Drucksache 17 / 11 311 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 05. Dezember 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Dezember 2012) und Antwort Warum wird Abschiebungshäftlingen in Berlin ein Internetzugang verweigert? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Haben Abschiebungshäftlinge im Abschiebege- wahrsam Köpenick die Möglichkeit, das Internet zu nut- zen? a) Wenn ja, in welchem Rahmen ist es ihnen mög- lich, das Internet zu nutzen? b) Wenn nein, warum nicht (bitte inhaltlich begrün- den sowie Rechtsgrundlage benennen und beifü- gen)? Zu 1.: Abschiebungshäftlinge im Abschiebungsge- wahrsam Köpenick haben keinen direkten Zugang zum Internet. Sofern Insassinnen oder Insassen persönliche Informationen aus dem Internet benötigen, werden diese durch Seelsorgerinnen oder Seelsorger (im Auftrag und mit vorab erteilter Vollmacht seitens der Insassinnen und Insassen) beigebracht. a) Entfällt b) Ein freier Internetzugang wird auf Grundlage des Gesetzes über den Abschiebungsgewahrsam im Land Berlin und der Ordnung für den Abschie- bungsgewahrsam im Land Berlin nicht angeboten. Die Gründe hierfür sind unter 6. dargelegt. 2. Durch welche Maßnahmen stellt der Senat sicher, dass sich die Abschiebungshäftlinge im Abschiebege- wahrsam Köpenick besser auf die Ankunft im Zielland vorbereiten können (bitte Einzelauflistung der Maßnah- men)? Zu 2.: Die Insassinnen und Insassen erfahren durch den im Gewahrsam tätigen Sozialdienst eine umfassende Unterstützung bei der Vorbereitung auf die Ankunft im Zielland. Mit den Abschiebungshäftlingen werden in Einzelgesprächen konkrete Handlungsoptionen erarbeitet und Alternativen entwickelt. Soweit dies möglich ist, werden Adressen von Anlaufstellen (z. B. Ämter, potenti- elle Arbeitgeberinnen oder Arbeitgeber) im Zielland ver- mittelt. In besonderen Fällen unterstützt der Sozialdienst die Herbeiführung von Einzelfallentscheidungen bezüg- lich der Mitnahme von Bargeld über der Bemessungs- grenze von 55 Euro, um die Wiedereingliederung im Heimatland zu erleichtern. Des Weiteren arbeitet der So- zialdienst mit der kirchlichen Seelsorge und externen Hilfsorganisationen eng zusammen. Vorbereitungsgesprä- che mit Abschiebungshäftlingen werden zwischen dem Sozialdienst und den im Gewahrsam tätigen Seelsorgerin- nen oder Seelsorgern abgestimmt. Sofern durch eine an- gekündigte Abschiebung ein psychisches Ungleichge- wicht auftritt, wird durch den Sozialdienst eine Krisenin- tervention sichergestellt und bei Bedarf eine Psychiaterin oder ein Psychiater hinzugezogen. Soweit möglich, wird über die Seelsorger eine Verbindung zu einer entspre- chenden Anlaufstelle im Heimatland hergestellt. 3. Wie bewertet der Senat die Wichtigkeit eines In- ternetzugangs für Menschen im Abschiebegewahrsam, insbesondere im Hinblick auf die Informationsbeschaf- fung über die derzeitige Lage im Ziel- bzw. Heimatland und die Vorbereitung der Ankunft (behördliche Formali- täten, Unterkunft etc.)? Wie hoch ist der Nutzen des In- ternets im Vergleich mit anderen Informationsquellen (Telefon, Brief, Papierverzeichnisse) zu bewerten? Zu 3.: Neben der unter 2. genannten Unterstützung können sich die Insassinnen und Insassen im Rahmen einer sehr moderat gehaltenen Besuchsregelung über An- gehörige, Bekannte und Hilfsorganisationen informieren lassen. Zudem ist jeder Verwahrraum mit einem Fernseh- gerät ausgestattet, welches als Informationsquelle nutzbar ist. Das Fehlen eines Internetzuganges wird durch die genannten Möglichkeiten hinreichend kompensiert. 4. Warum ist den Abschiebungshäftlingen die Nutzung internetfähiger Handys im Abschiebegewahrsam Köpenick untersagt? Zu 4.: Es wird auf die Beantwortung der Frage 1b verwiesen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 311 2 5. Ist dem Senat bekannt, dass mittlerweile praktisch keine neuwertigen Handy-Modelle ohne Internetzu- gangsmöglichkeit auf dem Markt verfügbar sind? Zu 5.: Es werden unterschiedliche Modelle von Mo- biltelefonen, die nicht über Internetzugangsmöglichkeiten verfügen, durch verschiedene Anbieter auf dem Markt angeboten. Bei Bedarf werden den Abschiebungshäftlin- gen leihweise Geräte ohne Kamera und ohne Internet- funktion unentgeltlich zur Verfügung gestellt. 6. Welche Gefahren werden bei einer freien Nutzung des Internets durch die Abschiebungshäftlinge vermutet? Treten diese Gefahren nur bei Internetnutzung auf, oder sind sie auch bei normaler Nutzung von Telefonie zu vermuten? In welchem Maße nehmen die genannten Ge- fahren durch die Nutzung von Internet gegenüber der Nutzung von Telefonie zu? Zu 6.: Ein freier Internetzugang zu Inhalten, die Bau- anleitungen für gefährliche Gegenstände oder Schulungen zum Öffnen oder Manipulieren von Sicherheitseinrich- tungen enthalten, können die Aufrechterhaltung der Si- cherheit und Ordnung im Abschiebungsgewahrsam er- schweren. Darüber hinaus kann ein freier Zugang zu In- halten mit (ethnischen) Beleidigungen, mit Verunglimp- fungen von Religionen oder ein Zugriff auf pornografi- sche, gewaltverherrlichende, rassistische oder menschen- verachtende Inhalte den sozialen Frieden im Abschie- bungsgewahrsam negativ beeinflussen. 7. Welche juristischen und sachlichen Gründe spre- chen nach Ansicht des Senats gegen die Ergänzung der „Ordnung für den Abschiebungsgewahrsam im Land Berlin (Gewahrsamsordnung)“ um einen Passus, der den freien Zugang zum Internet sicherstellt? Zu 7.: Es wird auf die Antwort zu 6. verwiesen. 8. Gibt es Fälle, in denen es durch den freien Zugang zum Internet im Abschiebegewahrsam Köpenick zur Ver- übung von Straftaten gekommen ist (wenn ja, bitte Ein- zelauflistung seit 2010 nach zugrunde liegendem Sach- verhalt, Datum und jeweiligem Straftatbestand)? Zu 8.: Entfällt, da ein freier Internetzugang nicht ge- währt wird. 9. Welche Voraussetzungen müssten vorliegen, damit die Nutzung des Internets im Abschiebegewahrsam nicht mehr als problematisch angesehen wird? Zu 9.: Inwieweit die unter 6. beschriebenen Gefahren durch technische Möglichkeiten zur Begrenzung eines Internetzuganges vermieden werden können, kann zurzeit nicht eingeschätzt werden. Berlin, den 02. Januar 2013 In Vertretung Andreas Statzkowski Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Jan. 2013)