Drucksache 17 / 11 178 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Joachim Krüger (CDU) vom 08. November 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. November 2012) und Antwort Freiwilligendienste – ein Erfolg auch im Land Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Die Kleine Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Se- nat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beant- worten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Ant- wort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und den Paritätischen Wohlfahrtsver- band LV Berlin e. V. als zuständigen Dachverband um eine Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Ver- antwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurden. Die Beantwortung Ihrer Fragen stützt sich auf deren Stel- lungnahmen. 1. Wie viele junge Menschen aus dem Land Berlin haben nach Aussetzung des Wehrdienstes im Juli 2011 und damit auch der Aussetzung des Zivildienstes die un- terschiedlichen Angebote gemäß dem Gesetz zum Bun- desfreiwilligendienst (BFDG) bzw. dem Gesetz zur För- derung von Jugendfreiwilligendiensten (JFDG) genutzt? Zu 1.: Bundesweit sind derzeit rund 37.000 Freiwilli- ge im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes tätig, da- von sind rund 40 % über 27 Jahre und rund 21 % über 50 Jahre alt (Stand 02.11.12). Im Jahrgang 2012/2013 wer- den nach aktuellem Stand im freiwilligen sozialen Jahr (FSJ) 46.985 Freiwillige, im freiwilligen ökologischen Jahr (FÖJ) 2.695 Freiwillige durch das Bundesministeri- um für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. Seit der Einführung des Bundesfreiwilligendienstes zum Juli 2011 bis einschließlich Oktober 2012 haben in Berlin 1.366 Freiwillige unter 27 Jahren einen Dienst be- gonnen. In Berlin kann von ca. 2.000 Jugendlichen und jungen Erwachsenen jährlich, die ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ) absolvieren, ausgegangen werden. Bereits vor der Aussetzung des Zivildienstes war das FSJ als Bildungs- und Orientierungsjahr ein nachgefragtes Format des frei- willigen Engagements. Das Platzangebot im Rahmen des freiwilligen ökolo- gischen Jahres (FÖJ) hat sich folgendermaßen entwickelt (Projektlaufzeit stets vom 01.09. bis 31.08. des Folge- jahres): Projektjahr 2010/2011: 220 Teilnehmerplätze + 75 Plätze für anerkannte Kriegsdienstverweigerer (KDV) Projektjahr 2011/2012: 287 Teilnehmerplätze Projektjahr 2012/2013: 300 Teilnehmerplätze Durch Teilnehmerwechsel (Abbruch und Nachbesetzung) ist die Anzahl der Freiwilligen pro Projektjahr in der Re- gel größer als die Platzzahl. 2. In welchen Bereichen sind diese Jugendlichen tätig geworden? 4. Welche Tätigkeitsfelder wurden von dieser Interes- sengruppe (Menschen nach Vollendung des 27. Lebens- jahrs) ausgewählt und besetzt? Zu 2. und 4.: Die Fragen 2. und 4. werden aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet: Die Einsatzbereiche für Freiwillige im Rahmen der Jugendfreiwilligendienste und im Rahmen des Bundes- freiwilligendienstes sind gesetzlich normiert. Gemäß § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten (Jugendfreiwilligendienstege- setz - JFDG) vom 16. Mai 2008 (BGBl. I S. 842), zuletzt geändert durch Artikel 30 des Gesetzes vom 20. Dezem- ber 2011 (BGBl. I S. 2854) wird das „freiwillige soziale Jahr … ganztägig als überwiegend praktische Hilfstätigkeit , die an Lernzielen orientiert ist, in gemeinwohlorien- tierten Einrichtungen geleistet, ins-besondere in Einrich- tungen der Wohlfahrtspflege, in Einrichtungen der Kin- der- und Jugendhilfe, einschließlich der Einrichtungen für außerschulische Jugendbildung und Einrichtungen für Jugendarbeit, in Einrichtungen der Gesundheitspflege, in Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 178 2 Einrichtungen der Kultur und Denkmalpflege oder in Ein- richtungen des Sports.