichkeiten überarbeitet. Unter anderem wurde der Abschnitt zu Prüfungen an die Regelungen der Gesetzesinitiative angepasst. Die Verhandlungen mit den Anbie- terverbänden beginnen in Kürze. Für die Vergabe von Prüfungen an externe Sachver- ständige sind im Einzelplan 11 – Kapitel 1150 – Titel 52610 Gutachten für das Haushaltsjahr 2013 Mittel in Höhe von 250.000 € eingestellt. Allerdings sind davon Ausgaben in Höhe von 225.000 € qualifiziert gesperrt. Als Bedingung für die Freigabe der Gelder ist die Umset- zung der genannten Bundesratsinitiative formuliert. Deren Umsetzung wird mittlerweile in dieser Legislaturperiode nicht mehr erwartet. Gegenwärtig liegen keine Erfahrungen hinsichtlich der zu erwartenden Kosten für die evtl. zu erteilenden Aufträ- ge vor. Die Kosten für eine einzelne Prüfung hängen bei- spielsweise von folgenden Faktoren ab: Größe der zu prü- fenden Einrichtungen, Gegenstand der Qualitätsprüfung (z.B. Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnis- qualität), Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsprüfung (z. B. tatsächliche Personalkosten, Stellenbesetzung und Ein- gruppierung, Sach- und Verwaltungskosten) Rechtsform der zu prüfenden Einrichtung. Die externen Sachverständigen sollen sowohl Wirt- schaftlichkeits- als auch Qualitäts-aspekte prüfen. Dies setzt ein hohes Maß an leistungsbezogenem (Kapitel 6, 8 und 10 SGB XII) und betriebswirtschaftlichem Spezial- wissen voraus. In Abhängigkeit der jeweiligen Prüfungs- schwerpunkte sind beispielsweise folgende Berufsgrup- pen grundsätzlich für die Prüfung der Freien Träger ge- eignet: Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 160 2  Prüfung der Wirtschaftlichkeit: Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer, Steuerberaterinnen und Steuerberater, Bilanzbuchhalterinnen und Bilanz- buch-halter, Buchprüferinnen und Buchprüfer  Prüfung der Qualität: Fachärztinnen und Fachärzte, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Pflegefach- kräfte 2. Wiederholt wurde Senator Czaja in der Presse mit den Aussagen zitiert, in der eigenen Verwaltung müsse erst langsam wieder Know-how aufgebaut werden und es sei kein Detailwissen mehr über Angebote, die an externe Träger übergeben wurden, vorhanden. Was sind die Ursa- chen für das Abhandenkommen dieses Wissens und wer trägt hierfür die Verantwortung? Zu 2.: Bis zum Jahr 2009 erfolgte die Preisbildung im Bereich entgeltfinanzierter sozialer Dienstleistungen auf Grund höchstrichterlicher Rechtsprechung anhand von Marktpreisen, die es einer durchschnittlichen Einrichtung ermöglichen, die vereinbarte Leistung zu erbringen. Die tatsächliche Kostenstruktur einer Einrichtung wurde in der Regel nicht berücksichtigt und folglich konnten auch keine entsprechenden Daten erhoben werden. Mit seinem Urteil vom 29.01.2009 hat das Bundesso- zialgericht einen Systemwechsel in der Preisbildung für Pflegeeinrichtungen nach dem SGB XI hin zu geste- hungskosten-orientierten Entgelten begründet. Ein von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales beauf- tragtes Rechtsgutachten hat die Übertragbarkeit des Ur- teils auf die entgeltfinanzierten Leistungen nach dem SGB XII bestätigt. Folglich müssen alle Träger sozialer Leistungen bei der Beantragung einer Vergütungserhöhung seit 2010 (Leistungen nach SGB XI) bzw. 2012 (Leistungen nach SGB XII) ihre Gestehungskosten offenlegen. Da diese Daten in den zurückliegenden ca. 10 Jahren nicht zur Verfügung standen, muss nun zunächst eine Datenbasis für Vergleiche und Beurteilungen geschaffen werden. Hierbei wird die Senatsverwaltung für Gesund- heit und Soziales von der Senatsverwaltung für Finanzen unterstützt, die berlinweite Orientierungswerte für die entgeltfinanzierten Leistungen entwickelt. Ergänzender Hinweis zum zuwendungsfinanzierten Rahmenfördervertrag mit der LIGA der Wohlfahrtsver- bände: Da diverse Fachbereiche beider Senatsverwaltungen während der langjährigen Praxis der Treuhandverträge fortlaufend an deren Vertragsumsetzung beteiligt waren, stellte sich die Frage des Aufbaus verloren gegangenen Know-hows in diesen nicht. Die maßgebliche Rolle des Zuwendungsgebers musste allerdings mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) als Bewil- ligungsstelle neu besetzt werden, was zwischenzeitlich erfolgreich gelang. (vgl. Hauptausschussvorlagen mit den Roten Nummern 16/1732 ff). 