Drucksache 17 / 11 319 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 06. Dezember 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Dezember 2012) und Antwort Ist das alles? – Maßnahmen zur interkulturellen Öffnung der Berliner Ausländerbehörde Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welchen aktuellen und zukünftigen Handlungsbe- darf zur interkulturellen Öffnung der Berliner Ausländer- behörde sieht der Berliner Senat? Zu 1.: Die Berliner Ausländerbehörde versteht sich als lernende Organisation. Für die Fortführung des Prozesses der interkulturellen Öffnung bedeutet dies konkret, dass - etwa im Rahmen eines jährlich stattfindenden mehrtägigen Führungskräfteworkshops - die wesentlichen Infor- mationsangebote für die Kundinnen und Kunden, das gesamte Serviceangebot, aber auch die wesentlichen Ge- schäftsprozesse etwa zur Kundensteuerung fortlaufend evaluiert und ggf. geändert werden. Hierzu wird auch der kritische Blick anderer Behörden und Akteure der Zivil- gesellschaft genutzt. Ein Ausbildungs- und Fortbildungs- koordinator evaluiert zudem regelmäßig den internen Schulungsbedarf, organisiert Schulungen für die Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter und andere Dienststellen sowie Hospitationen. 2. Im „Bericht zur Umsetzung des Integrationskonzeptes 2007 für den Zeitraum 2009 bis September 2011“ (Drs. 17/0546) steht, dass die Berliner Ausländerbehörde seit 2009 – also nach Ende der Organisationsentwicklung zur interkulturellen Öffnung von 2004-2008 – „weitere Maßnahmen in eigener Regie realisiert [habe ]“ (S. 46): Um welche Maßnahmen zur interkulturellen Öffnung handelt es sich dabei konkret (bitte Einzelauflis- tung nach konkreter Maßnahme, Zeitpunkt/Dauer und ggf. Anzahl der daran teilnehmenden Mitarbeiter_innen)? Zu 2.: a) Zum Ausbau des Informationsangebots, Willkom- menskultur: Die Berliner Ausländerbehörde hat für fast alle Dienst- leistungen die erforderlichen Voraussetzungen, Unterla- gen und Gebühren auf der Internetseite benannt. Diese Informationen stehen teilweise auch in Englisch, Franzö- sisch und Russisch zur Verfügung. Alle internen Verwal- tungsvorschriften können durch die Kunden, Rechtsan- wälte, Gerichte und andere interessierten Stellen auf der Internetseite nachgelesen werden, so dass das Verwal- tungshandeln jederzeit nachprüfbar und transparent ist. Die notwendigen Anpassungen, etwa auf Grund von Rechtsänderungen, erfolgen zeitnah, teilweise tagesaktu- ell. Die Internetseite wird im Übrigen bundesweit genutzt und gelobt. Wie stark nachgefragt dieses Angebot ist, mag folgende Zahl verdeutlichen. Wurde im Jahr 2011 ca. 1.004.000 mal auf die Internetseite zugegriffen, war dies in den ersten 9 Monaten des Jahres 2012 bereits 853.400 mal der Fall. Hochgerechnet für das Jahr 2012 ergibt sich daraus eine prognostische Zahl von ca. 1.140.000 Zugrif- fen (Steigerung von 13,5 %). Zu weiteren Einzelheiten sei auf die Internetseite http://www.berlin.de/labo/abh ver- wiesen. Zur Willkommenskultur sei erwähnt, dass allen Zu- wanderinnen und Zuwandernden, denen erstmals eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, ein Begrüßungsschrei- ben und ein von der Integrations- und Migrationsbeauf- tragten des Senats erstelltes Willkommenspaket mit vielen wesentlichen Informationen ausgehändigt bzw. angeboten wird. Alle Zuwandernden bekommen zudem das Ange- bot, eine Migrationserstberatung durch die LIGA der freien Wohlfahrtsverbände in Anspruch zu nehmen, mit der die Ausländerbehörde seit Jahren in diesem