Drucksache 17 / 11 161 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Heiko Thomas und Thomas Birk (GRÜNE) vom 29. Oktober 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. November 2012) und Antwort Wer zahlt die HIV-PEP (Postexpositionsprophylaxe nach HIV-Risikokontakt) und wie wird sie genutzt? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. In welchen Einrichtungen und für welche Zielgruppen wird in Berlin eine Postexpositionsprophylaxe (PEP) nach HIV-Risikokontakt angeboten? Zu 1.: An drei Kliniken in Berlin wird eine HIV-PEP 24 Stunden am Tag vorgehalten: an der Immunologischen Tagesklinik des Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum, an der Notfall-Ambulanz der Charité, Campus Benjamin- Franklin, sowie an der Notfall-Ambulanz der Charité, Campus Virchow-Klinikum. Die Leistungen öffentlicher Krankenhäuser, aber auch niedergelassener Ärztinnen und Ärzte, richten sich nicht an spezielle Zielgruppen. Wie in Frage 3 ausgeführt, wird die Behandlung durch die Praxen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte durch- geführt. Welche niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in Berlin eine PEP nach HIV-Risikokontakt anbieten, ent- zieht sich der Kenntnis des Senats. 2. Welche Informationen zur Nutzung der HIV-PEP liegen dem Senat oder diesen Einrichtungen vor (bitte die statistischen Daten zur Nutzung seit 2009 mitteilen)? Zu 2.: Zur Nutzung der HIV-PEP durch niedergelas- sene Ärztinnen und Ärzten liegen dem Senat keine Anga- ben vor. Nach Auskunft des Vivantes Auguste-Viktoria- Klinikum werden ca. 400 Patientinnen und Patienten pro Jahr mit HIV-PEP (berufliche und private Exposition) behandelt. Der Charité liegen hierzu keine Zahlen vor; eine Anfrage in der ambulanten Abrechnung ergab, dass diese Zahlen nicht ohne Weiteres generiert werden kön- nen. 3. Die Frage nach dem Träger der im Rahmen der HIV-PEP entstehenden Kosten entscheidet sich vorrangig nach der Art des Risikokontakts (z.B. Kostenübernahme der PEP nach beruflicher Exposition durch Gesetzliche Unfallversicherung). Wie erfolgt die Kostenübernahme der HIV-PEP nach privater Exposition? 4. Berichten zufolge werden in den drei Kliniken, in denen rund um die Uhr die HIV-PEP angeboten wird, unterschiedliche Auskünfte zur Kostenübernahme nach privater Exposition gegeben und die HIV-PEP z. T. nur für SelbstzahlerInnen angeboten. Hat der Senat Kenntnis hierüber? Wenn diese Informationen zutreffen, wie kann die exklusive Behandlung von SelbstzahlerInnen gerecht- fertigt werden? 5. Nach der Schutzimpfungs-Richtlinie des G-BA ist die Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversiche- rung gegeben, sofern die postexpositionelle Gabe von Arzneimitteln im Einzelfall notwendig ist, um eine abseh- bare Erkrankung zu verhüten. Wie bewertet der Senat vor diesem Hintergrund die - Berichten zufolge - exklusive Behandlung für SelbstzahlerInnen? Zu 3., 4. und 5.: Die Postexpositionsprophylaxe nach „HIV-Risikokontakt“ umfasst grundsätzlich drei unterschiedliche Szenarien: a) PEP im beruflichen Umfeld, typischerweise Nadelstichverletzungen : Kostenübernahme erfolgt über die Berufsgenossenschaft b) PEP im privaten Umfeld bei Gewaltopfern: Kos- tenübernahme erfolgt im Rahmen der Notfallversorgung c) PEP nach privater Exposition, typischerweise unge- schützter Geschlechtsverkehr: Hier erfolgt die Kosten- übernahme in den Kliniken unterschiedlich: im Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum wird den Patientinnen und Patienten auch im Falle privater Exposition bei einer HIV-PEP die Erstgabe an Medikamenten