3. Mittelfristig solle über Neueinstellungen mit ent- sprechenden Kenntnissen wieder eigenes Fachwissen auf- gebaut werden. Welche zeitliche Planung für den „Aufbau von Fachwissen“ steckt hinter dem Begriff „mittelfristig “? Zu 3.: Zur Bearbeitung von grundsätzlichen, betriebswirtschaftlichen Fragen, zur Beurteilung der offengeleg- ten Gestehungskosten sowie zur Vorbereitung von Wirt- schaftlichkeitsprüfungen wurden bereits Ende 2011/An- fang 2012 zwei Stellen mit betriebswirtschaftlichem Sachverstand in der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales besetzt. Eine dritte betriebswirtschaftliche Stelle wird voraussichtlich Anfang 2013 besetzt. Das Besetzungsverfahren für die drei mit dem Haus- halt 2012/2013 eingerichteten Beschäftigungspositionen wurde eingeleitet. 6. Wird es Veränderungen der personellen Ausstat- tung zulasten anderer Verwaltungsbereiche geben; wenn ja, welche Bereiche sind betroffen und wie wurden diese ausgewählt? Zu 6.: Nein. 7. Wird es zukünftig einen „LIGA-Vertrag“ geben und wenn ja, wie soll dieser ausgestaltet werden? Wenn ja, welche Verantwortungs- und Aufgabenteilung zwischen der Verwaltung und den LIGA-Verbänden soll ein solcher Vertrag beinhalten? 12. Welche Rahmenverträge werden aktuell neu ver- handelt? Bis wann sollen die Verhandlungen abgeschlos- sen sein? Zu 7. und 12.: Der Rahmenfördervertrag (RFV) sieht in § 9 Abs. 2 vor, dass sich die Vertragspartner bis spätes- tens 30.04.2014 verständigen, ob eine Fortsetzung des Vertrags ab 2016 beabsichtigt ist. Dieser Verständigung geht die in 2013 geplante ge- meinsame Befassung der Vertragspartner mit dem in den Richtlinien der Regierungspolitik des Senats (s. Abgeord- netenhaus Drs. 17/0077, XIX. Soziales, Nr. 1) enthaltenen Überprüfungsauftrag voraus (vgl. Frage und Antwort zu 10.). Mit einem tatsächlichen Verhandlungsbeginn ist inso- fern ggf. erst in 2014 zu rechnen. Unabhängig davon ist eine Rückkehr zur früheren Praxis der Treuhandverträge mit Beliehenen angesichts unveränderter rechtlicher Ausgangsvoraussetzungen ohne vorherige ggf. europaweite Ausschreibung und Vergabe der Rolle der Beliehenen ausgeschlossen (s. Hauptaus- schussvorlagen mit den Roten Nummern 16/1732 ff). Ergänzender Hinweis zum entgeltfinanzierten Be- reich: Die Rahmenverträge nach § 75 SGB XI für die Kurz- zeitpflege und Tagespflege werden aktuell verhandelt. Als Vertragsbeginn ist der 01.01.2013 vorgesehen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 160 3 Wie zu 1. berichtet, werden die Verhandlungen zum Berliner Rahmenvertrag Soziales nach § 79 SGB XII in Kürze beginnen. Der Abschluss der Verhandlungen wird Mitte 2013 erwartet. 8. Welche Verträge bestehen derzeit zwischen Trägern sozialer Leistungen und der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (inklusive Vorgängerverwaltungen SenGUV und SenIAS sowie nachgeordneter Behörden) ab einer Vertragssumme in Höhe von mindestens 10.000.- €. Bitte gegliedert nach Träger, Behörde, Art der sozialen Leistung, Laufzeit von-bis, ggf. Zuordnung zu IGP, ISP oder IFP STZ? Zu 8.: Aktuell bestehen im Bereich entgeltfinanzierter sozialer Dienstleistungen mit der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales Verträge für 2032 Einrichtun- gen, davon a. 536 für Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder mehrfacher Behinderung, b. 361 für Menschen mit seelischer Behinderung, c. 139 für den Personenkreis nach §§ 67, 68 SGB XII und d. 996 für pflegebedürftige Menschen. Die Verträge nach § 75 Abs. 3 SGB XII (a. bis c.) ha- ben in der Regel eine Laufzeit vom 01.01.2012 bis 31.12.2013. Die Verträge nach § 71 