Punkt eng zusammenarbeitet. b) Zum Termin- und Wartemanagement, besondere Serviceangebote: Die Berliner Ausländerbehörde ist im Vergleich zu ande- ren großen Ausländerbehörden, aber auch zu anderen Teilen der Berliner Verwaltung führend im elektronischen Terminmanagement. Anfang 2011 wurde ein System zur Online Termin Vereinbarung (OTV) eingeführt und seit- dem kontinuierlich genutzt. Dieses Angebot steht seit Anfang des Jahres 2012 auch in englischer Sprache zur Verfügung. Die Kundin bzw. der Kunde kann den Termin nicht nur eigenständig buchen, ändern und löschen. Sie oder er erhält zudem umfängliche und einheitliche Infor- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 319 2 mationen zu den erforderlichen Unterlagen - wiederum auch in Englisch -, automatisch eine Wartenummer und wird dann zum Termin ohne Wartezeit bedient. Ausländi- sche Delegationen - zuletzt der Stadt Helsinki und der chinesischen Provinz Fujian - loben diese Kundensteue- rung zu Recht als vorbildlich und innovativ. Zwar steht ein solches Angebot nicht allen Kundinnen und Kunden offen, wird aber stetig ausgeweitet. Zurzeit ist OTV offen für alle Studierenden, Gastwissenschaftle- rinnen und Gastwissenschaftler und sonstige Kundinnen und Kunden, die sich zum Zweck der Ausbildung (d.h. auch Schulbesuch und Sprachkurs - Fälle des § 16 Auf- enthaltsgesetz) hier aufhalten und ihre Familienangehöri- gen, unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Des Weite- ren ist das Angebot offen für alle Angehörigen von Staa- ten Nord- und Südamerikas, Israels, Australiens, Neusee- lands, Ozeaniens, der Schweiz und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Im Übrigen erhalten fast alle sonstigen Kundinnen und Kunden, die nicht die Möglichkeit der OTV haben, und deren Titel bereits einmal in Berlin aus- gestellt wurden, eine individuelle schriftliche Terminein- ladung rechtzeitig - im Regelfall drei Monate vor Ablauf des Titels. Dieses System wird von der Ausländerbehörde seit Jahren auch schon weit vor OTV praktiziert. Ledig- lich Geduldete, Gestattete und Personen mit humanitären Titeln fallen hier heraus. Damit gelang es in den ersten drei Quartalen 2012 eine Terminierungsquote in den Re- gionalsachgebieten (IV Z 3 - 7) und dem Bevorrechtigten- sachgebiet von 59,28 % zu erreichen. Bei den Bevorrechtigten (Studierenden etc.) liegt die Quote sogar bei 63,81 %. Dies dürfte bundesweit für eine Behörde dieser Art und Größe ein guter Wert sein. Daneben bestehen eine Reihe besonderer Services für ausgewählte Kundenkreise, auf deren Bedürfnisse sich die Ausländerbehörde besonders einstellt. Hier ist etwa der besondere Service - für Unternehmerinnen und Unternehmer, sog. High Potentials und Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen (in enger Abstimmung mit der In- dustrie- und Handelskammer und der für Wirtschaft zuständigen Senatsverwaltung), - für Studierende und Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler (in Abstimmung mit allen gro- ßen Hochschulen Berlins) zu nennen. Des Weiteren wird derzeit im sogenannten Servicepoint (Sachgebiet ZBS), in dem überwiegend schnell zu erbringende Dienstleistungen angeboten werden, eine neue Form von Wartemanagement erprobt. Damit können Kundinnen und Kunden, die ohne Termin vorsprechen, punktgenau ablesen, wie lange sie noch warten müssen und die Behörde solange verlassen. Auch das Modell ei- nes Bürgerterminals (Kundin/Kunde informiert sich im Internet und bucht einen Termin vor Ort) wird derzeit erprobt. Es sei allerdings