bis zum Morgen des Folgetages (bzw. über das Wochenende bis zum kommenden Montag) kostenfrei mitgegeben. In der Ret- tungsstelle könnten lediglich 10 € Praxisgebühr anfallen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 161 2 Danach muss sich die betroffene Person in einer HIV- Schwerpunktpraxis vorstellen und ein Rezept über die weitere PEP-Medikation besorgen (Rezept zur Vermei- dung einer Erkrankung). Welche Schwerpunktpraxen für die Patientin und den Patienten bei guter Erreichbarkeit in Frage kommen könnten, wird individuell besprochen. In der Charité erfolgt die HIV-PEP gegen private Rechnungsstellung, da es sich weder um eine Leistung der GKV handelt, noch die verordneten Medikamente für diese Indikation zugelassen sind. Den Patientinnen und Patienten bleibt es freigestellt, eine Erstattung bei ihrer Krankenkasse zu beantragen; über die Erfolgsaussichten einer Antragstellung kann die Charité keine Auskunft geben. 6. Werden Personen, die eine HIV-PEP in Anspruch nehmen möchten, über die Möglichkeit einer Kostener- stattung durch die jeweilige Krankenkasse informiert, wenn von ihnen verlangt wird, die Kosten zunächst selbst zu tragen? Zu 6.: Seitens der Charité wird die Frage bejaht mit dem Hinweis, dass dort allerdings keine verbindlichen Aussagen der verschiedenen Krankenkassen vorliegen, ob und nach welchen Kriterien über eine Kostenübernahme entschieden wird. 7. Wie bewertet der Senat die Gefahr, dass Menschen aus Kostengründen keine HIV-PEP in Anspruch nehmen und sich so einem erhöhten Infektionsrisiko aussetzen und welche Handlungsschritte leitet er daraus ab? Zu 7.: Dem Senat sind solche Fälle nicht bekannt. 8. Wie schätzt der Senat den Bekanntheitsgrad der HIV-PEP ein? 9. Wie wird die HIV-PEP allgemein und in den je- weiligen Zielgruppen beworben? Zu 8. und 9.: Über den Bekanntheitsgrad der HIV-PEP liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. Die Telefonbe- ratung der Berliner Aidshilfe e. V. gibt umfassend und kompetent zur Frage der HIV-PEP Auskunft. Auch die weiteren Projekte und Träger im Arbeitsfeld HIV/Aids bieten ihren Klientinnen und Klienten zur Thematik In- formation und Beratung an. Eine zielgruppenspezifische Informationsvermittlung über die Zielgruppenspezifika der Projekte hinaus erfolgt hierbei nicht. 10. Verfolgt der Senat das Ziel, den Bekanntheitsgrad der HIV-PEP zu erhöhen, und wenn ja, wie will der Senat dieses Ziel erreichen, wenn nein, warum nicht? Zu 10.: Der Senat verfolgt eine vorrangig primärprä- ventive Strategie bei der Verhinderung neuer Infektionen mit HIV/Aids, sexuell übertragbarer Infektionen (sexually transmitted infections, STI) oder Hepatitiden. Die heraus- ragende Bedeutung des Kondoms als das Mittel der Wahl zur Prävention von HIV und STI ist in der Kommunikati- on auch weiterhin zu verstärken. Die HIV-PEP wird als eine sinnvolle Ergänzung die- ser Strategie gesehen. Eine Aufweichung und Ausweitung der Indikationsstellung, wie diese in den „Deutsch-österreichischen Empfehlungen zur PEP der HIV-Infek- tion“ im Januar 2008 gegeben wurden, wird seitens des Senats nicht angestrebt. Eine aktive Bewerbung der HIVPEP könnte u. U. dazu führen, dass in dem Glauben, eine mögliche HIV-Infektion mit einer PEP eliminieren zu können, verstärkt ungeschützte Sexualkontakte mit nicht bekannten Partnerinnen und Partnern stattfinden. Dies gilt es, vor dem Hintergrund der Kosten der HIV- PEP sowie der möglichen Unverträglichkeit für die Be- troffenen in jedem Falle zu vermeiden. Berlin, den 11. Dezember 2012 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Jan. 2013)