ff SGB XI (d.) enden regulär ebenfalls zum 31.12.2013, im Anschluss greift die gesetzliche Weitergeltung, sofern keine neuen Verträge geschlossen werden. Genaue Informationen zu Trägern, Preisen und Ver- tragslaufzeit für jeden einzelnen Vertrag sind zu finden auf: http://www.berlin.de/sen/soziales/vertraege/verguetung/in dex.shtml Die einzelnen Projekte in den drei Förderprogrammen IGP, IFP Stz und ISP werden jeweils durch Zuwendungen und nicht durch Verträge gefördert. Der RFV selbst beinhaltet in § 2 Abs. 1 Förderzusagen des Landes Berlin für die drei Förderprogramme insgesamt und verweist in Abs. 2 ausdrücklich auf die jeweilige zuwendungsrechtliche Prüfung der Einzelprojekte. Insofern geht die die drei Förderprogramme betreffende Fragestellung hier fehl. 9. Welche Verträge sind seit September 2011 zwi- schen Trägern sozialer Leistungen und der Senatsverwal- tung für Gesundheit und Soziales (inklusive nachgeordne- ter Behörden) ab einer Vertragssumme von 10.000.-€ jährlich geschlossen worden (bitte gegliedert nach Träger, Art der sozialen Leistung, Laufzeit von bis, ggf. Zuord- nung zu IGP, ISP oder IFP STZ)? Zu 9.: Bis auf 567 Verträge für Pflegeeinrichtungen, die sich in der Weitergeltung befinden, wurden alle zu 8. genannten Verträge 2012 neu vereinbart. 10. Mittels welcher Methodik, welcher Parameter, durch wen und mit welchem Kosten- und Personalauf- wand werden die Projekte aus dem IGP, dem ISP, dem IFP STZ und der Initiative Aktionsräume plus sowie die Effektivität und Nachvollziehbarkeit der Umsetzung des neuen Rahmenfördervertrags mit der LIGA und den drei Förderprogrammen derzeit und zukünftig evaluiert (bitte um detaillierte Gliederung)? Zu 10.: Die geförderten Projekte werden im Rahmen des jährlichen Verwendungsnachweisverfahrens zuwendungsrechtlich geprüft. Grundlage für die Prüfung der zweckentsprechenden Verwendung der empfangenen Zuwendungsmittel sind einerseits die zahlenmäßigen Nachweise, in denen die Einnahmen und Ausgaben der Projekte offengelegt werden. Des Weiteren bilden die im Zuge der Beantragung und Bewilligung der Zuwendung abgestimmten Konzeptionen und teilweise auch beste- hende Leistungsbeschreibungen, sowie im Einzelfall indi- viduelle projektbezogene Vorgaben die Grundlage für die fachliche Erfolgskontrolle. Für darüber hinausgehende Evaluationen sind zusätzliche Haushaltsmittel erforderlich , um externe Dienstleister beauftragen zu können. Im Rahmen des nächsten Haushaltsplanaufstellungsverfah- rens wird diese Problematik zu diskutieren sein. Das aus den Leitungsebenen der Vertragspartner und der für Finanzen zuständigen Senatsverwaltung gebildete Lenkungsgremium hat sich dahingehend verständigt, dass eine Facharbeitsgruppe zur Befassung mit dem Überprü- fungsauftrag (siehe auch Antwort zu 7. und 12.) gebildet wird und sich die an der Vertragsumsetzung Beteiligten auf Arbeitsebene über das weitere Vorgehen abstimmen. Die von der Facharbeitsgruppe erzielten Ergebnisse dienen anschließend als Ausgangsbasis für eine Entschei- dung über die Fortsetzung des RFV. 11. Wie sieht die Leistungsbilanz 2010 aus und wann ist mit der Leistungsbilanz 2011 zu rechnen? Gibt es ei- nen aktuellen Erfolgsbericht? Zu 11.: Die Leistungsbilanzen der beliehenen Wohl- fahrtsverbände waren ein Vertrags-instrument der Ende 2010 ausgelaufenen drei Treuhandverträge in den Berei- chen Gesundheit und Soziales. Der neue RFV sieht dieses nicht mehr vor. Unabhängig davon hat sich die für Gesundheit und Soziales zuständige Senats-verwaltung entschieden, dem Folgeberichtsauftrag des Hauptausschusses des Abgeord- netenhauses zur Umsetzung des RFV (s. Rote Nummer 17/0336) für jedes der drei Förderprogramme zusätzlich einen erstmaligen Jahresbericht 2011 beizufügen. Der Folgebericht wird dem Abgeordnetenhaus mit seinen drei Anlagen übermittelt. Weitere Berichte sind derzeit nicht vorgesehen. Berlin, den 06. Dezember 2012 In Vertretung Michael B ü g e Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Dez. 2012)