nicht verschwiegen, dass trotz dieser besonderen Serviceangebote derzeit Kundinnen und Kun- den in den frühen Morgenstunden anstehen, um noch am selben Tag bedient zu werden. Dies betrifft derzeit allein Studierende, Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissen- schaftler, EU-Bürgerinnen und EU-Bürger und sonstige Kundinnen und Kunden des Sachgebiets IV Z2. Diese Kunden werden derzeit durch die Referats- und Abtei- lungsleitung sowie die Beschäftigten in der Generalie und zeitweise die Direktorin des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) ab ca. 06.30 Uhr be- dient, um noch akzeptable Zustände aufrecht zu erhalten. Der Sachgebietsleiter und seine Vertreterin in diesem Bereich machen Sachbearbeitung. Ein zusätzlicher Publi- kumstag für Terminkundinnen/Terminkunden wurde ge- schaffen. Dies ist a l l e i n der Tatsache geschuldet, dass die Ausländerbehörde keine weiteren Kalender im OTV frei- schalten kann und die Termine inzwischen für die nächs- ten dreieinhalb Monate vollständig ausgebucht sind. Derzeit arbeitet die Senatsverwaltung für Inneres und Sport gemeinsam mit dem LABO intensiv an einer Lö- sung zur Unterstützung der Ausländerbehörde. c) Zur Organisationsstruktur: Die Berliner Ausländerbehörde organisiert sich nach Staatsangehörigkeiten und Aufenthaltszwecken. Dies bringt nicht nur Synergieeffekte und ermöglicht eine passgenaue Dienstleistung, sondern schafft auch ganz andere Möglichkeiten, die einzelnen Bereiche interkultu- rell zu öffnen. Erwähnt sei hier etwa die Kooperation, die die Ausländerbehörde mit dem Türkischen Generalkonsu- lat, dem Türkischen Bund Berlin-Brandenburg und der Türkischen Gemeinde pflegt, um ein Feedback zu der Arbeit im Sachgebiet Türkei (IV Z 7) zu erhalten. Auch insoweit ist die Berliner Ausländerbehörde Vorbild und wird zu Recht gelobt (vgl. etwa das Praxishandbuch zur Interkulturellen Öffnung der Berliner Verwaltung aus der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, in dem der IKÖ-Prozess der Berliner ABH als vorbildhaft zur Nachahmung empfohlen wird). d) Zum Beschwerdemanagement: Alle Dienstaufsichtsbeschwerden werden von der Abtei- lungsleitung oder den Referatsleitungen persönlich ge- prüft und auch durch diese selbst beantwortet. Anregun- gen, woraus sich Verbesserungen ergeben, werden zeitnah umgesetzt. Bis zum 31.10.2012 wurden 80 schriftliche Dienstaufsichtsbeschwerden bearbeitet. Im Vorjahr waren dies 119. Dies entspricht einem Rückgang von 67 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Als berechtigt eingestuft wurden 26 %, im Jahre 2011 waren es 37 %. Alle Namen und Telefonnummern der Führungskräfte - auch der Sachgebietsleitungen - sind auf der Internetseite ver- öffentlicht, so dass die Abteilungs- und Referatsleitungen auch auf diesem Wege für die Kundinnen und Kunden ansprechbar sind. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 11 319 3 e) Zur Personalentwicklung, zum Fortbildungs- und Weiterbildungsangebot: Interkulturelle Kompetenz ist seit Jahren Bestandteil des Anforderungsprofils für die Be- schäftigten der Ausländerbehörde, sie wird also bei Aus- wahlgesprächen überprüft und fließt in die Beurteilungen ein. Die Ausländerbehörde baut den Bereich Aus- und Fortbildung verstärkt aus. Hierfür wurde ein gesondertes Aus- und Fortbildungskonzept entwickelt und die Funkti- on eines Aus- und Fortbildungskoordinators geschaffen. Auch hier sei für nähere Informationen zu diesem Kon- zept auf die Internetseite der Ausländerbehörde verwie- sen. In den