Drucksache 17 / 11 254 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach und Dr. Wolfgang Albers (LINKE) vom 23. November 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. November 2012) und Antwort Psychotherapeut/-innen in Ausbildung und Ausbeutung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Die Kleine Anfrage betrifft überwiegend Sachverhal- te, die der Senat nicht allein aus eigener Kenntnis beant- worten kann oder deren Rechercheaufwand dem Umfang einer Kleinen Anfrage nicht gerecht wird. Er ist gleich- wohl bemüht, Ihnen Antwort auf Ihre Fragen zukommen zu lassen und hat daher die Charité-Universitätsmedizin Berlin und die Psychotherapeutenkammer Berlin um Stellungnahme bzw. Auskunft gebeten. Die Angaben der Charité sind in die Antworten einbezogen, die Psychothe- rapeutenkammer Berlin hat innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit keine Angaben gemacht. 1. Wie viele Psycholog/-innen, Sozialpädagog/-innen bzw. Pädagog/-innen mit Diplom- oder Masterabschluss machen zurzeit in Berlin ihre Ausbildung zu Psychothe- rapeut/-innen und absolvieren die dafür notwendigen 1800 Stunden „praktische Tätigkeit“ in psychiatrischen Kliniken (bitte nach Kliniken und m/w auflisten)? 2. Wie viele Psychotherapeut/-innen in Ausbildung (PiA) sind vollbeschäftigt tätig und wie viele teilzeitbe- schäftigt (bitte nach Kliniken und m/w auflisten)? Zu 1. und 2.: Für die systematische Erhebung der Zahl der Psychotherapeutinnen und -therapeuten in Ausbildung (PiAs) bei den insgesamt 21 durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin staatlich anerkannten Ausbildungsstätten gibt es keine rechtliche Grundlage. Daher kann auch nicht angegeben werden, wie viele PiAs sich derzeit in einem Klinischen Ausbildungsabschnitt „Praktische Tätigkeit“ nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 der Ausbildungs - und Prüfungsverordnungen für Psychotherapeuten und für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten be- finden und ob sie in Vollzeit oder Teilzeit tätig sind. Wie viele (Kinder- und Jugendlichen)-Psychothera- peutinnen und -Psychotherapeuten jedes Jahr in die Aus- bildung aufgenommen werden, entscheiden die Ausbil- dungs-stätten autonom. Die PiAs treten erst in Kontakt mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales, wenn sie sich gegen Ausbildungsende dort zur Staatsprüfung anmelden. Im Bereich der Charité-Universitätsmedizin Berlin sind an den Standorten Mitte und Benjamin Franklin ins- gesamt 34 PiAs und an der Klinik für Psychiatrie der Cha- rité im St. Hedwig-Krankenhaus 19 PiAs eingesetzt. In der Summe liegt der Frauenanteil im Bereich der Charité bei rd. 85% und der Anteil der in Teilzeit beschäftigten PiAs bei 53 %. 3. Wie wird die Arbeit der PiA in den Berliner Kliniken bezahlt (bitte nach Kliniken und Trägern auflisten)? Zu 3.: Während der postgradualen dreijährigen Voll- zeit-Ausbildung (mind. 4.200 Stunden) sind nach dem Psychotherapeutengesetz insgesamt mindestens 1.800 Stunden als sog. praktische Tätigkeit abzuleisten. Die praktische Tätigkeit ist wesentlicher Teil der Ausbildung. Sie dient dem Erwerb praktischer Erfahrung in der Be- handlung von Störungen mit Krankheitswert im Sinne des Psychotherapeutengesetzes sowie von Kenntnissen anderer Störungen, bei denen Psychotherapie nicht indiziert ist. Mindestens 1200 Stunden sind an einer psychiatri- schen klinischen Einrichtung zu er-bringen und während- dessen muss die Klinik gegenüber den PiAs fachkundige