“ Das freiwillige ökologische Jahr wird gemäß § 4 Abs. 1 JFDG „ganztägig als überwiegend praktische Hilfstätigkeit , die an Lernzielen orientiert ist, in geeigneten Stellen und Einrichtungen geleistet, die im Bereich des Natur- und Umweltschutzes einschließlich der Bildung zur Nachhaltigkeit tätig sind.“ Gemäß § 3 des Gesetzes über den Bundesfreiwilligen- dienst (Bundesfreiwilligendienstgesetz - BFDG) vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 687) wird der Bundes- freiwilligendienst in der Regel „ganztägig als überwiegend praktische Hilfstätigkeit in gemeinwohlorientierten Einrichtungen geleistet, insbesondere in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, einschließlich der Einrich- tungen für außerschulische Jugendbildung und für Ju- gendarbeit, in Einrichtungen der Wohlfahrts-, Gesund- heits- und Altenpflege, der Behindertenhilfe, der Kultur und Denkmalpflege, des Sports, der Integration, des Zivil- und Katastrophenschutzes und in Einrichtungen, die im Bereich des Umweltschutzes einschließlich des Natur- schutzes und der Bildung zur Nachhaltigkeit tätig sind.“ Belastbare Angaben zur Verteilung auf die unter- schiedlichen Einsatzbereiche und Tätigkeitsfelder können nicht gemacht werden. Einen Anhaltspunkt für die Tätigkeitsfelder im Bun- desfreiwilligendienst kann die Zuordnung der Freiwilli- gen im Bundesfreiwilligendienst zu den verschiedenen Zentralstellen geben, da die verbandsgebundenen Einrich- tungen sich in der Regel auch der Zentralstelle ihres Ver- bandes anschließen. Die Zentralstelle Bundesamt für Fa- milie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) steht insbesondere kleinen, verbands-unabhängigen, zivilge- sellschaftlichen und kommunalen Einsatzstellen zur Ver- fügung. Siehe hierzu die vom Bundesministerium für Fa- milie, Senioren, Frauen und Jugend zur Verfügung ge- stellte Übersicht (Tabelle 1: bis 27 Jahre, Tabelle 2: über 27 Jahre) der Anlage. Nach Einschätzung des Paritäti- schen Wohlfahrtsverbandes LV Berlin e. V. sind Freiwil- lige im Bundesfreiwilligendienst vor allem im Bereich der Begleitung und Unterstützung der jeweiligen Zielgruppen in den Einsatzstellen in Abstimmung mit individuellen Präferenzen und Möglichkeiten in den Einsatzstellen vor Ort tätig. Die Einsatzfelder im freiwilligen sozialen Jahr unter- scheiden sich nach Einschätzung des Paritätischen Wohl- fahrtsverbandes LV Berlin e. V. aufgrund der Historie teilweise von denen des Bundesfreiwilligendienstes. In Berlin werden alle gesetzlich möglichen Einsatzfelder durch die insgesamt 29 anerkannten Träger des FSJ ange- boten und auch nachgefragt. Die Freiwilligen im freiwilligen ökologischen Jahr engagieren sich in Einsatzstellen, die im Bereich des Na- tur- und Umweltschutzes einschließlich der Bildung zur Nachhaltigkeit tätig sind. Die Einsatz- bzw. Handlungs- felder für die praktische Tätigkeit umfassen ein breites Spektrum, u. a.: Umwelterziehung/Umweltbildung, Um- welttechnik/Erneuer-bare Energien, Landwirtschaft/Er- nährung/Tierpflege, Naturschutz und Landschafts-pflege, Umweltanalytik, Umweltberatung und Umweltinformati- on, Mobilität und Verkehr sowie ökologische Dienstleis- tungen. Neben Vereinen, Verbänden und öffentlichen Einrichtungen befinden sich unter den Einsatzstellen auch Unternehmen und wirtschaftsnahe Einrichtungen. Der Einsatzstellenpool umfasst also nicht nur traditionelle Einsatzstellen wie Naturschutzstationen, Gartenarbeits- schulen oder umweltpädagogische Einrichtungen, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen in Bereichen neuer zukunftsfähiger Technologien, umweltgerechter For- schung, Produktion und Entwicklung, in denen Freiwilli- ge lernen können, wie unternehmerisches Handeln mit den Belangen des Umweltschutzes verknüpft wird und neue Einstiege in die Berufswelt aufgetan werden. 