ersten drei Quartalen wurden 231 Beschäftigte der Ausländerbehörde intern geschult. Weitere 45 Be- schäftigte haben an externen Schulungen teilgenommen – etwa zur Bekämpfung ausbeuterischer Arbeitsverhältnis- se. Es wurden Sprachkurse für Englisch und Türkisch angeboten. f) Zur Vernetzung mit Akteuren der Zivilgesellschaft, anderen Behörden und Dienststellen: Um permanent Anregungen auch zur Verbesserung des Service der Ausländerbehörde zu erhalten, wird ein re- gelmäßiger Erfahrungsaustausch mit verschiedenen Ak- teurinnen und Akteuren der Zivilgesellschaft, anderen Behörden und Dienststellen gepflegt. Beispielhaft seien hier genannt die Hochschulen und Forschungseinrichtun- gen Berlins und Potsdams sowie der Deutsche Akademi- sche Austauschdienst (DAAD), der Migrationsrat Berlin- Brandenburg sowie die LIGA der freien Wohlfahrtsverbände , die Industrie- und Handelskammer und die Berlin Partner GmbH. Die Ausländerbehörde vernetzt sich mit diesen und anderen Stellen (vergleiche hier wiederum die Internetseiten der Ausländerbehörde), es werden Hospita- tionen angeboten und Beschäftigte der Ausländerbehörde hospitieren selbst. So haben bis November 2012 14 Tref- fen mit Externen stattgefunden und konnten 113 Personen in der Ausländerbehörde hospitieren. Besonders hervor- zuheben ist hier etwa der Besuch des Petitionsausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses am 01.11.2012. 3. Plant der Senat noch Maßnahmen zur interkulturel- len Öffnung der Berliner Ausländerbehörde in dieser Le- gislaturperiode und wenn ja, welche (bitte Einzelauflis- tung nach konkreter Maßnahme, Zeitpunkt/Dauer und ggf. Anzahl der daran teilnehmenden Mitarbeiter_innen)? Zu 3.: a) Zum Ausbau des Informationsangebots, Willkom- menskultur: Die Anpassungen und Fortschreibungen des Informationsangebotes im Internet erfolgen weiterhin zeitnah. b) Zum Termin- und Wartemanagement, besondere Serviceangebote: Zum 1.1.2013 steht die Ausweitung für die Staatsangehö- rigen der Türkei und zum 1.4.2013 voraussichtlich für alle Angehörigen von Staaten Schwarzafrikas an. Die Ange- hörigen der verbleibenden Staaten insbesondere des mus- limischen Kulturkreises und die Nachfolgestaaten Jugo- slawiens sollen folgen. d) Zum Beschwerdemanagement: Ziel ist auch weiterhin, die Beschwerden in 2013 zu reduzieren, zum einen durch weitere Verbesserungen des Informationsangebotes und zum anderen durch die unter e) genannten Maßnahmen zur Personalentwicklung bzw. durch Fort- und Weiterbildungsangebote. e) Zur Personalentwicklung, zum Fortbildungs- und Weiterbildungsangebot: Die Schulungen für fachspezifisches Englisch sollen im Jahr 2013 neu aufgelegt werden. Aktuell haben 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr Interesse an einem solchen Angebot bekundet. Darüber hinaus wird das weit gefächerte Angebot der Verwaltungsakademie (VAk) für die Fortbildung in außerfachlichen Kompetenzen rege genutzt. f) Zur Vernetzung mit Akteuren der Zivilgesellschaft, anderen Behörden und Dienststellen Die Vernetzung mit Akteurinnen und Akteuren der Zivilgesellschaft, anderen Behörden und Dienststellen wird auch in dieser Legislaturperiode fortgesetzt und in- tensiviert. Besuche – sowohl von ausländischen als auch inländischen Delegationen, wie z.B. Parlamentarierinnen und Parlamentariern, Interessenvertretungen etc. – werden auch in dieser Legislaturperiode auf Anfrage angeboten bzw. sind ausdrücklich erwünscht. Berlin, den 21. Dezember 2012 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Feb. 2013)