Anleitung und Aufsicht gewährleisten. Regelungen über eine Vergütung der PiAs während der praktischen Tätig- keit hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen und PiAs sind allgemein in keinem Tarifvertrag integriert. Bei Vivantes erhalten PiAs seit dem 01.7.2011 eine monatliche Auf- wandsentschädigung in Höhe von 400 €. Die CharitéUniversitätsmedizin Berlin leistet keine Vergütung an PiAs, für dortige PiAs besteht aber die Möglichkeit, ver- gütete Aufgaben in Drittmittel-projekten zu übernehmen. Von diesem Angebot machen aktuell 30 der 34 eingesetz- ten PiAs Gebrauch. Für die Tätigkeit in diesen Projekten beträgt die Vergütung in der Regel jeweils 1500 €. Ob bzw. in welcher Höhe die übrigen Kliniken in Ber- lin PiAs während der praktischen Tätigkeit eine Vergü- tung, Aufwandsentschädigung oder dergleichen zahlen, ist nicht bekannt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 254 2 4. Wie viele PiA haben eine Nebentätigkeit und ist zu vermuten, dass sie dieser aus finanzieller Not nachgehen? Zu 4.: Hierzu können aus den zu 1. genannten Grün- den keine Angaben gemacht werden. 5. Für welche notwendigen Lehreinheiten, z.B. Theo- rie, Supervision, Selbsterfahrung etc. müssen angehende Psychotherapeut/-innen Gebühren selbst bezahlen und wie hoch sind diese in Berlin (bitte nach Berliner Anbie- tern auflisten)? Zu 5.: An allen in Berlin staatlich anerkannten Aus- bildungsstätten für (Kinder- und Jugendlichen-)Psycho- therapeutinnen und -Psychotherapeuten ist die Ausbil- dung kostenpflichtig. Über die Höhe der Kosten („Schulgeld “) für die verschiedenen Ausbildungswege (Vollzeitoder Teilzeitausbildung, gewähltes Vertiefungsverfahren, sonstige Kosten) entscheiden die Ausbildungsstätten aus- schließlich in eigener Verantwortung. Ob darüber hinaus während des klinischen Praktikums von PiAs unter Um- ständen vor Ort weitere Kosten zu übernehmen sind, ist nicht bekannt. 6. Wie bewertet der Senat die aktuelle Situation? Zu 6.: Einerseits müssen PiAs während der Ausbil- dung Schulgeld zahlen, andererseits müssen sie für die Zulassung zu dieser Ausbildung über ein abgeschlossenes Psychologiestudium verfügen. Vor diesem Hintergrund beklagen viele Betroffene, dass sie während der prakti- schen Tätigkeit in den Kliniken als reguläre und billige Arbeitskräfte und nicht den Vorgaben des Gesetzgebers entsprechend eingesetzt werden. Danach müssen PiAs im Verlauf der Ausbildung unter fachkundiger Anleitung und Aufsicht stehen und sollen dabei mit zunehmender Selb- ständigkeit praktisch tätig sein. Sie haben aber noch keine Approbation und dürfen daher nicht eigenverantwortlich behandeln. Damit ist ihr rechtlicher Status vergleichbar mit Studierenden der Medizin während des Praktischen Jahres. In der Psychiatrie-Personalverordnung werden PiAs nicht berücksichtigt. Die Krankenhäuser erhalten keine Vergütung für die Tätigkeit von PiAs durch die Kosten- träger. Eine Vergütung für PiAs müsste durch Einsparun- gen in anderen Bereichen oder bei anderen Berufsgruppen kompensiert werden. Für die Forderung der PiAs nach einer angemessenen Vergütung besteht Verständnis. Um die finanzielle Situa- tion der PiAs zu verbessern, hat die 85. Gesundheits- ministerkonferenz im Juni 2012 einstimmig das Bundes- ministerium für Gesundheit aufgefordert, eine Regelung zu treffen, die es den Gewerkschaften ermöglicht, Tarif- verträge für PiAs abzuschließen. Berlin, den 19. Dezember 2012 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Jan. 2013)