3. Wie viele Menschen haben nach Vollendung ihres 27. Lebensjahrs in Berlin seit Inkrafttreten des Gesetzes eine Tätigkeit im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes aufgenommen. Zu 3.: Nach Angaben des BMFSFJ haben seit der Ein- führung des Bundesfreiwilligendienstes zum Juli 2011 bis einschließlich Oktober 2012 in Berlin 767 Freiwillige über 27 Jahren einen Dienst begonnen. 5. Welche Aussagen sind dem Senat darüber möglich , ob in einer namenhaften Zahl von Fällen ältere Ab- solventen des Bundesfreiwilligendienstes auf diese Weise einen Weg in den ersten Arbeitsmarkt gefunden haben? Zu 5.: Statistiken werden hierzu nicht erhoben. Da Freiwillige im Bundesfreiwilligendienst aus- schließlich arbeitsmarktneutral eingesetzt werden, ist es nach Kenntnis des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes LV Berlin e. V. lediglich in Einzelfällen zu einer Anstellung eines Freiwilligen in einer Einsatzstelle gekommen bzw. haben junge Bundesfreiwilligendienstleistende durch die- sen Dienst eine Lehrstelle erhalten. 6. Welche Veränderungen in der Anbieterstruktur für Plätze im Freiwilligendienst sind nach Wegfall der aus- schließlichen Bindung an die wenigen großen Sozialträger festzustellen? Zu 6.: Nach Einschätzung des Paritätischen Wohl- fahrtsverbandes LV Berlin e. V. wurde gemeinsam mit den Mitgliedsorganisationen von Beginn an sowohl in den Einsatz-stellen als auch in der Organisationsfrage Wert auf eine hohe Diversifikation gelegt. Daher hat sich der Wegfall der ausschließlichen Bindung nicht wesentlich auf die Anbieterstruktur im Paritätischen ausgewirkt. Nach Einschätzung des Bundesministeriums für Fami- lie, Senioren, Frauen und Jugend konnten durch die beim BAFzA eingerichtete Zentralstelle eine nennenswerte Zahl neuer Träger und Einrichtungen mit einer großen Zahl neuer Einsatzplätze gewonnen werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 178 3 7. Wie bewertet der Senat den Bundesfreiwilligendienst insgesamt? Zu 7.: Der Senat sieht die Entwicklung des Bundes- freiwilligendienstes positiv. Der Bundesfreiwilligendienst hat sich als fester Bestandteil freiwilligen Engagements in Berlin etabliert. Eine Verstetigung und der weitere quali- tative Ausbau dieses Dienstes bei einem adäquaten Aus- bau auch der Jugendfreiwilligendienste werden ausdrück- lich begrüßt. 8. Wie bewertet der Senat die soziale Absicherung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Rahmen dieser Tätigkeiten? Zu 8.: Beim Bundesfreiwilligendienst handelt es sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit, für die Sozialversiche- rungsbeiträge durch die Einsatzstellen entrichtet und ein Taschengeld an die Freiwilligen gezahlt wird. Der Senat hält diese soziale Absicherung für angemessen. 9. Wird sich der Senat für eine Ausweitung der entsprechenden Angebote einsetzen? Zu 9.: Der Senat begrüßt jede mögliche Ausweitung des ehrenamtlichen Engagements Jugendlicher und Er- wachsener. Die Zuständigkeit für den Bundesfreiwilligendienst liegt beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Das FSJ als Bildungs- und Orientierungsjahr ist ein zivilgesellschaftlich getragener und verantworteter Frei- willigendienst, der keine Regelförderung durch das Land Berlin erhält. Es kann nicht abgeschätzt werden, inwie- fern die Einsatzstellen und die Träger die Finanzierung einer Ausweitung gewährleisten können, da der Bundes- zuschuss ausschließlich für die pädagogische Begleitung vorgesehen ist. Eine Fortsetzung des FÖJ in Berlin mit rund 300 Plät- zen ist auch in der folgenden Europäischen Sozialfonds- Förderperiode (ESF-Förderperiode) 2014-2020 vorgese- hen. Berlin, den 07. Dezember 2012 In Vertretung Michael B ü g e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Dez. 2012) ka17-11178 ka17-11178Anlage